Was ist von einer Koalition zu erwarten, die hauptsächlich aus Totengräbern des sozialen Wohnungsbaus besteht?

5. Plenarsitzung der Stadtverordnetenversammlung am 14. Juli 2016

Tagesordnungspunkt 10.1 und Tagesordnungspunkt 11.1: Wahl des Bürgermeisters und der Stadträt*innen

Stadtverordnetenvorsteher

Stephan Siegler:

Danke schön, Herr Dr. Rahn! Die nächste Wortmeldung kommt von Frau Pauli von der LINKE.-Fraktion. Bitte sehr!

Stadtverordnete Dominike Pauli, LINKE.:

Sehr geehrter Herr Stadtverordnetenvorsteher,

sehr geehrte Damen und Herren!

Gut, dass wir jetzt nicht abstimmen müssen, denn ich fürchte fast, wir wären nicht beschlussfähig. Leider hört man draußen auch nicht, was hier drinnen gesprochen wird. Viele scheint es nicht zu interessieren, was die kleineren Fraktionen sagen. Ausnahmsweise lobe ich Sie einmal, Herr Stock, dass Sie durchhalten und zuhören.

(Zurufe)

Kommen wir zum Beginn meiner Rede. Im Gegensatz zu Ihnen, Herr zu Löwenstein, fand ich diesen Ausdruck .Stillstands?Koalition. in der FAZ vom Samstag dieser Woche ziemlich bezeichnend. Ich fürchte nämlich, nach der Lektüre des Koalitionsvertrags und auch dem, was ich die letzten Monate von Ihnen gehört und gesehen beziehungsweise nicht von Ihnen gehört und gesehen habe, dass es genau darauf hinausläuft, nämlich den kleinsten gemeinsamen Nenner in monatelanger Kleinarbeit gerade eben formuliert zu haben. Wir haben schon genauer über den Koalitionsvertrag gesprochen. Ich will das jetzt nicht alles wiederholen, sondern nur noch einmal den Fokus darauf lenken, dass vor allem die Begriffe „unterstützen“, „fördern“ und „stärken“ sehr deutlich und sehr oft gebraucht werden, in allen möglichen Zusammenhängen. Außerdem hat sich das Wort „sukzessive“ anscheinend zu Ihrem Lieblingswort entwickelt, denn ob Sie die Schulen sukzessive besser ausstatten wollen oder andere Dinge, ist ganz wichtig in diesem Vertragswerk. Wenn man das ein wenig psychologisch analysiert, glaube ich, lässt das tief blicken.

Dabei herausgekommen ist ein Koalitionsvertrag, der in allen wichtigen Dingen, zum Beispiel bei der Stadtentwicklung, ziemlich vage bleibt, aber der exakt festlegt, wohin der Eingang eines Museums verlegt und dass davor eine Straßenbahnhaltestelle eingerichtet werden soll. Große Fragen, die dringend diskutiert werden müssten, haben Sie ausgeklammert, Kleinteiliges hingebungsvoll ausgestaltet. Schade darum, Frankfurt bräuchte dringend eine zukunftsweisende, solidarische und progressive Stadtpolitik, die die Herausforderungen, die auf unsere Stadt zukommen, weil sie wächst, auch wirklich anpacken würde. Das heißt – wir haben alle schon zigmal darüber gesprochen, auch ich habe es schon ein paar Mal genannt, ich erspare es Ihnen trotzdem nicht -, Wohnraum zu schaffen, den Normalverdiener sich leisten können, einen ÖPNV zu schaffen, der eine wirkliche Alternative zum Individualverkehr darstellt und den sich auch alle leisten können, eine Infrastruktur zu haben, die auch eine soziale Infrastruktur ist, von der Gesundheitsversorgung bis hin zur Kinderbetreuung. Das heißt auch, dass die Stadtteile ihren sozialen Kern erhalten können und die Nahversorgung dort gesichert wird. Das sollten Sie als neue Stadtregierung tun, indem Sie die kleinen Fachgeschäfte fördern. Dazu habe ich in Ihrem Koalitionsvertrag tatsächlich etwas gefunden, und konnte es kaum glauben, denn Ihre Idee dafür ist, man müsste den kleinen Fachgeschäften bei ihrer Internetpräsenz und bei der Vernetzung mit den Vereinen helfen. Also, wenn das alles ist, was Ihnen dazu einfällt, kann ich nur sagen, der Berg hat drei Monate gekreist, und noch nicht einmal eine Maus geboren.

