Wer schützt die Frankfurter Bevölkerung vor den Dieselfahrern?

27. Plenarsitzung der Stadtverordnetenversammlung am 27. September 2018

Tagesordnungspunkt 6.3: Dieselfahrverbot in Frankfurt abwenden!

Stellvertretende Stadtverordnetenvorsteherin Erika Pfreundschuh:

Vielen Dank, Herr Dr. Römer! Das Wort hat jetzt Herr Kliehm von den LINKEN, danach Herr Stammwitz von der AfD. Bitte schön, Herr Kliehm!

Stadtverordneter Martin Kliehm, LINKE.:

Sehr geehrte Damen und Herren!
Nachdem es eben um den Klimawandel, Feinstaub und CO2 ging, zurück zu NO2, zu den Stickoxiden.
Zu meinen Vorrednern wollte ich bemerken: Lieber Wolfgang Siefert, ich bin schon Fahrrad gefahren, da gab es die GRÃœNEN noch nicht. Das habt Ihr nicht erfunden.

(Zurufe)

Ich finde es auch etwas zu positiv, zu erwarten oder das Wort „schnell“ im Zusammenhang mit dieser Bundesregierung zu verwenden, die doch eher nicht für schnelle Umsetzung, sondern eher für Aussitzen bekannt ist. Mir auch bei Klaus Oesterling einen Turbomodus vorzustellen, das fällt mir wirklich schwer.
(Zurufe, Heiterkeit)

Währenddessen erzählt Michael Boddenberg, Fraktionsvorsitzender der CDU im Landtag, es müssten Rechtsmittel zum Schutz der Dieselfahrer eingelegt werden. Rechtsmittel zum Schutz der Dieselfahrer seien erforderlich.

(Zurufe)

Ich frage mich, wer schützt mich denn vor den Dieselfahrern? Wer schützt die Frankfurter Bevölkerung vor den Dieselfahrern?

(Beifall)

