6. Plenarsitzung der Stadtverordnetenversammlung am 15. September 2016
Tagesordnungspunkt 9: Die Stadtverordnetenversammlung unterstützt den Protest gegen TTIP und CETA am 17. September 2016 in Frankfurt am Main
Stadtverordnetenvorsteherin
Dr. Renate Wolter-Brandecker:
Ich rufe den Tagesordnungspunkt 9., Protest gegen TTIP, auf. Zu diesem Thema behandeln wir die Vorlagen NR 76 der LINKE-Fraktion und NR 98 der AfD-Fraktion. DIE LINKE-Fraktion hat als erste den Antrag zur Tagesordnung I gestellt. Die erste Wortmeldung kommt von Herrn Müller. Bitte sehr!
Stadtverordneter Michael Müller, LINKE.:
Frau Stadtverordnetenvorsteherin,
sehr geehrte Damen und Herren!
Am Beispiel von CETA und TTIP lässt sich anschaulich darstellen, wie sich die Kräfteverhältnisse in dieser Koalition darstellen. Man muss sich einmal vorstellen, SPD und GRÜNE mobilisieren für die große Demonstration am Samstag. Die Basis beider Parteien beteiligt sich an der Mobilisierung. Dem Haus liegt ein Antrag von uns vor. Dieser beinhaltet, dass die Demonstration am Samstag von der Stadtverordnetenversammlung unterstützt wird. Die beiden Fraktionen von SPD und GRÜNEN im Römer können sich jedoch nicht zu einer Zustimmung durchringen, sondern lehnen diesen Antrag ab.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, dieses Verhalten ist nicht nachvollziehbar. Damit machen Sie sich unglaubwürdig.
(Beifall)
Lieber Herr Stock, dann frage ich Sie, wie Sie das Ihrer grünen Basis darlegen wollen. Sie können sich natürlich auf die Koalitionsdisziplin zurückziehen. Sie können sich auch, so wie Herr Josef, darauf zurückziehen, dass die Koalition eben nur das umsetzen kann, was möglich ist. Dann ist es aber verdammt wenig.
(Beifall)
Lieber Herr zu Löwenstein, Sie können sich in dieser Koalition entspannt zurücklehnen, weil Sie augenscheinlich nichts zu befürchten haben. Ihre Ablehnung wurde im Ausschuss bereits vernommen. Sie haben deutlich gesagt, dass Sie die Position der Bundesregierung in dieser Frage ausdrücklich unterstützen – natürlich nachvollziehbar. Es wäre wünschenswert gewesen, wenn dem marktradikalen Kurs in dieser Koalition mehr Widerstand entgegengebracht worden wäre. Wie ist es sonst zu erklären, warum man sich nicht enthält. Das sollten Sie uns doch bitte schön begründen.
(Beifall)
Vor dem Hintergrund dieses koalitionären Chaos finde ich es dennoch bemerkenswert, dass Oberbürgermeister Peter Feldmann am Samstag zu den vielen Tausend Menschen sprechen wird, die Fragen zu den Freihandelsabkommen haben und sich nicht sicher sind, welche Veränderungen von ihnen ausgehen werden.
(Beifall)
Es zeigt sich eben doch, dass es manchmal Vorteile hat, sich nicht an eine Koalitionsdisziplin halten zu müssen. Der Oberbürgermeister kann nämlich sprechen und das finden wir ausdrücklich gut so. Auch begrüßen wir die ablehnende Haltung der SPD und der grünen Basis gegenüber den Freihandelsabkommen. Wir werden deshalb auch gemeinsam mit vielen Genossinnen und Genossen der LINKEN, aber auch mit Leuten der SPD und der GRÃœNEN am Samstag demonstrieren und gemeinsam ein Zeichen setzen, dass diese Freihandelsabkommen so nicht umgesetzt werden sollen und dürfen. Die Koalition sollte sich fragen, wie schizophren – ich sage es bewusst – dieses Verhalten ist und ob es nicht dazu beiträgt, dass immer mehr Menschen Zweifel an der Durchsetzungskraft politischer Entscheidungen haben, wenn man einfach bereit ist, jeden Kompromiss einzugehen.
(Beifall)
Worum geht es am kommenden Samstag? Lassen Sie es mich kurz darlegen. Inhaltlich haben wir uns schon zwei-, dreimal mit der Frage beschäftigt. Von daher habe ich mich zu Beginn eher auf das Abstimmungsverhalten der Koalitionäre konzentriert. Es geht um die kommunale Daseinsvorsorge, die gefährdet ist. Deshalb ist es wichtig, dass der Oberbürgermeister am Samstag spricht, weil es eine konkrete Gefahr gibt, mit der wir uns als Kommunalpolitikerinnen und -politiker auseinandersetzen müssen. Zum Beispiel gibt es Stillstandsklauseln. Den Vertragsparteien der Freihandelsabkommen ist es eben nicht möglich, hinter ein bestehendes Liberalisierungsniveau zurückzufallen. Was heißt das konkret? Wenn diese Abkommen durchgesetzt und ratifiziert werden und damit Geltung erlangen, dann wird es für die Kommunen sehr schwierig werden, irgendwann wieder zu rekommunalisieren. Es wird schlicht nicht möglich sein, vielleicht die Energieversorgung und die Wasserversorgung zurück in die öffentliche Hand zu holen, wenn dies bereits anderweitig geschehen ist.
Diese Freihandelsabkommen sind eine politische Einbahnstraße. Es ist schlicht unmöglich, dann etwas zurückzuholen. Der Protest ist deshalb so stark, weil die Menschen das wissen. Ein einmal getroffenes Freihandelsabkommen kann nur schwer wieder rückgängig gemacht werden.
Als zweiten Punkt möchte ich die Aushöhlung der kommunalen Daseinsvorsorge nennen und Ihnen die Auffassung der kommunalen Spitzenverbände wiedergegeben, meine Damen und Herren. Die Spitzenverbände haben aufgeschrieben, dass die Abkommen für unsere kommunale Daseinsvorsorge ein konkretes Problem darstellen wie auch für die Notwendigkeit, ein gutes Leben für die Menschen zu organisieren. Das ist doch gerade im Kern kommunale Daseinsvorsorge. Das steht auf dem Spiel. Deswegen muss man auch gegen diese Freihandelsabkommen demonstrieren, meine Damen und Herren.
(Beifall)
Zusammenfassend kann festgestellt werden, dass Sie uns vorwerfen werden, DIE LINKE sei polemisch und macht sich alles zu einfach. Aber konkret geht es im Kern um die Frage: Was gilt? Geht es uns um Konzern- und Investoreninteressen oder um das Allgemeinwohl? In dieser Frage müssen wir uns positionieren. Für uns als LINKE ist es ganz klar, wie wir uns positionieren. Wir stehen an der Seite der Menschen, wir sind für die Interessen der Menschen und gegen die Konzerninteressen.
(Beifall)
Zum Abschluss: Liebe Regierungskoalitionäre, Sie haben es uns mit diesem merkwürdigen Abstimmungsverhalten einfach gemacht, in dieser Frage glaubhaft zu bleiben. Wir LINKE haben eine klare Position. Wir fallen nicht um, wir eiern nicht herum. Wir lehnen CETA und TTIP ab. Wir freuen uns sehr, dass viele Menschen am kommenden Samstag in Frankfurt auf die Straßen gehen, da es letztlich auch um unsere kommunale Daseinsvorsorge und um die Art und Weise geht, wie wir leben wollen.
Vielen Dank!
(Beifall)
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