(Beifall)

Wir haben in Frankfurt ein Bevölkerungswachstum, das kommt auch – wenn auch nicht zum großen Teil – durch die Zuwanderung von Flüchtlingen. Natürlich muss man sich, wenn Sie die Integration wollen, darum bemühen, sie auch zu ermöglichen. Das kann nicht heißen, dass die Wartezeiten für einen Sprachkurs bei der VHS zig Monate betragen, weil Sie der VHS nicht genug Mittel zur Verfügung stellen, damit die das schneller hinbekommt. Auf unsere Frage in der letzten Plenarsitzung haben wir vom Bildungsdezernat gehört, dass 500 Menschen auf der Warteliste stehen und in absehbarer Zeit kaum eine Chance auf einen Sprachkurs bei der VHS haben. Das geht so nicht, ändern Sie das möglichst schnell.

(Beifall)

Leider gibt es immer noch kein konsistentes Integrationskonzept. Nach wie vor gibt es nur die mageren Sätze im Koalitionsvertrag, dass Sie alles Bisherige zusammenfügen wollen. Das ist zu wenig. Da sollten Sie sich an die Arbeit machen.

(Beifall)

Aber was ist von einer Koalition zu erwarten, die hauptsächlich aus Totengräbern des sozialen Wohnungsbaus besteht? Damit meine ich alle Parteien dieser neuen Koalition, denn es war auch die SPD in der Bundesregierung, die den sozialen Wohnungsbau liquidiert hat.

(Beifall)

Das schimmert auch ein bisschen durch. Sie schreiben im Koalitionsvertrag, dass die ABG Frankfurt Holding eine gute Wohnraumpolitik gemacht hat, was im Hinblick auf den Bestand an Sozialwohnungen einfach nicht stimmt. Sie können das noch so oft wiederholen, ich wiederhole genauso oft die Zahlen: 1994 hatten wir 58.994 Sozialwohnungen in Frankfurt, 2015 hatten wir gerade einmal noch 27.535 und bis 2020 fallen 5.700 Wohnungen aus der Sozialbindung heraus. Sie werden es kaum schaffen, das aufzufangen, schon gar nicht, wenn Sie weitermachen wie bisher.

(Beifall)

Damit hätten wir auch das Fazit, summa summarum: Die neue Koalition will im Prinzip weitermachen wie bisher, mit einigen Änderungen. Uns LINKEN ist das zu wenig. Wir fordern einen Politikwechsel, damit stehen wir nicht alleine dar, auch die GEW hat zum Beispiel in ihrem offenen Brief vom 23.03. dieses Jahres diesen Politikwechsel gefordert. Lesen Sie – vor allem Sie, meine Damen und Herren von der SPD – auch noch einmal die zehn Vorschläge der Frankfurter Gewerkschaften zur Kommunalwahl, die Sie verschickt haben unter dem Titel „Für ein gesichertes Leben“. Lesen Sie da noch einmal nach, das könnte sich hilfreich auf Ihre Politik in den nächsten fünf Jahren auswirken. Denn gerade für die SPD muss es um mehr gehen, als darum, wie es Herr Oesterling vor der Wahl in der Presse formuliert hat, nur irgendwie mitregieren zu wollen.

