Sie wollen keine Bürgerbeteiligung

11. Plenarsitzung der Stadtverordnetenversammlung am 23. Februar 2017

Tagesordnungspunkt 8.7: Klimastudie Ernst-May-Viertel

 

Stellvertretende Stadtverordnetenvorsteherin Erika Pfreundschuh:

Danke, Frau Tafel-Stein! Als nächster Redner hat Herr Stadtverordneter Yilmaz von den LINKEN das Wort. Ihm folgt Herr Stadtverordneter Zieran von ÖkoLinX-ARL. Bitte, Herr Yilmaz!

Stadtverordneter Eyup Yilmaz, LINKE.:

Frau Vorsteherin,

meine Damen und Herren!

Monatelang stellt die Koalition das wichtigste Projekt in Frankfurt zurück, um es dann bewusst zusammen mit der Haushaltsdebatte auf die Tagesordnung zu setzen, damit die Opposition für dieses Thema keine Redezeit mehr hat, um darüber diskutieren zu können. Ich finde das undemokratisch, gemein und eine Frechheit.

(Beifall)

Übrigens geht mein Dank an die Fraktionen, die uns ihre Redezeit übertragen haben.

Im Ernst-May-Viertel sollen rund 4.000 Wohnungen entstehen. Monatelang ging es hin und her, angeblich kam es durch Bürgerdialoge – oder, wie Sie so schön sagen, durch Bürgerbeteiligung – zu den Beschlüssen. Was aber haben Sie gemacht? Sie haben nur gleiche Pläne mit ähnlichen Argumenten wieder eingebracht und bei den Sitzungen der Ortsbeiräte die Bürger informiert, sonst nichts.

Entschuldigen Sie, es gab keine Bürgerdialoge, und es gab auch keine Bürgerbeteiligung. Die GRÜNEN und die SPD werben vor Wahlen immer wieder für eine Bürgerbeteiligung bei wichtigen Entscheidungen, aber in der Realität wollen sie keine Bürgerbeteiligung. Sie haben lediglich in einem Punkt nachgegeben, und zwar beim Abenteuerspielplatz. Bei den wichtigen Themen, wie den Verlust von Grünflächen, Klein- und Freizeitgärten, Ökologie, Umwelt, Stadtklima, Einhausung der Autobahn 661 und besonders beim Thema bezahlbarer Wohnraum hat sich nichts geändert.

Nehmen wir das Beispiel Stadtklima. In der Innenstadt bauen Sie immer höher. Immer mehr Luxuswohn- und Bürotürme entstehen. Wer in der Innenstadt lebt, weiß, wie das Stadtklima in den Sommermonaten ist, nämlich schwer erträglich. Man kann auch erstickend sagen. Die Fläche, auf der das geplante Ernst-May-Viertel entstehen soll, ist von besonderer Bedeutung für die klimatischen Bedingungen in der Stadt Frankfurt. Jetzt soll durch die Bebauung des Ernst-May-Viertels auch noch der Wetterau-Wind abgeriegelt werden. Die Studien besagen, dass so etwas in Frankfurt nicht machbar ist.

Kommen wir zur Einhausung der Autobahn 661. Ich frage Sie noch einmal: Warum soll die vollständige Einhausung der A 661 vom Tisch sein? Sie kommen mit der kürzesten Variante, nämlich mit der Länge von nur noch 400 Metern. Das ist nicht hinnehmbar, das ist menschenverachtend und eine Frechheit. Es geht hier um die Gesundheit der Bevölkerung. Sie können nicht die wenigen Sozialwohnungen, die Sie bauen, auch noch als Lärmschutzwand benutzen. Keinem Menschen kann zugemutet werden, in einem Gebäude zu wohnen, das zugleich dem Lärmschutz dienen soll.

(Beifall)

Wir sagen, die Einhausung der Autobahn 661 muss in jedem Fall in der vollen Länge verwirklicht werden, also mit 1.800 Metern. Nur so lässt sich tatsächlich eine Eindämmung von Lärm und Abgasbelastungen erreichen.

(Beifall)

Zum Thema Sozialer Wohnungsbau. Herr Stadtrat Josef sagte zuletzt: „Wo sollen denn die Sozialwohnungen gebaut werden, die uns fehlen? Irgendwo muss ich Flächen versiegeln, ob in der Wetterau oder hier.“ Als ob Sie hier im Ernst-May-Viertel Sozialwohnungen bauen würden. Sie bauen hier kaum Sozialwohnungen. Das ist unverschämt und unverantwortlich gegenüber Tausenden von Menschen, die auf eine Sozialwohnung warten. 10.000 Menschen, die dringend auf eine Sozialwohnung warten, werden von Ihnen getäuscht und deren Ansprüche nur benutzt, um die privaten Investoren zu fördern. Von wegen Maßnahmen zur Förderung des sozialen Wohnungsbaus. Im Jahr 2015 haben Sie gerade einmal 194 neue Sozialwohnungen gebaut. Dagegen sind aber Hunderte Sozialwohnungen aus der Bindung herausgefallen. Schauen Sie in den Jahresbericht des Wohnungsamtes, darin steht klipp und klar, dass jedes Jahr mehr Sozialwohnungen benötigt werden als im Vorjahr. Die privaten Investoren haben sich schon mehr als 40 Prozent der Grundstücke im Innovationsquartier gesichert. Sie werden natürlich keine Sozialwohnungen bauen, sondern weiterhin auf Privatprofit und Rendite setzen.

Ich bin gespannt, was die Stadt mit ihren eigenen Grundstücken macht, denn 32 Prozent der Grundstücke des Innovationsquartiers gehören der Stadt. Allerdings ist noch nicht bekannt, wie viele Grundstücke die städtischen Stiftungen insgesamt im Ernst-May-Viertel besitzen. Die Mieterinnen und Mieter dürfen nicht der Willkür eines ungeregelten Wohnungs- und Finanzmarktes überlassen werden. In Frankfurt geht es mit dem Wohnungsbau und der Stadtentwicklung in die falsche Richtung. Alle Studien besagen, dass der neue Wohnungsbau in Frankfurt am Bedarf der Bevölkerung vorbeigeht. Mit den Wohntürmen und den Luxuswohnungen helfen Sie nicht den Bürgerinnen und Bürgern in Frankfurt, sondern fördern nur internationale Immobilienspekulanten.

Ich komme zum Schluss. Die Koalition hat Bedenken und Sorgen der Opposition und der Bürgerinnen und Bürger nicht ernst genommen. Die Bürgerinitiativen haben dem Planungsdezernenten, Stadtrat Josef, 9.200 Unterschriften gegen das Bauvorhaben überreicht. Das ist doch eigentlich ein großer Denkzettel.

Vielen Dank!

(Beifall)

Hier können Sie die Rede als PDF-Datei herunterladen.

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