26. Plenarsitzung der Stadtverordnetenversammlung am 23. August 2018
Tagesordnungspunkt 9: Besetzung der städtischen Immobilie In der Au unverzüglich beenden
Stellvertretende Stadtverordnetenvorsteherin Dr. Renate Wolter-Brandecker:
Vielen Dank! Die nächste Rednerin ist Frau Pauli von der LINKEN. Bitte!
(Beifall, Zurufe, Heiterkeit)
Stadtverordnete Dominike Pauli, LINKE.:
Sehr geehrte Frau Stadtverordnetenvorsteherin,
sehr geehrte Damen und Herren!
Leider ist dieser Antrag, den die AfD heute eingebracht hat, nicht nur dem anstehenden Wahlkampf oder dem bestehenden Wahlkampf geschuldet, es ist symptomatisch und geht viel tiefer. Ich habe gedacht, ich nehme das einmal zum Anlass, um mir ein paar grundsätzlichere Gedanken darüber zu machen. Es ist ein Antrag, der ganz typisch ist. Es ist wieder einmal der Versuch, eines der mir persönlich zu wenigen autonomen Zentren in Frankfurt anzugreifen. Die AfD hat etwas Ähnliches schon im Rahmen der Etatdebatte gemacht und wollte quasi alles, was mit Frauen, Migrantinnen, Schutzsuchenden und alternativer Kultur zusammenhängt, wegstreichen, wie es ihre Gesinnungsfreunde übrigens in Österreich – kaum an der Macht – jetzt schon vorführen. Mal wieder die Österreicher.
(Beifall, Zurufe)
Was wollen Sie jetzt wirklich mit den Forderungen, die Sie hier im Römer und anderswo stellen? Sie wollen zurück in die dumpfe Adenauer-Ära, in der Homosexuelle kriminalisiert und verfolgt wurden, …
(Zurufe)
… in der ledige Mütter diskriminiert wurden und Frauen sich auf die drei Ks reduzieren sollten.
(Zurufe)
In der Kommunisten im Gefängnis saßen, während die Altnazis in Wirtschaft, Justiz, Militär und Politik ungestört weitermachen konnten. Sie wollen im Öffentlichen rigorosen Neoliberalismus und nationale Beschränktheit.
(Beifall)
Da stören Sie auch die Presse und besonders die öffentlichen Rundfunk- und Fernsehanstalten. Aber schon klar, liebe AfD, wer mit dem Kulturangebot von RTL II zufrieden ist, der empfindet das Zahlen von GEZ-Gebühren, mit denen der Hessische Rundfunk sein Sinfonieorchester bezahlt, als Taschendiebstahl. Das kann ich verstehen.
(Beifall)
Für das Private versprechen Sie eine Mischung aus Gartenzwerg- und Biedermeieridylle. Weder das eine noch das andere passt auch nur irgendwie zu dem Frankfurt, was wir mit allen anderen Anständigen hier im Haus wollen. Offen, bunt und einer sozialgerechten Zukunft zugewandt. Sie diskreditieren alles, was Ihrem reaktionären Weltbild nicht entspricht. Sie schwärmen von der deutschen Leitkultur, das habe ich in Ihrem Wahlkampfprogramm gefunden, und hetzen gegen internationale Impulse. Sie schüren Ressentiments und legen Feuer, wo immer Sie können. Da fragt sich der Mensch schon einmal, wie kommt so etwas. Wie kann jemand so werden? Ich frage mich das immer, wenn ich Sie hier reden höre.
(Zurufe)
Diese Fragen haben sich auch zum Beispiel die Heinrich-Böll-Stiftung, die Otto Brenner Stiftung und die Rosa?Luxemburg-Stiftung gestellt und zusammen eine Studie dazu durchgeführt, die den Titel „Die enthemmte Mitte: autoritäre und rechtsextreme Einstellung in Deutschland“ trägt.
(Beifall)
Da habe ich Folgendes gefunden und möchte es gerne mit Ihrer Erlaubnis, Frau Vorsteherin, zitieren:
„Die Liberalisierung der Gesellschaft seit den 1970er-Jahren hat viele Menschen aus dem Korsett normativer Rollenerwartungen und der Stigmatisierung befreit, doch da sie mit der ökonomischen Liberalisierung einherging, brachte sie auch eine Kehrseite hervor. Die Autorität des Marktes wurde zuungunsten der Vergesellschaftung durch andere Autoritäten immer weiter ausgedehnt.“
So und da sind wir beim Schlüsselbegriff, liebe AfD, dem autoritären Charakter.
(Zurufe)
Davon haben Sie in der AfD reichlich.
(Beifall)
Fast alle männlich und die meisten eher älter.
(Beifall, Zurufe)
In Ihrer wissenschaftlichen Arbeit haben Erich Fromm, Theodor W. Adorno und andere unter anderem am Institut für Sozialforschung eine Analyse der autoritären Persönlichkeit und des autoritären Charakters erstellt. Ein praktisches Beispiel dafür mussten wir leider vor einigen Wochen sehen, als auf einer Demo rechter Hetzer die Aufforderung „Absaufen“ im Zusammenhang mit Menschen, die im Mittelmeer ertrinken, skandiert wurde. Gutes Beispiel für das, was Adorno und Co eruiert haben.
(Beifall)
Die AfD macht also Politik für den autoritären Charakter. Das heißt in der analytischen Zusammenfassung, auch wenn der autoritäre Charakter zur Unterwerfung neigt, so kann er durchaus kämpfen, aber nur wenn er glaubt, im Auftrag einer höheren Macht zu handeln.
(Zurufe)
So kämpft die AfD im Römer, in Hessen und im Bund im vermeintlichen Auftrag von Höcke, Gauland, Volk und Vaterland gegen die Verunsicherung der autoritären Charaktere durch den Fremden beziehungsweise jegliche Veränderung, die ausschließlich als Bedrohung angesehen wird. Schönes Beispiel von Ich-Schwäche.
(Zurufe)
Zu diesem Charakter gehört immer auch der Hass auf die Schwachen und Hilflosen. Das, meine Damen und Herren von der AfD, ist der Markenkern Ihrer Politik.
(Beifall)
Sie fürchten und hassen die widerständigen, unabhängigen, linken Zentren in dieser Stadt und alle anderen, die nicht ihrem weißen, männlichen, reaktionären Weltbild folgen. Deshalb sagen wir LINKE., gemeinsam mit den meisten hier im Haus und mit vielen anderen Anständigen in dieser Stadt: Es ist gut, dass es die Klapperfelds, Auen und so weiter gibt und dass sie weiter arbeiten. Ich bin sehr froh, dass die demokratische Mehrheit in diesem Haus dafür sorgt, dass sie das auch tun kann.
Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!
(Beifall)
Hier können Sie die Rede als PDF-Datei herunterladen.