Wie soll das aussehen? Ein paar Beispiele habe ich für Sie. Fangen wir mit dem Wohnraum an. In Frankfurt gibt es einen bereits großen und weiter wachsenden Mangel an bezahlbarem Wohnraum. Das wissen wir alle. Dazu kommen jetzt auch noch eventuelle Auswirkungen des Brexit. Darüber haben wir heute Abend auch schon diskutiert. Die meisten von Ihnen sehen nur die positiven Auswirkungen für die Stadt und allerlei Institutionen der Wirtschaftsförderung kümmern sich in London aktiv um die Anwerbung von Unternehmen. Der Oberbürgermeister wird in der Frankfurter Rundschau ganz euphorisch mit den Worten wiedergegeben: „Wenn Unternehmer Arbeitsplätze verlagerten, sei das gut, weil Arbeitslosigkeit in Frankfurt dann `zum Fremdwort´ werde.“ Liebe SPD, wenn Unternehmer Arbeitsplätze verlagern, ist das gut? Was soll das denn? Gut für wen, schlecht für wen? Ich kann es kaum glauben, von einem der Ihren einen solchen Satz zu hören. Was London anbelangt, sage ich erst einmal, schlecht für die Menschen, die derzeit in London ihr Auskommen rund um den Finanzmarkt haben. Das sind nicht nur Banker und Manager, das sind Sekretäre, Friseurinnen und Friseure, Reinigungskräfte, Kellnerinnen und Kellner, Sicherheitspersonal und so weiter. Für die ist Arbeitslosigkeit dann sicher kein Fremdwort mehr oder Sie führen es höchstens auf die deutsche Sprache zurück, was ja dann vielleicht auch stimmen würde.

(Beifall)

Die Solidarität der LINKEN jedenfalls gilt auch diesen Menschen, denen schwere Zeiten bevorstehen. Wir als Sozialistinnen und Sozialisten meinen es durchaus ernst mit der internationalen Solidarität.

(Beifall)

Was heißt es nun für Frankfurt, wenn 5.000 bis 15.000 Banker und Co. hierherziehen oder wenigstens in die Nähe? Haben Sie dafür einen Plan? Haben Sie dafür schon etwas ausgearbeitet? Ich fürchte, nicht. Herr Paulsen hat vorhin in seiner Rede davor gewarnt, dass Frankfurt nicht werden dürfe wie London, dass es in Frankfurt für Menschen mit wenig Geld nicht so schlimme Verhältnisse geben dürfe wie in London. Er ist zwar ein GRÜNER, aber da hat er ausnahmsweise einmal Recht. Nur einen Plan, wie man das verhindern kann, hat er uns noch nicht vorgetragen. Aber bestätigt wird er unter anderem auch durch Dr. Sebastian Schipper, der am 05.07.2016 in der Frankfurter Rundschau gesagt hat, dass die möglichen Konsequenzen für Frankfurt, wenn das mit dem Brexit so käme, durchaus dramatisch wären. Es käme zu einem noch stärkeren Anstieg der Mieten in der ganzen Stadt, auch in Höchst oder Fechenheim sind in den letzten Jahren Mietsteigerungen von 20 Prozent vorgekommen. Das würde sich dramatisieren. Das würde sich beschleunigen. Das würde schlimmer werden. Wie dann also in Zukunft die Frankfurter Sekretäre, Friseurinnen und Friseure, Reinigungskräfte, Kellnerinnen und Kellner sowie das Sicherheitspersonal rund um den Finanzplatz ihre Wohnungen bezahlen wollen, auch wenn sie dann einen Arbeitsplatz gefunden haben, das müssen Sie mir einmal erklären, und ich fürchte, das können Sie nicht.

