15. Plenarsitzung der Stadtverordnetenversammlung am 29. Juni 2017
Tagesordnungspunkt 5: Wegweiser zur Oper und Schauspiel im Frankfurter Verkehrsnetz
Stadtverordnetenvorsteher
Stephan Siegler:
Vielen Dank! Herr Müller, Sie haben sich so schön aufgeregt. Hier ist Ihre Wortmeldung, Sie brauchen nicht noch einen Wortmeldezettel ausfüllen. Bitte schön, Sie haben das Wort!
Stadtverordneter Michael Müller, LINKE.:
Herr Vorsteher,
meine sehr geehrten Damen und Herren,
Herr Schneider!
Dass, was Sie hier gemacht haben, ist ein Beitrag, wie man jede Debatte und jede Akzeptanz für dieses Riesenprojekt verhindert. Ihr Versuch, eine technokratische Diskussion zu führen, Ihr Ausweichen, Ihre plumpe Argumentation führt dazu, dass man sich fragt, worum es geht. Was Sie hier artikulieren, ist eher parteipolitisches Geplänkel als eine sachliche, fundierte Diskussion mit einem offenen Ende. Ich habe mir das bei Frau Dr. Hartwig angehört. Es war eine sehr offene, eine sehr ruhige Debatte, die gestartet wurde. Wenn ich Sie jetzt hier erlebe, wie Sie sich aufmanteln, versuchen zu rechtfertigen, wie Sie alles Mögliche in den Raum werfen, dann ist es der Versuch, diese Debatte vielleicht für eine eigene Profilierung zu benutzen. Das ist von Nachteil für das Projekt.
(Beifall)
Sie haben auch gesagt, dass es der kulturpolitische Unterbau ist. Das ist eine merkwürdige Formulierung, die Sie dafür gewählt haben.
(Beifall)
Das lässt doch in Ihren kulturpolitischen Sachverstand tief blicken. Wenn Sie eine Arbeitsteilung im Magistrat haben, dann sollten Sie bitte schön nicht von Kultur sprechen. Das Ganze als kulturpolitischen Unterbau zu betreiben, ist völlig daneben in dieser Frage.
Sie argumentieren dann noch, dass wir eigentlich über einen neuen Standort nachdenken müssen, weil wir am bestehenden Standort gar nicht den gestiegenen Bedarf an Fläche decken könnten. Das haben Sie in der Debatte gesagt. Aber das müssten Sie doch begründen, wenn Sie so argumentieren wollen. Sie haben nichts anderes gemacht, als von vorneherein diesen Standort infrage zu stellen. Das haben Sie übrigens bei der Pressekonferenz gemacht. Das hat mich sehr verwundert, wie Sie scheinbar Ihren Magistratskollegen ein bisschen in den Rücken gefallen sind. Das haben Sie hier fortgesetzt. Das finde ich eher zum Nachteil für eine offene Debatte, die wir um dieses wichtige Projekt führen müssen, weil es nämlich von zentraler Bedeutung für die Kulturpolitik in dieser Stadt in den nächsten Jahrzehnten ist. Das müssen Sie sich schon vorwerfen lassen, Herr Schneider.
(Beifall)
Ihre Argumente, warum man nicht an dem Standort festhalten soll, haben mich nicht überzeugt. Wir als LINKE teilen die Meinung von SPD und GRÜNEN, an dem Standort festzuhalten. Es gibt gute Gründe, an diesem Standort festzuhalten. Das Schauspiel befindet sich hier im Herzen der Stadt. Es ist ein wahrlich besonderer Standort, der über Jahrzehnte entwickelt wurde, der eine Legitimation hat, der letztlich dazu beiträgt, das Gesicht der Stadt nach außen zu verkörpern. Warum soll man sich denn nicht zu Beginn einer Debatte ausdrücklich für den Standort aussprechen? Das hat doch nichts mit Denkverboten zu tun. Das ist ein Plädoyer, das sachlich begründet ist. Dieser Standort ist für DIE LINKE nicht infrage zu stellen. Wir bleiben dabei.
