Die Ausländerbehörde, eine dysfunktionale Behörde?

7. Plenarsitzung der Stadtverordnetenversammlung am 13. Oktober 2016

Aktuelle Stunde zu Frage Nr. 196: Die Frankfurter Ausländerbehörde ist immer wieder in der Kritik, weil Menschen die Behörde nicht erreichen können.

Stadtverordneter Martin Kliehm, LINKE.:

Sehr geehrte Damen und Herren!

Wir haben die Frage zur Ausländerbehörde noch einmal gestellt. Nicht nur wegen des offenen Briefes, den Sie alle bekommen haben, die Eingabe gemäß HGO an den Magistrat, in dem die momentanen Zustände und nicht die Zustände von vor eineinhalb Jahren oder in eineinhalb Jahren geschildert werden. Dort gibt es erhebliche Missstände. Das können Sie allein schon daran sehen, wenn Sie sich einmal die Planungen im Haushaltsplan ansehen. Da sind Zielvorgaben und auch der Personalschlüssel genannt. Zum Beispiel sind in der Ausländerbehörde, wenn ich das richtig im Kopf habe, 50 Personen im Kundenverkehr eingesetzt. 50 Personen. Im Vergleich dazu sind es allein im Bürgeramt 50 Personen, die die Sonderrufnummer 115 bedienen. Das heißt, es ist bei Weitem nicht angemessen. Wie Herr Frank sagt, kann ich mir vorstellen, dass auch die Antragsvorgänge dort weitaus komplizierter sind.

Wir haben auch Sollvorgaben bei der Ausländerbehörde, also beispielsweise Aufenthaltsgenehmigungen und dergleichen, das sollen 70.000 im Jahr sein, der Ist-Zustand 2013, das steht im Haushalt 2015/2016, waren 46.000. Ich sehe da eine Diskrepanz von 24.000 Genehmigungen und das sicher nicht, weil zu wenig Bedarf vorhanden ist, wenn wir 215.000 Menschen ohne deutschen Pass in Frankfurt haben. Das sind fast ein Drittel der Frankfurter Bevölkerung. Im Vergleich zum Bürgeramt haben wir zum Beispiel eine Zielvorgabe, ich habe es vorhin erwähnt, dass 80 Prozent der dort Vorsprechenden innerhalb von 15 Minuten drankommen sollen und anders als beispielsweise in Berlin schaffen wir das auch. Nur die Ausländerbehörde, das muss ich einfach sagen, wie es auch in dem Brief stand, erweckt den Eindruck, dass sie eine dysfunktionale Behörde ist, denn die Zielvorgabe dort ist beispielsweise, dass man 80 Tage warten muss, bis man endlich seinen Pass bekommt. Ich finde, die 215.000 Menschen ohne deutschen Pass in Frankfurt haben Anspruch auf den gleichen Service wie alle anderen hier in Frankfurt.

(Beifall)

Was diese 80 Tage in der Praxis bedeuten, wurde uns von einem syrischen Arzt gesagt, der seit drei Jahren in Deutschland ist. Er hat das Sprachzertifikat B2, die Landesärztekammer hat ihn anerkannt, Arzt im Praktikum hat er gemacht, er hätte jetzt einen Job bekommen. Er kann einfach nicht 80 Tage warten, bis er eine Genehmigung bekommt, oder zwei Monate, bis er einen Termin bekommt, damit die Arbeitserlaubnis in seinen Pass eingetragen wird. Sein Job ist damit weg.


Stellvertretende Stadtverordnetenvorsteherin

Dr. Renate Wolter-Brandecker:

Danke für Ihren Redebeitrag! Auch Ihre Redezeit ist abgelaufen.

(Beifall)

Der nächste Redner ist Herr Kliehm von den LINKEN. Bitte schön!

Stadtverordneter Martin Kliehm, LINKE.:

Ich wollte erst fragen, ob noch Restredezeit von den 15 Minuten übrig ist.

Was ich noch sagen wollte: Zum einen erinnern Sie sich vielleicht an unseren Antrag, der immerhin mit Prüfung und Berichterstattung angenommen wurde, Telefondolmetschung in verschiedenen Behörden anzubieten. Ich hoffe, dass wird bei der Ausländerbehörde in Zukunft genutzt, nicht nur beim Jobcenter, denn man muss leider immer wieder hören, dass die hochqualifizierten Mitarbeiter bei der Ausländerbehörde noch nicht einmal englisch sprechen oder es vielleicht einfach auch nicht wollen. Deswegen habe ich die Hoffnung, dass sich mit der Telefondolmetschung etwas ändert.

Zum anderen hat die Unerreichbarkeit per Telefon für mich die Frage aufgeworfen, ob man denn nicht einige von diesen Servicepunkten über die Servicenummer 115 abhandeln kann. Da haben wir eine Erstanlaufstelle, bei der solche Dinge entgegengenommen werden. Die werden in einen Prozess eingekippt und dann wird auch sichergestellt, dass das in einem angemessenen Zeitraum erledigt ist.

Das Dritte, was ich zu bedenken gebe, ist, dass zum Beispiel das Bundesland Rheinland?Pfalz schon vor Jahren sämtliche Ausländerangelegenheiten aus dem Innenministerium in das Sozialministerium überführt hat. Meines Erachtens macht es keinen Sinn, dass sämtliche Angelegenheiten, die mit Sozialem, mit Flüchtlingen, mit Jobcenter zu tun haben, vom Sozial- und Integrationsdezernat erledigt werden, während nur die Ausländerangelegenheiten vom Ordnungsdezernat erledigt werden. Das macht meines Erachtens nach keinen Sinn. Da kann selbst ein ordnungsliebender Mensch wie Herr Frank bei den vielen anderen Aufgaben, die er sonst noch hat, einfach den Überblick verlieren. Das wäre eine Anregung. Dafür wäre ich Ihnen dankbar.

Vielen Dank!

(Beifall)

Hier können Sie die Rede als PDF-Datei herunterladen.

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