(Beifall)

Gentrifizierung, meine Damen und Herren, wird ganz neue Dimensionen annehmen, und da gebe ich Ihnen noch einmal recht, Herr Paulsen, das kann man sich in London prima anschauen. Da steht dann Herr Josef als Planungsdezernent und mit ihm seine Fraktion vor großen Aufgaben und vor schweren Herausforderungen. Damit Sie nicht die alten Fehler der SPD wiederholen – Frau Busch, Sie haben vorhin auf die Lernfähigkeit Ihrer Partei hingewiesen, mag ja sein -, empfehle ich Ihnen zur Sicherheit das Buch von Rudi Arndt aus den Siebzigerjahren: Die regierbare Stadt. Darin finden Sie denkwürdige Worte. Einen Satz will ich Ihnen vorlesen, das habe ich hier schon einmal getan. Aber der ist so gut, das kann man gar nicht oft genug machen: „Es wäre verhängnisvoll, wenn wir der Unmenschlichkeit der aus dem Boden gestampften Satellitenstädte die Unmenschlichkeit der brutalen Flächensanierung folgen ließen.“ Ich hoffe sehr, dass Sie sich das zu Gemüte führen, darüber nachdenken und dann vielleicht doch schwerpunktmäßig mehr in das regionale Denken einsteigen, anstatt hier noch die letzten Äcker zuzubetonieren.

(Beifall)

Der zweite Bereich, in dem wir einen Politikwechsel dringend erforderlich finden, ist die Bildung. Ich habe Ihnen an dieser Stelle schon sehr oft die Segregation in dieser Stadt anhand unterschiedlicher Übergangsquoten von Kindern in privilegierten und nicht privilegierten Stadtteilen dargelegt. Hier erwartet DIE LINKE vor allem von der SPD?Beteiligung an der Koalition entschlossenes Handeln, um diese Verhältnisse zu verbessern. Wir brauchen die attraktivsten Schulen in Fechenheim und Griesheim und nicht immer noch mehr davon im Westend. Denn die haben schon genug davon, da sind die Übergangsquoten schon hoch, in anderen Stadtteilen nicht. Ich hoffe sehr, meine Damen und Herren von der SPD, dass ganz besonders Sie in der Koalition dafür sorgen werden, dass sich das ändert. Das gilt auch für die Kinderbetreuung. Viele Menschen in Frankfurt brauchen dringend Hortplätze. Bis es mit der richtigen Ganztagsschule klappt, brauchen wir für den Übergang den schnellstmöglichen Ausbau und die bestmögliche Unterstützung bei der Schaffung von Hortplätzen. Auch da hoffe ich, dass Sie eine treibende Kraft in der Koalition sind.

(Beifall)

Genauso wie beim Vorantreiben der Inklusion. Die GEW fordert in dem vorhin schon zitierten offenen Brief die Abkehr von Scheinlösungen der Modellregionspolitik bei der inklusiven Bildung und beim Pakt für den Nachmittag. Dem kann ich mich nur anschließen. Jetzt noch einmal ein Hinweis zur VHS, deren Bedeutung für die Bildungspolitik in dieser Stadt gar nicht oft genug betont werden kann. In Ihrem Vertrag stehen dazu magere drei Zeilen, und die sind auch noch mit deutlich weniger Enthusiasmus geschrieben als die Passage, in der Sie versprechen, das Gründen von Privatschulen mit Sympathie zu begleiten. Da hätte ich mir von der SPD mehr Widerstand erhofft, …

(Beifall)

… aber natürlich auch mehr Unterstützung, zum Beispiel für die Lehrkräfte der VHS. Lehrkräfte für Deutsch als Fremdsprache haben kürzlich wegen ihrer unzureichenden Honorierung und dem steigenden Arbeitsdruck lautstark und zu Recht protestiert. Als ich in der Frankfurter Rundschau am Montag dieser Woche von Frau Weber gelesen habe, der designierten Bildungsdezernentin, dass sie nicht alles anders, aber vieles besser machen wolle, sind bei mir die Alarmglocken losgegangen. Denn das Gleiche hat Herr Schröder vor der Bundestagswahl 1998 versprochen und herausgekommen ist dann das menschenverachtende Hartz IV. Ich will doch schwer hoffen, dass so etwas in Frankfurt nicht auch der Fall sein wird.

