6. Plenarsitzung der Stadtverordnetenversammlung am 15. September 2016
Tagesordnungspunkt 7.3: Koalitionsvertrag umsetzen: Festlegung von Lärmobergrenzen am Frankfurter Flughafen
Stellvertretender Stadtverordnetenvorsteher
Ulrich Baier:
Vielen Dank, Herr Lange! Die nächste Wortmeldung kommt von Frau Dalhoff von der LINKE.-Fraktion. Ihr folgen Herr Dr. Schulz von der FDP-Fraktion und Herr Dr. Rahn von der AfD-Fraktion. Bitte sehr, Frau Dalhoff!
Stadtverordnete Ayse Zora Marie Dalhoff, LINKE.:
Sehr geehrter Herr Vorsteher,
sehr geehrte Damen und Herren!
Die beiden Anträge zum Umgang mit den Folgen des Flughafenausbaus, zu denen ich sprechen möchte, sind der Antrag NR 51 der Fraktion DIE LINKE und der Antrag der Koalition NR 91. Ich möchte dabei all denen meine Stimme leihen, die jetzt schon fast fünf Jahre unter unerträglichem Fluglärm und Schadstoffen leiden, und all denen, die darum bis heute jeden Montag am Flughafen und auch an anderer Stelle gegen den Flughafenausbau protestieren. Die Menschen im Frankfurter Süden und in der ganzen Region haben seit fünf Jahren an 365 Tagen im Jahr nur noch höchstens sechs Stunden Nachtruhe und allzu oft auch das nicht.
Fluglärm macht krank und tötet, indem er vorzeitige Sterbefälle verursacht. Seit mehr als fünf Jahren wird hier in der Stadtverordnetenversammlung über diese Thematik nicht angemessen diskutiert und es werden keine angemessenen Beschlüsse gefasst. Mehr als fünf Jahre warten die Betroffenen auf wirkungsvollen Schutz für sich und ihre Kinder. Sie warten darauf, dass auch die politisch Verantwortlichen in der Stadt Frankfurt mehr tun, als Verständnis und Bedauern zu äußern und bestenfalls Versprechungen zu machen, von denen niemand sagt, wie sie in Zukunft eingehalten werden können.
Nun, die schwarz-grünen Zeiten sind Vergangenheit, wir haben inzwischen eine andere Koalition. Wir haben eine neue Koalitionsaussage. Leider eine Koalitionsaussage, die den unter dem Flughafenausbau leidenden Menschen nicht gerecht wird. Am Beispiel des Antrags NR 91 will ich die grundlegenden Mängel der Politik der Koalition zum Flughafenausbau deutlich machen. Die Ãœberschrift des Antrags NR 91 lautet: „Am Frankfurter Flughafen muss es leiser werden – wirtschaftliche Stärken und Lärmreduzierung in Einklang bringen“. Mit dem, was die betroffenen Menschen brauchen, hat das aber gar nichts zu tun. Das in der Ãœberschrift, und mehr noch, das in der Begründung formulierte Bekenntnis zur angeblichen Bedeutung des Flughafens für die wirtschaftliche Stärke Frankfurts, Hessens und sogar Deutschlands ist nämlich nicht nur sachlich falsch und längst widerlegt, sondern unverkennbar auch ein uneingeschränktes Bekenntnis zum Ausbau des Flughafens. Mit ernst gemeinter Lärmreduzierung ist das aber nicht zu vereinbaren.
(Beifall)
Angeblich war der Flughafenausbau aufgrund seiner wirtschaftlichen Bedeutung unverzichtbar. Begründet wurde das mit mehr als zweifelhaften Gutachten, die heute längst durch die Realität widerlegt sind. Die Zahl der Flugbewegungen soll einmal 700.000 pro Jahr und mehr betragen. Heute haben wir etwa 470.000 Flugbewegungen und der Lärm ist jetzt schon nicht auszuhalten. Wie aber soll eine Lärmreduzierung gegenüber heute möglich sein, wenn gleichzeitig am Ausbau und damit an einer Steigerung auf 700.000 und mehr Flugbewegungen festgehalten wird. Dem Antrag NR 91 fehlt eines völlig: die Glaubwürdigkeit.
(Beifall, Zurufe)
Dass nun nach fünf Jahren eine Stabsstelle Fluglärm eingerichtet wird, ist zu begrüßen. Dass dies erst fünf Jahre nach der Öffnung der neuen Landebahn geschieht, ist ein Skandal und wirft kein gutes Licht auf die bisher Verantwortlichen.
(Beifall)
Die Bürgerinitiativen sagen nicht ohne Grund, wenn der Frankfurter Süden und die Region lebenswert bleiben sollen, muss ein Nachtflugverbot von 22 Uhr bis 6 Uhr her.
(Beifall)
Sie sagen weiter: Der Ausbau mit dem Ziel von 700.000 und mehr Flugbewegungen pro Jahr sind für Rhein-Main unvertretbar. Die Belastungshöchstgrenze war schon vor dem Ausbau erreicht. Sie sagen weiter: Weil 700.000 Flugbewegungen mehr als zu viel sind, wird die neue Landebahn nicht gebraucht. Sie hätte nie gebaut werden dürfen und muss darum wieder geschlossen werden. Wir von den LINKEN unterstützen das. Im Interesse der Menschen muss die Politik in der Stadt genau in diese Richtung zeigen. Wirkliche Lärmreduzierung lässt sich nur durch die Reduzierung von Flugbewegungen erreichen.
(Beifall)
Die belasteten Menschen brauchen glaubwürdige politische Zeichen, dass künftig Gesundheit und Lebensqualität Vorrang vor wirtschaftlichem Profit haben. Wir kritisieren darum den Antrag NR 91 der Koalition und lehnen ihn ab, weil dort, genauso wie in der Koalitionsvereinbarung, das formulierte Bekenntnis zur angeblichen wirtschaftlichen Bedeutung des Flughafens dermaßen Gewicht und Priorität hat, dass er nur als gleichzeitiges Bekenntnis zum Ausbau und damit zur geplanten Steigerung der Flugbewegungen auf mehr als 700.000 Flugbewegungen im Jahr gesehen werden kann.
Wirkliche Lärmreduzierung und wirksamer Schutz der Menschen sind damit nicht vereinbar. Aus Zeitgründen sage ich nur noch eine Sache. Mit unserem Antrag NR 91 „Nachtflugverbot von 22 Uhr bis 6 Uhr“ haben wir im Ortsbeirat und im Ausschuss für Umwelt und Sport konkrete und auch realisierbare politische Schritte zum Schutz der Menschen vorgeschlagen.
(Beifall)
Wir konnten uns nicht durchsetzen, wir sind in der Opposition. Aber wir haben mit unserem Antrag erreicht, dass das zerstörerische und lebensgefährliche Umweltgift Fluglärm und der Flughafenausbau heute hier Thema sind. Wir können deutlich machen, wo die Schwächen und die faulen Kompromisse Ihrer Politik liegen. Das werden wir auch weiterhin tun. Wir werden weiter praktikable Vorschläge machen. Wir werden politisch keine Ruhe geben, bis für alle Menschen in Frankfurt und der Region das Recht auf acht Stunden Nachtruhe verwirklicht ist.
(Beifall, Zurufe)
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