Frankfurt sei eine soziale Stadt, klingt wie der Inhalt eines Glückskekses

11. Plenarsitzung der Stadtverordnetenversammlung am 23. Februar 2017

Tagesordnungspunkt 10: Verantwortung behalten – kein Verkauf des Kinderhauses Frank

Stadtverordnetenvorsteher Stephan Siegler:

Ich rufe den Tagesordnungspunkt 10., Kinderhaus Frank, auf. Zu diesem Thema behandeln wir die Vorlagen NR 222 der LINKE?Fraktion und NR 260 der FDP?Fraktion. Die LINKE?Fraktion hat den Antrag zur Tagesordnung I gestellt. Wortmeldungen liegen mir bereits vor. Die erste Wortmeldung kommt von Frau Buchheim von der LINKE.?Fraktion. Bitte schön!

Stadtverordnete Astrid Buchheim, LINKE.:

Sehr geehrte Damen und Herren!

Frankfurt sei eine soziale Stadt, in der niemand zurückgelassen werden soll, so der Bürgermeister vorhin in seiner Rede. Das klingt wie der Inhalt eines Glückskekses. Die Realität sieht leider anders aus. Das Kinderhaus Frank in Sossenheim ist eine besondere Einrichtung für Kinder und Jugendliche mit schweren mehrfachen Behinderungen. Es sieht nicht aus wie ein Heim, es ist ein Zuhause für diese Kinder. Träger ist der Verein Arbeits- und Erziehungshilfe e. V., ein stadtnaher Verein. Stadtnah, weil die Sozialdezernentin Frau Professor Birkenfeld qua Amt die Vereinsvorsitzende ist und die Stadtverordneten Stephan Siegler, Roland Frischkorn und Sylvia Momsen für die Regierungsparteien in den Vorstand benannt wurden. Die Verantwortung für die 19 Kinder des Kinderhauses Frank liegt also in diesem Raum. Dieser Verantwortung soll sich jetzt entledigt und das Kinderhaus Frank an den katholischen Träger St. Vincenzstift verkauft werden. Das größte Argument für den Verkauf ist, dass das Kinderhaus unwirtschaftlich sei. Es ist immer wieder von „defizitär“ die Rede. Mit Verlaub, soll eine Einrichtung für schwerst mehrfachbehinderte Kinder und Jugendliche Gewinne erwirtschaften? Es ist eine politische Entscheidung, ob die so reiche Stadt Frankfurt am Main Verantwortung für die 19 Kinder und Jugendlichen übernimmt und diese Refinanzierungslücke schließt. Frankfurt sei eine soziale Stadt, in der niemand zurückgelassen werden soll.

(Beifall)

Doch genau das tun die Sozialdezernentin und die Stadtverordneten der Regierungsparteien mit den 19 Kindern des Kinderhauses Frank. Der neue katholische Träger St. Vincenzstift wird das Kinderhaus abreißen und neu bauen. Für diese drei Jahre sollen die Kinder umziehen und die reiche und angeblich so soziale Stadt Frankfurt am Main hat keinen Platz mehr für sie. Den Eltern der Kinder und Jugendlichen wird angeboten, ihre Kinder in Einrichtungen des katholischen Trägers nach Hofheim, Offenbach, Oberursel oder Ingelheim zu geben. Können Sie sich vorstellen, was das für die Kinder und ihre Eltern bedeutet? Wesentlich weitere Anreisewege für die Familien. Der Wegfall der gewohnten Umgebung, der sozialen Kontakte, der Bezugsärzte, die die Kinder schon jahrelang kennen. All das scheint für Frau Professor Birkenfeld und die Regierungsparteien keine Rolle zu spielen. Allein wie die Kommunikation mit den Eltern gelaufen ist, ist skandalös. Auf einem Elternabend am 19. Dezember – kurz vor Weihnachten – wurde den Eltern mitgeteilt, dass ihre Kinder bis Ende März Frankfurt am Main verlassen müssen. Mindestens die Hälfte der Eltern hat aufgrund von Sprachbarrieren überhaupt nicht verstanden, worum es geht. Diejenigen, die es verstanden haben, waren vor einer Woche mit ihren Kindern im Ausschuss für Soziales und Gesundheit. Ihr Begehren nach mehr Zeit wurde von den politisch Verantwortlichen in diesem Raum abgebügelt. Die Fragen, die sie hatten, wurden allesamt nicht beantwortet. Das Kinderhaus Frank besteht aus zwei Gebäudeteilen, die unabhängig voneinander gebaut wurden. Warum ist es nicht möglich, sie nacheinander zu sanieren? Warum ein Abriss? Das eine Gebäude ist nicht einmal sieben Jahre alt. Warum wurden die Eltern erst so spät informiert und warum bekommen sie nur drei Monate Zeit, um sich eine Alternative für ihre Kinder und Jugendlichen zu suchen?

Von den politisch Verantwortlichen in diesem Raum werden ihnen als Übergangseinrichtungen nur die des St. Vincenzstifts angeboten, einer katholischen Einrichtung. Das Haus in Hofheim ist noch nicht einmal barrierefrei, es muss erst noch umgebaut werden. Was ist, wenn Eltern ihre Kinder nicht in eine katholische Einrichtung geben wollen? Es gibt keine Alternative mehr im Rhein-Main-Gebiet, wenn das Kinderhaus Frank vom vae nicht mehr getragen wird. Warum lassen es die politisch Verantwortlichen in diesem Raum zu, dass Frankfurter Kinder und Jugendliche der Stadt verwiesen werden? Angeblich gäbe es keinen Platz im Stadtgebiet, an dem das Kinderhaus hätte neu gebaut werden können. Das ist wenig überzeugend, wo es doch an Baugebieten für teure Eigentumswohnungen anscheinend nicht mangelt. Aber für 19 Frankfurter Kinder und Jugendliche soll es keinen Platz in der angeblich so sozialen Stadt geben? Das ist beschämend. Als Fazit bleibt festzustellen, dass sich die politisch Verantwortlichen in diesem Raum der Verantwortung für die Schwächsten in unserer Stadt entziehen wollen. Keinen Monat länger wollen sie die 19 Kinder und Jugendlichen mehr in der Stadt haben. Frankfurt sei eine soziale Stadt, in der niemand zurückgelassen werden soll. Die Sonntagsreden der Regierungsparteien von der sozialen Verantwortung gegenüber allen Frankfurterinnen und Frankfurtern, denen wir gerade stundenlang zuhören konnten, sind einfach nur verlogen, denn ihre Taten sprechen eine andere Sprache.

 

Stadtverordnetenvorsteher Stephan Siegler:

Frau Buchheim, das Kontingent der Redezeit der LINKEN für heute Abend ist erschöpft. Bitte kommen Sie zum Schluss.

Stadtverordnete Astrid Buchheim, LINKE.:

(fortfahrend)

Das ist aber eine Punktlandung. Ich habe jetzt nur noch einen Geschäftsordnungsantrag. Damit die politisch Verantwortlichen sich einzeln positionieren und auch noch einmal zur Vernunft kommen können, beantrage ich eine namentliche Abstimmung.

(Beifall, Zurufe)

Hier können Sie die Rede als PDF-Datei herunterladen.

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