(Beifall)

Die SPD hat in persona von Frau Weber vor allem in den letzten Jahren durchaus fachkundig und treffend die desaströse grüne Bildungspolitik kritisiert und oft konstruktive Gegenvorschläge gemacht, die wir LINKE auch unterstützt haben. Nun sind Sie, meine Damen und Herren, Frau Weber wird es bald sein, in der Stadtregierung. Da möchte ich Ihnen zur Sicherheit die Worte einer großen Sozialdemokratin und Sozialistin quasi mahnend mit auf den Weg geben. Die hat nämlich gesagt: „Mir imponieren nur die Ratschläge und Grundsätze, die der Ratgebende selbst beherzigt.“ Die Sozialistin war Rosa Luxemburg und ich hoffe sehr, dass Frau Weber das so machen wird.

(Beifall)

Der dritte Bereich, in dem ein Politikwechsel nötig ist, ist der Arbeitsmarkt in Frankfurt. Wir hatten von 2014 auf 2015 zwar einen Anstieg der sozialversicherungspflichtigen Beschäftigten um 2,6 Prozent, aber leider auch einen Anstieg der Minijobber um 1,8 Prozent. Wir haben eine sehr starke Verfestigung der Langzeitarbeitslosigkeit in Frankfurt auf hohem Niveau. Davon betroffen sind vor allem Alleinerziehende und deren Kinder, die aus dem Kreislauf von Erwerbslosigkeit und Hartz IV und der damit verbundenen Armut kaum herauskommen, und dies in einer so reichen Stadt wie Frankfurt. Hier erwartet DIE LINKE massives Handeln, zum Beispiel durch ein groß angelegtes kommunales Investitions- und Beschäftigungsprogramm. Die Zinsen sind im Moment extrem niedrig, die Einkünfte sind sehr hoch, der Kämmerer hat es uns letztens wieder vorgetragen. Es ist also genau die richtige Zeit für Investitionen. Investitionen in Infrastruktur, in Personal und in Konzepte, die auch Langzeitarbeitslosen nachhaltig eine Perspektive geben und nicht nur eine geringfügige Beschäftigung.

Ich möchte noch anfügen, dass uns zu Ohren gekommen ist, dass Unternehmen, an denen die Stadt mehrheitlich beteiligt ist, durch Austöchterung tariflose Zustände produzieren wollen. Das kann nicht wahr sein und ich kann nicht glauben, dass eine Koalition, in der die SPD mitregiert, das wirklich machen wird. Wir werden das im Auge behalten und sehen, ob unsere schlimmsten Befürchtungen dort wahr werden oder nicht.

(Beifall)

Außerdem fordern wir von der Stadtregierung, dass in Zukunft bei der Auftragsvergabe an Unternehmen und an Träger, auch im sozialen Bereich, endlich Kontrollen durchgeführt werden, ob die Tariftreue eingehalten wird. Die Stadt darf keine Aufträge mehr an Unternehmen vergeben, die in hohem Maße Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in prekären Beschäftigungsverhältnissen haben.

(Beifall)

Das waren jetzt drei beispielhafte Bereiche, für die ein Politikwechsel von vielen gefordert wird, um die wachsende Spaltung der Gesellschaft in Arm und Reich – hier in Frankfurt deutlich räumlich ablesbar – zu bekämpfen. Die Spaltung der Gesellschaft verbunden mit allgemeiner Unsicherheit und diffusen Ängsten ist nämlich der Nährboden, auf dem das heranwachsen kann, was wir leider auch im Römer haben und uns auch schon wieder anhören mussten, ich spreche natürlich von AfD und BFF. Die AfD, die trotz bürgerlicher Attitüde nicht in der Tradition der Frankfurter Bürgergesellschaft steht, welche trotz aller immanenten Schwächen und Ungerechtigkeiten doch ein Klima der Weltoffenheit und Toleranz behalten hat. Im Gegenteil, die AfD und Leute von der BFF wollen die Stadtgesellschaft spalten, indem sie niedrigste Instinkte gegen Zugewanderte, gegen bestimmte Religionszugehörigkeiten, gegen queere Menschen, gegen moderne Lebensentwürfe, gegen selbstbestimmte Frauen und gegen Homosexuelle schüren. Schlagender Beweis für die Orientierung dieser Partei ist, dass sie für das Erkennen von Antisemitismus Gutachter braucht.