(Beifall)
Theater, Schauspiel und Oper gehören an den Willy-Brandt-Platz. Das ist der einzige Platz für dieses Ensemble.
(Beifall)
Ich will Ihnen auch sagen, warum das so wichtig ist, dass dieser Platz nicht infrage gestellt wird. Wir reden darüber, dass Schauspiel, Theater, Bühne immer auch ein Ort ist, um gesellschaftliche Debatten zu führen. Die Bühne hält der Politik zu Recht oft den Spiegel vor. Auch im Theater werden Debatten geführt. Es wird ein Dialog konstruiert. Am Willy-Brandt-Platz sieht man viel stärker als an anderen Standorten die Konfliktlinien der Gegenwart. Das sehen Sie nicht am Kaiserlei, das sehen Sie nicht, wenn Sie irgendwo einen Standort haben, das sehen Sie genau da. Da haben Sie die Konkurrenz zu den Banken, da haben Sie den Dialog mit einem misslungenen Maintor-Areal. Da haben Sie aber auch das Bahnhofsviertel. Da sind die Menschen. Da spürt man die Stadt Frankfurt. Die spürt man doch nicht an einem anderen Standort.
Herr Schneider, Sie hätten auch sagen sollen, wie unwahrscheinlich es ist, überhaupt einen Standort zu finden. Wahrscheinlicher ist es doch, dass wir das Theater und die Oper am selben Standort neu bauen, als eine Debatte über einen neuen Standort zu führen. Das sind doch Scheindebatten und deswegen sind sie völlig daneben und der Sache abträglich.
(Beifall)
Was wir vielmehr brauchen, was Sie übrigens von der CDU auch nicht erwähnen, ist, dass Oper und Schauspiel ein Gemeingut ist. Es ist ein Gemeinschaftsgut. Es wird von den Menschen getragen, von den Menschen finanziert. Es ist für die Menschen da und es transportiert letztlich auch Positionen, die den Menschen wichtig sind. Deswegen müssen wir doch alles daran setzen, bei einem Neubau ein Gemeinschaftsgut zu schaffen, zu realisieren, so schwierig es auch ist. Ich beneide Sie nicht um diese Aufgabe, Frau Dr. Hartwig, aber gemeinsam können wir das stemmen. Es erfordert viele Diskussionen, Diskurs und Mitnahme von den Menschen, gerade in Frankfurt vor dem Hintergrund der großen sozialen Probleme. Frau Dr. Wolter?Brandecker hat es doch gesagt, man darf nicht das eine gegen das andere ausspielen. Genau das, Herr Schneider, haben Sie gemacht, wenn Sie plötzlich 20 Kitas ins Spiel bringen. Das ist doch unredlich, was Sie da gemacht haben.
(Beifall)
Von daher finde ich, zeigt diese Debatte doch schon einmal deutlich, wer wo steht. Das zeigt auch ganz deutlich, wie man es eben nicht macht. Die Sorgen und Ängste sind doch nicht von der Hand zu weisen, wenn man überlegt, ob da vielleicht ein Filet-Grundstück frei wird. Es besteht doch die Gefahr, dass dann die Menschen denken, dass es vielleicht veräußert wird. Was Frau Ditfurth gesagt hat, wenn man sich überlegt, dass am Willy-Brandt-Platz, an der wunderbaren Stelle dieses Schauspiels, eine grässliche Gegenwartsarchitektur realisiert wird, wäre das doch erbärmlich.
(Beifall)
Beim Maintor-Areal haben wir doch das Gleiche gemacht. Schauen Sie sich den WINX-Tower von Frau Klatten für 900 Millionen Euro an. Das ist doch eine schreckliche Architektur. Dabei kann Architektur so viel mehr, und zwar kann Architektur die Fantasie der Menschen anregen. Architektur kann Menschen zum Träumen anregen. Architektur, wenn sie nicht profitorientiert gedacht wird, kann wirklich Menschen dazu bewegen, über den Tellerrand zu blicken. Gerade Opernhäuser können das. Das haben Sie auch nicht gesagt, Herr Schneider, wahrscheinlich kennen Sie von der Architektur her zu wenige gute Opernhäuser. Es gibt wunderbare Architektur. Es gibt zum Beispiel die Oper in Oslo, sie ist großartig. Es gibt in Luzern das Gebäude, es ist ebenso großartig.
