20. Plenarsitzung der Stadtverordnetenversammlung am 1. Februar 2018
Tagesordnungspunkt 11: Gleichgeschlechtliche Ampelpärchen dauerhaft installieren
Stadtverordnetenvorsteher
Stephan Siegler:
Die nächste Wortmeldung kommt von Herrn Müller von den LINKEN. Bitte schön!
Stadtverordneter Michael Müller, LINKE.:
Herr Vorsteher,
meine Damen und Herren!
Der letzte Redebeitrag war für mich die größte Motivation, mit aller Kraft, die ich habe, zu versuchen, zu verhindern, dass die AfD in den Hessischen Landtag einzieht.
(Beifall, Heiterkeit)
Mit aller Macht werde ich versuchen, zu verhindern, dass Sie weiterhin an Zulauf gewinnen.
(Zurufe)
Nein, weil es offenkundig ist, wo Sie stehen. Sie reden von den Ampelmännchen. Diese Ampelmännchen sind ein Zeichen für Toleranz, Akzeptanz und Mitmenschlichkeit. Sie sind ein Ausdruck dafür, dass es sich lohnt, für etwas zu kämpfen. Sie sind eben mitnichten das, wofür Sie sie halten. Nein, diese Ampelmännchen sind der Erfolg von vielen Menschen, Frauen und Männern, die in den letzten Jahrzehnten hart und manchmal bis zu ihrer persönlichen Aufgabe dafür gekämpft haben, dass Frauen, die Frauen lieben, dass Männer, die Männer lieben – dass es eigentlich „wurscht“ ist, wer wen wie liebt, dass alle die gleiche Akzeptanz haben. Das ist ein Erfolg. Den lasse ich mir von Ihnen nicht kaputt machen. Das sage ich Ihnen ganz ehrlich.
(Beifall)
Liebe Kolleginnen und Kollegen, wo wären wir eigentlich geblieben, wenn nicht immer Menschen gekämpft hätten? Wir hätten wahrscheinlich nicht das Frauenwahlrecht, das vor hundert Jahren erkämpft wurde. Wir hätten, wenn es die 68er-Bewegung nicht gegeben hätte, niemals die Aufarbeitung der Verstrickungen des Nationalsozialismus bis in die Adenauer-Zeit gehabt. Es war immer wichtig, dass Menschen für ihre Interessen gekämpft haben.
(Beifall)
Es war wichtig, dass man auch widersprochen hat, wenn Unrecht formuliert wurde. Es war notwendig. Und wir werden auch heute immer wieder widersprechen, wenn Sie aus der Mottenkiste der Vergangenheit kommend hier Ihre Ressentiments schüren und Ihre Hetzreden halten. Das bleibt nicht unwidersprochen. Seien Sie sich sicher – ich glaube, es gibt eine Mehrheit in diesem Haus, die das genauso sieht -, wir dulden das nicht, was Sie hier von sich geben.
(Beifall)
Ich sage Ihnen auch, warum wir das nicht dulden. Wir dulden es nicht, weil die Freiheit fragil ist. Weil es fragil ist, dass es eine zivile Gesellschaft gibt, in der wir leben. Weil alles Errungenschaften sind, die schneller vorbei sein können, als es uns lieb ist. Wir dürfen uns nicht ausruhen. Wir dürfen uns nicht in Sicherheit wiegen, dass das, was einmal passiert ist, nicht auch wieder passiert. Von daher ist es wichtig, zu kämpfen und Ihnen und allen anderen Rattenfängern vom rechten Rand immer laut zu widersprechen.
(Beifall)
Was sind Sie denn? Sie sind nichts anderes als Verharmloser. Sie sind nichts anderes als Menschen, die Hass säen in dieser Gesellschaft. Hass ist ein Gift. Dieses Gift können wir nicht dulden. Von daher warne ich vor dieser Verrohung, die Einzug hält. Man darf auch nicht glauben, dass es um Ampelmännchen geht. Das ist doch Quatsch. Ihnen geht es um etwas ganz anderes. Ihnen geht es darum, die Art wie wir leben und wie wir lieben, diese zivilen Errungenschaften, zurückzudrehen. Sie wollen das Rad der Geschichte zurückdrehen. Nicht nur bis in die Adenauer-Ära, weiter zurück wollen Sie es drehen.
(Beifall)
Es ist doch so, dass Menschen, die fremd sind, täglich ausgegrenzt werden. Jeden Tag werden Menschen angegriffen, weil sie eine andere Hautfarbe haben oder weil sie jemanden lieben, der Ihnen nicht passt. Wenn zwei Männer Händchen haltend die Straße entlanggehen, ist es immer noch nicht selbstverständlich. Von daher ist es wichtig, dass wir uns für diese Menschen einsetzen; und dass es hier einen Konsens in diesem Haus gibt, das ist gut so. Dass Sie da draußen nicht dazugehören und nicht dazugehören wollen, ist nun einmal so. Ich werde es nie hinnehmen, akzeptieren sowieso nicht.
(Beifall)
Was mich immer am meisten stört, ist eigentlich, dass Sie auch von einem Volk reden. Sie tun immer so, aber was Sie machen, ist eine rein völkische Argumentation. Sie haben in sich völkisches Gedankengut, das man ablehnen muss. Das muss man Ihnen jeden Tag auf das Neue sagen. Sie merken es wahrscheinlich nicht, aber auf jeden Fall ist das, was Sie machen, nicht mehr gutzuheißen. Ich werde es auch nicht mehr tolerieren, wenn Sie hier Ihre Reden halten. Das bleibt nicht länger unwidersprochen, von niemandem in diesem Hause, glaube ich.
(Beifall)
Was Sie versuchen, ist letztlich nichts anderes, als die Gesellschaft zu spalten. Sie spielen mit Ängsten. Sie beginnen Ressentiments. Sie argumentieren vermeintlich immer mit den wirklichen Problemen der Menschen, Sie tun so – Herr Wurtz, Wohnungsnot -, nein, im Kern geht es Ihnen nur darum, die Stadtgesellschaft zu spalten in die, die wir wollen, die, die wir nicht wollen, die, die gut sind, und die, die schlecht sind. Aber da machen wir nicht mit. Das ist nicht die Art wie wir leben wollen. Das lassen wir uns von Ihnen sowieso nicht vorschreiben. Sie schaffen ein Klima von Angst. Das ist offenkundig, und deswegen müssen wir uns dagegen wehren. Gestern gab es die Holocaust-Gedenkfeier mit der Rednerin Anita Lasker-Wallfisch im Deutschen Bundestag. Ich würde mir wünschen, Sie von der AfD und der BFF hätten diese Rede gehört.
(Zurufe)
Sie hat gewarnt vor einer neuen Kultur der Ausgrenzung, die Sie tagtäglich propagieren. Sie hat gewarnt vor einem Rückfall. Sie hat gewarnt, dass das, was in Deutschland erkämpft wurde, dieses exemplarische Aufarbeiten der Geschichte, auf dem Spiel steht, und sie hat gesagt, dass auch die Lehre des Holocaust zerbrechlich ist wie die freiheitliche zivile Gesellschaft fragil und zerbrechlich ist und geschützt werden muss vor denjenigen, die das zerstören wollen, und das lassen wir nicht durchgehen.
(Beifall)
Hier können Sie die Rede als PDF-Datei herunterladen.