12. Plenarsitzung der Stadtverordnetenversammlung am 23. März 2017
Tagesordnungspunkt 6: Modellversuch zur kontrollierten Abgabe von Cannabis realisieren – einen sicherheitspolitischen Beitrag leisten
Stellvertretende Stadtverordnetenvorsteherin
Erika Pfreundschuh:
Als nächste Rednerin hat Frau Hahn von der LINKEN. das Wort, danach folgt Herr Dr. Schulz von der FDP. Bitte, Frau Hahn, Sie haben das Wort!
Stadtverordnete Pearl Hahn, LINKE.:
Sehr geehrte Frau Stadtverordnetenvorsteherin,
meine Damen und Herren!
Was kann ich jetzt sagen nach dieser Rede von Herrn Wurtz? Ich habe heute etwas ganz anderes vorgehabt, aber nachdem ich Wörter wie „Grenzüberwachung“, „Vorschriften für schwangere Frauen“, „Unruhestifter“ und „Genesung unserer Gesellschaft“ gehört habe, da denke ich mir, wieder einmal hat die AfD eine gute Arbeit getan, nämlich ihr Gesicht gezeigt, dass sie rechtspopulistische Rassisten sind.
(Beifall)
Wir haben eine Umdrehung gemacht. Es geht gerade um Cannabis, und plötzlich sind wir hier in einer Außenpolitik der Hetze, was nicht in Ordnung ist. Ich kehre zurück zum Thema.
Für viele chronisch erkrankte Patienten mit schwerwiegender Erkrankung ist Cannabis die einzig akzeptable Therapiemöglichkeit. Es ist allerhöchste Zeit, das Potenzial pflanzlicher Präparate vor allem für die Schmerztherapie zu nutzen. Auch die Bundesregierung hat dies begriffen. Durch die Verabschiedung des Gesetzes zur Änderung betäubungsmittelrechtlicher und anderer Vorschriften vor zwei Monaten, haben schwer kranke Personen neue Hoffnung. Die Gesetzesänderung betrifft eine kleine Gruppe schwer kranker Menschen und dient ausschließlich zur Schmerzlinderung. Die Gesetzesänderung ist ein wichtiger Schritt in die richtige Richtung. Cannabis ist aber mehr als eine palliative Therapieform. Die Wissenschaft fängt gerade erst damit an, die heilenden Effekte von Cannabinoiden zu untersuchen und zu optimieren. Eine Studie, erschienen im British Journal of Cancer vom Department of Biochemistry and Molecular Biology an der Universität in Madrid, stellte fest, dass die Einnahme von Cannabinoiden Krebstumore bei zwei von neun Patientinnen und Patienten verkleinert haben.
(Beifall)
Eine weitere Studie, publiziert im Journal of Neuroscience, herausgegeben von der Society of Neuroscience, untersuchte neurodegenerative Krankheiten und stellte fest, dass THC neuronale Schäden in Ratten reduziert und das Cannabinoid-System des Gehirns vor Neurodegeneration schützen kann. Es gibt viele weitere Studien, die suggerieren und attestieren, dass Cannabis eine zum Teil heilende Wirkung mit minimalen bis nicht vorhandenen Nebenwirkungen haben kann.
(Beifall)
Die mit der Gesetzesänderung einhergehende Begleitstudie bietet eine Chance, Cannabis als Arzneimittel noch besser zu verstehen. Ich bin anderer Meinung als die SPD. Konsequent ist es, nicht bei der Verwendung als Arzneimittel stehenzubleiben.
(Beifall)
Der nächste logische Schritt muss die komplette Legalisierung von Cannabis sein.
(Beifall, Zurufe)
Wir müssen endlich aufhören, eine Pflanze zu dämonisieren. Es geht um eine natürlich wachsende Pflanze.
(Heiterkeit, Zurufe)
Frankfurt übernimmt…
Stellvertretende Stadtverordnetenvorsteherin
Erika Pfreundschuh:
Etwas mehr Ruhe bitte!
Stadtverordnete Pearl Hahn, LINKE.:
(fortfahrend)
Frankfurt übernimmt seit Beschreiten des Frankfurter Weges in den Neunzigerjahren eine Vorreiterrolle in drogenpolitischen Ansätzen. Deshalb wird es allerhöchste Zeit für Frankfurt, 2017 wieder einmal ein drogenpolitisches Vorzeigeprojekt für eine menschenwürdige und dekriminalisierende Drogenpolitik anzugehen.
(Beifall)
Wenn wir eines in Frankfurt gelernt haben, dann, dass eine repressive Drogenpolitik den Ausgangszustand nur verschärft statt ihn zu verbessern. Durch die Entkriminalisierung von Cannabis wird die Qualität gesichert und Konsumenten geschützt. Der bürokratische Aufwand der Strafvollstreckungsbehörden wird gemindert. Zudem reduziert sich durch die Entkriminalisierung nicht nur der bürokratische Aufwand, sondern es werden auch wirtschaftliche Vorteile generiert. Nicht nur, dass Cannabis als pflanzliches Pendant zu schulmedizinischen schmerzstillenden Präparaten den Vorteil der Nützlichkeit besitzt, auch die Verwertung von Abfallprodukten wie den Pflanzenfasern der Hanfpflanze sollte unser wirtschaftliches Interesse wecken. Die Legalisierung von Cannabis ist also unter anderem ein nicht unerheblicher Wirtschaftsfaktor und eine nicht zu unterschätzende Steuerquelle. Bedenken wir einmal den zusätzlichen Wirtschaftsfaktor von legal zu erwerbendem Cannabis und die zusätzlichen Arbeitsplätze, die der legalisierte Anbau und der Vertrieb erbringen würden. Gerade diese Punkte sollten den neoliberalen und auf das Wohl der Wirtschaft bedachten Mehrheitsparteien ein Anliegen sein.
Den Antrag von der FDP begrüßen wir, auch wenn wir aus einer anderen Motivation heraus handeln. Es ist an der Zeit, über die Zukunftsperspektiven, die Rahmenbedingungen und die Umsetzung des neuen Gesetzes zu diskutieren. In Frankfurt regiert eine lethargische Koalition. Anträge werden ständig von den regierenden Parteien wieder und wieder zurückgestellt, nur um sie danach in einen anderen Fachausschuss zu delegieren, um sie dort nochmals zurückzustellen. Diese Lethargie ist ein Zeichen einer schwachen, unentschlossenen Koalition, die sich lieber hinter Bürokratie versteckt, als ernsthafte Diskussionen zu führen.
(Beifall)
Es ist ein Zeichen einer schwachen Koalition, die lieber stehen bleibt, als einen Schritt nach vorne zu wagen. Wie können wir auf kommunaler Ebene diese Gesetze einbringen und umsetzen? Wie sorgen wir für eine angemessene Aufklärung in der Bevölkerung? Wie gestalten wir die Fortbildung für betroffenes Fachpersonal? Diese Fragen bleiben unbeantwortet. Wir müssen endlich in unseren Fachausschüssen und mit allen betroffenen Institutionen über die praktische Umsetzung des neuen Gesetzes Gespräche führen. Sogar im Koalitionsvertrag steht, dass die Anwendung von Cannabis von einer breiten Mehrheit in der Stadt begrüßt wird.
(Beifall)
Hier können Sie die Rede als PDF-Datei herunterladen.