(Beifall)
Das ist keine Kostenfrage, das ist eine Frage des Willens, ob man moderne Architektur wagt, die vielleicht im ersten Moment schwierig zu realisieren ist, aber wenn man es gemeinsam wagt, kann man etwas Großes realisieren. Wahrscheinlich wird es auf einen Neubau hinauslaufen. Aber da müssen Sie sich doch trauen zu sagen, dass wir das auch wollen. Ich hätte mir eigentlich gewünscht, dass der Magistrat mit einer Stimme sagt, wir wollen hier etwas Neues, etwas Großes, aber doch nicht von vornherein so eine Debatte aufzubauen, die in zwei Richtungen geht. Das ist doch nur abträglich für das Projekt.
(Beifall)
Was auch niemand bislang erwähnt hat, ist natürlich die Frage der Finanzierung. Wir sollten zu Beginn gar nicht viel über die Kosten sprechen, weil das Kostenargument jede Kreativität zerstört. Kosten verhindern oft überhaupt das Attribut weiterzudenken. Warum denken wir denn nicht auch darüber nach, wie wir das Ganze finanziert bekommen? Warum kommen denn keine Vorschläge kreativer Art, wie das vonstatten geht? Es ist doch nicht so, liebe Kolleginnen und Kollegen der CDU, dass das so ein riesen Koloss ist, den wir allein stemmen müssen. Haben Sie doch den Mut, auch einmal nachzudenken. Gibt es vielleicht nicht Möglichkeiten das quer zu finanzieren, dass mehrere Schultern das tragen. Es ist doch nicht so, dass man das allein tragen muss. Es gibt immerhin Beispiele, wie die Bürgerstiftung, es gab die Alte Oper. Man könnte sich überlegen, Projekte, Modelle zu entwickeln, die die Menschen mitnehmen. Warum schauen wir nicht, dass wir besonders wohlhabende Menschen in dieser Stadt bitten, sich an der Finanzierung zu beteiligen. Warum schauen wir nicht, dass das Land Hessen sich an der Finanzierung beteiligt.
(Beifall)
Seien Sie doch ein bisschen kreativer bei der Frage der Finanzierung. Ich bin leidenschaftlich bei dieser Frage. Ich finde die Debatte nämlich ziemlich interessant, weil es endlich einmal eine gute Debatte in diesem Haus ist, in der wir uns um eine wichtige Frage streiten. Deswegen muss es doch darum gehen, dieses Projekt nicht von vornherein unter Kosten-Nutzen-Aspekten zu sehen.
Dass die FDP am liebsten einen Investor will, der vor Kunst nur Kommerz will, das ist mir schon klar, aber es gibt andere in diesem Haus, die das anders sehen. Deswegen unser Plädoyer, dass es auf jeden Fall keine Denkverbote gibt. Das bedeutet aber schon ein Plädoyer für diesen Standort und es muss auch bedeuten, gemeinsam zu schauen, wie man versucht, die immensen Kosten auf mehrere Schultern zu verteilen.
Letzter Punkt: Haben wir doch auch den Mut, eine moderne Architektur zu wagen, die in dieser Stadt möglich ist. Natürlich hat das Gebäude eine schöne Schauseite. Die Seitenteile sind schrecklich, die interessieren auch niemanden. Aber, wir können, wenn wir etwas Neues bauen, immerhin einen monolithischen Punkt setzen, einen Kontrapunkt zur profitorientierten Architektur an diesem Ort. Das wäre doch die Chance, die dieses große Vorhaben hat. Wenn wir dann noch versuchen, die Menschen mitzunehmen, indem wir sie begeistern, vielleicht, wie ich Sie begeistert habe mit dieser Rede, dann sind wir auf einem guten Weg.
Vielen Dank!
(Beifall)
Hier können Sie die Rede als PDF-Datei herunterladen.