(Beifall, Zurufe)

Wenn deren Herr Gauland dann beim Versuch der Schadensbegrenzung sagt, Antisemitismus ist eine Grenzüberschreitung, dann wird die Dimension dieser Hetze sichtbar. Denn, meine Damen und Herren, Antisemitismus ist kein taktischer Fehler im Parteiaufbau, sondern eine verbrecherische Ideologie, die schon einmal in Deutschland zu millionenfachem Massenmord geführt hat. Jetzt frage ich, warum thematisiere ich das hier so drastisch und so deutlich? Die Worte von Herrn Hübner, die wir uns heute wieder anhören mussten und das, was wir in letzter Zeit von der AfD gehört haben, hat mich einfach dazu gedrängt. Ich möchte meine Begründung noch einmal, das habe ich hier auch schon einmal vorgetragen, mit einem Zitat von Umberto Eco belegen oder unterfüttern. Er hat im Jahr 1995 einen Aufsatz geschrieben und der heißt „Der Urfaschismus“. Darin heißt es: „Der Urfaschismus kann in der unschuldigsten Verkleidung wieder auftreten. Wir haben die Pflicht, ihn zu entlarven und jedes seiner neueren Beispiele kenntlich zu machen – an jedem Tag, an jedem Ort der Welt.“ Deshalb auch heute und hier von uns LINKEN.

(Beifall)

Stadtverordnetenvorsteher

Stephan Siegler:

Frau Pauli, ich muss Sie einmal kurz unterbrechen. Ich möchte darum bitten, dass von der Tribüne keinerlei Bekundungen erfolgen. Das ist hier im Stadtparlament so nicht vorgesehen.

Stadtverordnete Dominike Pauli, LINKE.:

(fortfahrend)

Noch ein klares Wort an die CDU: Wir haben Sie fest im Blick, wenn Sie wieder mit solchem Unsinn wie Ehrenmordstatistiken und Burka-Verbotsforderungen in Frankfurt versuchen, Anschluss an die Rechtsausleger zu finden. Das gilt auch für solchen Unsinn wie den, dass Ihre Frau Merkel sich zur Vorsitzenden der Schutzgemeinschaft des deutschen Schweinebratens aufschwingt und es schafft, in ihrer jüngsten Videobotschaft ans Volk unter diesem Vorwand Zugewanderte in ein schlechtes Licht zu rücken. So etwas ist nicht gut.

Noch einmal zurück zur Koalition – meine letzten Worte: Sie sind zwar gerade erst gestartet, das stimmt, aber Sie haben schon jetzt einen kapitalen Fehler gemacht, der sehr bedauerlich ist: Sie haben nämlich das Dezernat für Integration der neuen Bildungsdezernentin zugebuttert, anstatt die bisherige Dezernentin, die gute Arbeit geleistet hat, Frau Eskandari-Grünberg, zur hauptamtlichen Dezernentin eines eigenständigen Dezernates mit erweiterten Mitteln und Kompetenzen zu machen.

(Beifall)

Das wäre ein wichtiges und richtiges Zeichen gewesen. Ein Zeichen auch gegen die rechten Dumpfbacken von AfD und BFF.

Ich danke Ihnen für die Aufmerksamkeit!

(Beifall)

Stadtverordnetenvorsteher

Stephan Siegler:

Frau Pauli, ich rüge Sie für den Begriff „Dumpfbacken“ an dieser Stelle.

Die nächste Wortmeldung kommt von Frau Rinn von der FDP-Fraktion. Bitte sehr!

Hier können Sie die Rede als PDF-Datei herunterladen.

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