4. Plenarsitzung der Stadtverordnetenversammlung am 16. Juni 2016
TO 17: Versetzung eines Wahlbeamten (Felix Semmelroth) in den Ruhestand
Stellvertretende Stadtverordnetenvorsteherin
Erika Preundschuh:
Ich rufe den Tagesordnungspunkt 17., Ruhestand von Herrn Stadtrat Professor Dr. Semmelroth, auf. Zu diesem Thema behandeln wir die Vorlage M 100 des Magistrats. Die LINKE-Fraktion hat den Antrag zur Tagesordnung I gestellt. Gibt es Wortmeldungen? Herr Kliehm, Sie haben das Wort. Bitte sehr!
Stadtverordneter Martin Kliehm, LINKE.:
Sehr geehrte Damen und Herren,
sehr geehrte Frau Stadtverordnetenvorsteherin!
Mir ist schon klar, dass Sie eigentlich alle hier Fußball sehen möchten, aber ich habe die Vorlage M 100 auf die Tagesordnung der Stadtverordnetenversammlung setzen lassen, weil sie Gefahr lief, unter dem Radar der Stadtverordnetenversammlung zu laufen. Sie wurde kurzfristig auf Tagesordnung II gesetzt mit dem Zweck, Herrn Stadtrat Professor Felix Semmelroth in den Ruhestand zu schicken, und ich finde, das hat er so einfach nicht verdient, ohne eine ordentliche Verabschiedung. Ja, Sie werden noch eine Gala für ihn machen, aber die Vorlage auf Tagesordnung II so abzufertigen, das geht einfach nicht.
(Beifall)
Warum das nicht geht, haben Sie vorhin eindrucksvoll in seiner Rede zur Euthanasie in Frankfurt gehört. Solche Reden sind wir von ihm im Kultur- und Freizeitausschuss – oder wenn Sie einmal bei irgendwelchen Eröffnungen von Galerien oder Ausstellungen waren – gewohnt und ich denke, das ist ein Grund, warum wir das entsprechend würdigen müssen.
In der letzten Sitzung der Stadtverordnetenversammlung hat Herr zu Löwenstein gesagt, wegen Erreichung der Altersgrenze müsse Herr Professor Semmelroth leider aus dem Magistrat ausscheiden. Sie wissen, dass das nicht stimmt. Seine Amtszeit geht bis zum 31. August 2017. Er hätte nicht zurücktreten müssen, aber Sie wissen, und das wurde auch in den letzten Wochen deutlich gemacht, dass Kulturpolitik für die CDU in Frankfurt offenbar keine Priorität hat. Für Sie ist Kulturpolitik eine freiwillige Leistung und sobald es zu Kürzungen und Sparzwängen kommt, obwohl Frankfurt gleichzeitig Millionengewinne macht, steht diese freiwillige Leistung für Sie zur Disposition.
(Beifall)
Wann immer Sie diese selbst geschaffenen Sparzwänge dann nennen, bilden Sie eine intransparente Reformkommission, wie zum Beispiel im Jahr 2003, die das Theater am Turm und das Ballett Frankfurt auf dem Gewissen hat. Frankfurt war einmal eine sehr große Ballettstadt, William Forsythe war 25 Jahre lang in Frankfurt aktiv, und so haben Sie es ihm gedankt. Herr Professor Semmelroth hat sich den Streichungen des Magistrats in den letzten Jahren widersetzt, abgesehen vom Club Voltaire und anderen politisch unbequemen Einrichtungen, was ihm selbstverständlich auch vorgehalten wurde. Aber er hat immerhin das Rückgrat besessen, seinen Rücktritt einzu.
Stadtverordneter Sebastian Popp, GRÃœNE:
Ich glaube, wenn hier jemand eine Rede hält, wäre es gut, das Fußballspiel draußen zu schauen und hier dem Redner zuzuhören.
(Beifall)
Stadtverordneter Martin Kliehm, LINKE.:
(fortfahrend)
Vielen Dank für die Unterstützung, aber ich kann damit leben. Denn das unterstreicht nur wieder, welche Kulturbanausen bei der CDU in der ersten Reihe sitzen.
(Beifall, Heiterkeit)
Immerhin hat Professor Semmelroth das Rückgrat besessen, seinen Rücktritt einzureichen, als das Kulturdezernat zur Verhandlungsmasse wurde, auf das die CDU nur zu gerne verzichtete. Im Gegensatz dazu hat die SPD die Gestaltungskraft dieses Amtes erkannt und zugegriffen. Ich muss sagen: trotz des oft kritisierten Thesenpapiers zur Kulturpolitik von OB Feldmann, Sie sind ja lernfähig und haben das erkannt.
Dennoch haben wir im Zuge dieser Diskussion dann gehört, dass Kultur ein Standortfaktor wäre. Das sagte Mike Josef, den ich ansonsten sehr schätze. Da muss ich entgegenhalten, Kultur hat nicht den Zweck des Standortfaktors, Kultur muss sich dieser Verwertungslogik entziehen und darf nicht zum Standortfaktor degradiert werden. Sie darf auch nicht soziales Schmiermittel sein, wie wir eindrucksvoll bei der Rede zum Denkmal der .Grauen Busse. gehört haben. Kultur hat das Potenzial, unsere Gesellschaft und unser Handeln zu hinterfragen und uns zur Reflektion anzuregen. Deswegen hat sie einen so bedeutenden Wert, auch wenn die FDP das vielleicht nicht erkennt.
(Heiterkeit)
Als Kulturpolitiker müssen wir Akzente setzen, ohne uns in die künstlerische Gestaltungsfreiheit einzumischen.
Es gibt noch viel zu tun in den nächsten Jahren. Die freien Theater hängen am Tropf der Selbstausbeutung, ihre Fördermittel müssen endlich ihrem Stellenwert entsprechend verdoppelt werden. Ich weiß, im Koalitionsvertrag haben Sie zwei Millionen Euro mehr stehen, das ist beinahe eine Verdoppelung, aber der Theaterbeirat hat eine Verdoppelung gefordert, ich finde, das ist das Mindeste. Im Kulturetat für städtische Einrichtungen müssen Tarifsteigerungen eingeplant werden statt Förderungen einzufrieren. Wir brauchen ein Kinder- und Jugendtheater, das die Arbeit der freien Theater in diesem Bereich respektiert, eine Anhebung der Fördermittel für bildende Kunst, eine Spielstätte für Filmfestivals, mehr Probebühnen, auch mit Tanzboden, und endlich eine Anerkennung der kulturellen Arbeit von Musikklubs. Eigentlich brauchen wir im Kulturetat 9,2 Millionen Euro mehr und nicht weniger, wie das bei den Beratungen zum letzten Etat gefordert wurde.
Insofern hat Professor Semmelroths Nachfolgerin Ina Hartwig noch viel zu tun. Ich wünsche ihr viel Erfolg und mindestens ebenso viel Erfolg wie Herrn Professor Semmelroth, den wir noch im Kultur- und Freizeitausschuss am 30. Juni würdig verabschieden werden.
Vielen Dank!
(Beifall)
Hier können Sie die Rede als PDF-Datei herunterladen.