7. Plenarsitzung der Stadtverordnetenversammlung am 13. Oktober 2016
Tagesordnungspunkt 6: Bebauungsplan Nr. 872 – Lyoner Straße
Stadtverordnetenvorsteher
Stephan Siegler:
Vielen Dank, Herr Baier! Die letzte Wortmeldung, die bis jetzt bei mir eingegangen ist, kommt von Herrn Stadtverordneten Müller von der LINKE.?Fraktion. Bitte schön!
Stadtverordneter Michael Müller, LINKE.:
Herr Vorsteher,
meine Damen und Herren!
Herr Josef, vielen Dank für Ihre Initiative. Und wenn ich jetzt höre, dass Ihr Leitbild ein gerechtes Wachstum, sozial und ökologisch, ist, dann habe ich große Zweifel, dass Sie das mit Ihrem Koalitionspartner CDU jemals realisieren werden können. Aber mit der LINKEN dürfte das vielleicht eher möglich sein.
(Zurufe)
Insgesamt haben wir dem Bauprojekt Lyoner Straße zugestimmt, weil natürlich eine Weiterentwicklung notwendig ist. Wir müssen die Bürostadt umwidmen, ein Mischgebiet daraus machen, es braucht da Wohnungen. Das ist vollkommen richtig. Aber, Herr Josef, ich muss noch einmal auf Ihre Rede zu sprechen kommen. Nicht jede Wohnung entlastet. Jede bezahlbare Wohnung entlastet. Das ist der große Unterschied in unserer Herangehensweise.
(Beifall)
Sie haben Recht, Stadtentwicklung muss immer dem Zeitgeist entsprechen. Ich denke, wir sind da gemeinsam auf einem guten Weg, deswegen unterstützen wir Sie auch bei Ihrem Vorhaben, endlich die 30 Prozent geförderten Wohnraum als starre Grenze durchzusetzen. Das ist der richtige Weg. Nur dürfen Sie dabei auch nicht stehen bleiben, man muss weiter gehen. Das kann nur der Anfang sein, die Spekulation in Grund und Boden sinnvoll zu begrenzen. Aber Sie machen damit schon einmal einen guten Anfang. Es ist immerhin besser, als das, was Ihr Vorgänger gemacht hat. Vielen Dank dafür.
(Beifall)
Was Sie aber gar nicht erwähnen, ist das Grundproblem, das wir im Wohnungsbau aktuell feststellen, oder überhaupt die Ursache, warum wir immer weiter steigende Mieten haben und warum wir überhaupt seit Jahren dieses Problem im fortgesetzten Maße haben. Wir müssen doch anerkennen und konstatieren, dass es daran liegt, dass Wohnen mittlerweile ein Spekulationsobjekt geworden ist. Die Zinsen sind niedrig, Kapital ist en masse vorhanden. Das fließt natürlich in die Metropolregion, das fließt zuhauf nach Frankfurt und deswegen steigen immer weiter die Preise. Aufgabe ist es doch, marktregulatorisch einzugreifen. Das wäre eine sinnvolle Initiative, die man einmal diskutieren müsste. Sie haben auch die soziale Durchmischung angesprochen. Mir fiel dabei nur auf, dass das am Ende Ihrer Rede kam. Sie haben zwei Minuten darauf verwendet, über die soziale Dimension des Wohnungsbaus zu reden. Das ist viel zu wenig. Das zeigt doch auch, in welchen Zwängen Sie sich scheinbar befinden, dass Sie am Ende fast schon als Annex noch etwas zur sozialen Thematik sagen und dann die soziale Durchmischung durchaus dankenswerterweise und löblicherweise auch als Ziel Ihrer Politik erkennen. Aber, dass es an das Ende gesetzt wird, lässt auch tief blicken.
(Beifall, Zurufe)
Das Wichtigste, da haben Sie recht, kommt am Ende. Das Wichtigste bei allen Bebauungsplänen, bei allen Bauvorhaben ist doch, welche Wohnungen werden am Ende gebaut und zu welchem Preis können sie am Markt angeboten werden und wie viel Euro müssen die Menschen für die Wohnungen bezahlen. Ich nenne Ihnen einmal ein Beispiel: Im Nordend war erst die Debatte über die Bebauung des Diakonissengeländes im Ortsbeirat. Da wird neu bebaut, und auf Nachfrage wurde mitgeteilt, auch im geförderten Bereich kostet der Quadratmeter schlappe 9,50 Euro. Für wen ist das noch bezahlbar? Wir müssen uns doch immer die Frage stellen, wie teuer ist am Ende der geförderte Wohnungsbau. Wie viel Euro pro Quadratmeter müssen die Menschen bezahlen? Es kann doch nicht sein, dass am Ende 50 Prozent des zur Verfügung stehenden Haushaltseinkommens für die Wohnung draufgeht. Irgendwann gab es einmal eine Obergrenze von 30 Prozent, was angemessen ist. Ich glaube, dass es in Frankfurt für viele Familien nicht mehr ausreichend ist, 30 Prozent aufzubringen, um in dieser Stadt leben zu können. Das ist auch ein Armutszeugnis.
(Beifall)
Lassen Sie mich noch eines sagen, Frau Tafel-Stein, Sie haben zu Beginn schon auf mich reagiert.
(Zurufe)
Ja, Sie haben gleich schon dazwischengerufen.
(Heiterkeit)
Sie wissen einfach, was Sie sagen.
Aber das Schöne ist, liebe Kolleginnen und Kollegen, ich weiß immer schon, was die FDP sagen wird, weil das nichts Neues ist, was Sie bringen.
(Zurufe)
Wir sind glaubhaft, im Gegensatz zu Ihnen.
Frau Tafel-Stein, wenn Sie dann tatsächlich in Zweifel ziehen, dass es sinnvoll sein kann, ein bisschen den Investoren an die Kandare zu nehmen und zu sagen, so nicht, und wenn Sie wirklich glauben, dass Marktgesichtspunkte vielleicht Allheilmittel sind, dann ist das wahrhaft ideologisch, dann ist das wahrhaft nicht meine Welt, in der Sie scheinbar leben, Frau Tafel-Stein. Ich will so etwas nicht.
(Beifall, Zurufe, Heiterkeit)
Na ja, dann hat scheinbar jeder seinen eigenen Planeten.
Zum Abschluss lassen Sie mich wieder ernsthaft werden. Das ist durchaus ein ernsthaftes Thema, mit dem wir uns beschäftigen müssen. Ich möchte Ihnen eben deutlich machen, dass sozialer Wohnungsbau natürlich immer mit einer sozialen Dimension diskutiert werden muss, mit der man das Ganze betrachtet. Deswegen müssen wir natürlich auch gewissen Kriterien wie Marktspekulationen beachten. Wir müssen auch mit einbeziehen, welches Interesse Investoren haben und welches Interesse wir als Kommune haben, dass diese Interessen nicht zwingend immer einhergehen. Darauf müssen wir natürlich drängen, bei allen Bebauungsgebieten, und deswegen ist es zumindest ein guter Anfang, dass 30 Prozent vorgeschrieben werden. Wenn wir dann noch dazu kommen, dass wir eine Mietdeckelung im geförderten Bereich bekommen, dass nicht am Ende auch Sozialwohnungen so teuer werden, dass sich niemand mehr diese Wohnungen leisten kann, dann befinden wir uns am Ende vielleicht bei dem Leitbild, welches der Planungsdezernent skizziert hat, von einer sozialgerechten und ökologischen Stadtentwicklung. Das ist wünschenswert.
(Beifall)
Hier können Sie die Rede als PDF-Datei herunterladen.