22. Plenarsitzung der Stadtverordnetenversammlung am 22. März 2018
Aktuelle Stunde zur Frage Nr. 1102: Sogenannte Mahnwachen vor der Beratungsstelle von pro familia
Stellvertretende Stadtverordnetenvorsteherin
Dr. Renate Wolter-Brandecker:
Vielen Dank, Frau Meister! Die nächste Wortmeldung kommt von Frau Ayyildiz von der LINKE.-Fraktion. Bitte!
Stadtverordnete Merve Ayyildiz, LINKE.:
Sehr geehrte Frau Stadtverordnetenvorsteherin!
Ich finde es blamabel, im Jahre 2018 noch immer über die umfassende Gewährleistung des Selbstbestimmungsrechtes diskutieren zu müssen. Was braucht es denn noch, um längst überholte Gesetzeslagen durch ersatzlose Streichungen der Gegenwart anzupassen? Es muss doch endlich diesem Irrsinn der Boden entzogen werden, angefangen mit der Streichung des § 219a StGB und nicht nur, wie die CDU es möchte, mit einer kleinen Korrektur dieses Paragrafen.
(Beifall)
Denn dieser Paragraf ist der Nährboden für die fundamentalistischen Abtreibungsgegner, die durch ihre Desinformation und Einschüchterungskampagnen Frauen in Not das Leben erschweren. Dass dieser scheinheilige Protest für das Leben vor den Türen von pro familia stattfinden darf, widerspricht schon dem gesetzlichen Rahmen der für einen Schwangerschaftsabbruch notwendigen Beratung.
Es sind aber einige Baustellen, die bei dieser Thematik bestehen und doch dem ursächlichen Problem der Gesetzeslage entspringen. Wer entscheidet, was Werbung und was Information über Schwangerschaftsabbrüche ist? Wo ist die Linie? Ist gerade diese Grauzone bei der Definition nicht die Nische, durch welche Ärztinnen und Ärzte in der Veröffentlichung ihrer angebotenen medizinischen Leistungen kriminalisiert werden? Ist nicht eben diese Nische dafür verantwortlich, dass ein so großer Mangel an Information zu Schwangerschaftsabbrüchen besteht? Ich denke, die Zeit ist mehr als reif, um unsere Köpfe aus dem Staub der Vergangenheit in die Gegenwart zu ziehen und endlich den Einschränkungen des Selbstbestimmungsrechts durch das Strafgesetzbuch entgegenzutreten.
(Beifall)
Wir müssen den Einschränkungen durch Aufklärung, durch zugängliche Informationen, durch Unterstützung von Ärztinnen und Ärzten, anstatt sie strafrechtlich zu verfolgen und zu stigmatisieren, und zu guter Letzt durch die Abschaffung des § 219a StGB entgegentreten.
Zu schade, dass die SPD bundesweit in ihren so frauenpolitischen Positionen zurückgerudert ist und ihren Gesetzesentwurf kurz vor der Wiederwahl Merkels zurückgezogen hat. Große Überzeugungstäter waren sie eh nie, für großen Opportunismus sind sie immerhin bekannt.
Danke schön!
(Beifall)
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