Das Gericht sagt – das zu allen, die sagen, ab morgen stehen die Busse still -, gegen die Hauptquelle von Stickoxiden, gegen den mit verbrennungs- und insbesondere dieselmotorenbetriebenen Individualverkehr, muss man vorgehen. Dieser macht 50 Prozent von den Stickoxiden und mehr aus.
Bezüglich der Hardwarenachrüstung, die hier von einigen präferiert wird, oder wenn gesagt wird, die Bundesregierung muss tätig werden oder die böse Automobilindustrie – ja, die ist böse -, da sagt das Gericht, es vermag nicht nachzuvollziehen, woher diese Motivationen kommen sollen, in hoher Zahl Diesel-Pkw für 1.400 Euro bis 5.000 Euro je Fahrzeug kurzfristig umrüsten zu lassen. Die Bundesregierung hat einen entsprechenden Erlass noch nicht einmal in Planung, sagt das Gericht. Woher kommt dann also Ihre positive Einstellung, dass die Bundesregierung jetzt auf einmal die Automobilindustrie dazu bringen würde, diese teure Umrüstung überhaupt umzusetzen? Genauso wenig gibt es eine blaue Plakette.
Weiterhin steht darin, die Taxiflotte sollte auf Elektromobilität umgestellt werden. Wo sollen denn diese Taxis dann tanken? Wir haben es in einer der letzten Sitzungen gehabt, in ganz Frankfurt gibt es 45 Elektrotankplätze. Markus Frank hatte zehn Jahre Zeit, Petra Roth hat das 2008 schon in die Wege geleitet, dass Frankfurt Elektrohauptstadt wird. Das Einzige, was wir gesehen haben, waren Fotos mit Markus Frank, aber leider keine Elektromobilitätstankstellen.
Also da hätte in den letzten zehn Jahren schon deutlich mehr passieren können. Das Gericht meinte aber, eine Fortschreibung des Luftreinhalteplans des Landes Hessen sei bis zum 1. Februar 2019 machbar. Das ist der 1. Februar, der in den Köpfen herumspukt, vorausgesetzt, das Urteil wird bis dahin rechtskräftig. Das heißt, da muss erst einmal die Landesregierung her und einen Luftreinhalteplan machen. In diesem Luftreinhalteplan, das haben wir vorhin schon gehört, muss das Land verschiedene Alternativen auflegen und aufzeigen, wie effizient die wirken, um die Stickoxide zu reduzieren. Aufgrund von diesen effizienzbasierten Entscheidungen können wir oder auch die Landesregierung dann sagen, was am Ende umgesetzt werden muss.
Da gibt es durchaus verschiedene Alternativen. Zum Beispiel wurde nicht gesagt, alle Busse müssen ab morgen stillstehen, sondern es wird gesagt, es sollen effiziente Möglichkeiten geprüft werden, eine vollständige Nachrüstung der Busflotte zeitnah zu realisieren. Zeitnah bedeutet nicht, dass im Jahr 2021, wie das momentan vorgesehen ist, noch immer 22 Prozent der Busse nicht nachgerüstet sind. Das ist nicht zeitnah. Es wird nämlich gesagt, es muss schnellstmöglich umgerüstet werden, denn unser aller Gesundheit steht auf dem Spiel. Schnellstmöglich, da genügt zukunftsweisend leider nicht, lieber Klaus Oesterling, zukunftsweisend ist da nicht schnell genug.
Was das Gericht aber auch gesagt hat, die schnellste und effizienteste und am einfachsten umzusetzende Möglichkeit wäre die Parkraumbewirtschaftung. Da verweise ich noch einmal auf den Antrag NR 378 aus dem Jahr 2012, der von der Stadtverordnetenversammlung gemäß § 2369 mit Prüfung und Berichterstattung beschlossen wurde. Damals haben wir noch von den Piraten eine Liste von 20 Maßnahmen angeregt, die mit prüfen und berichten votiert wurde. Das liegt bei euch in der Schublade, Klaus Oesterling, guck es dir noch einmal an, darin steht schon alles.
Darin steht – ganz wichtig – jede Autofahrt beginnt und endet mit einem Parkplatz. Wer hätte das gedacht? Aber da wird Ihnen einmal klar, warum Parkplätze oder Parkraumbewirtschaftung so wichtig sind, um den Autoverkehr zu kontrollieren. Andere reden von City-Maut oder so etwas, aber die Autos müssen irgendwo parken. Das ist eine ganz wichtige Stellschraube, um dort Einhalt zu gebieten.
Bis zu 50 Prozent des Verkehrsaufkommens, auch in Großstädten wie Frankfurt, entstehen durch eine Parkplatzsuche. In Frankreich wird – sagen verschiedene Studien, die in diesem Antrag auch zitiert sind, schauen Sie es nach – die Parkraumbewirtschaftung als ein Werkzeug gegen steigende Treibhausgase angesehen. Es wird gesagt, man kann die Treibhausgase um 14 Prozent verringern. In Wien sind durch gestiegene Parkgebühren die gefahrenen Kilometer um 70 Prozent gesunken. In München sind durch eine Erhöhung der Parkgebühren 30 Prozent weniger Parkplätze belegt, in Amsterdam sowie in fünf britischen Städten 20 Prozent weniger.
Parkraumbewirtschaftungen sind Dinge, die schnell und effizient wirken. Dazu muss man sich vor Augen führen, 50 Prozent der städtischen Autofahrten sind kürzer als fünf Kilometer. Das sind durchaus auch Sachen, die man mit dem ÖPNV oder dem Fahrrad zum Beispiel erledigen kann.

(Zurufe)

Einen Wasserkasten tragen, dafür gibt es entweder den Lieferdienst oder das Lastenfahrrad, das auch als Pedelec angeboten wird.
Wenn Sie von Enteignung reden, muss ich Sie fragen, warum muss denn in jedem Auto nur eine Person sitzen? Wie wäre es denn einmal, wenn wir nur Fahrgemeinschaften in Frankfurt zulassen? Dann werden die auch nicht enteignet, sie können weiterhin mit ihrem Auto in die Stadt hineinfahren, aber bitte nur, wenn mindestens zwei, drei oder vier Menschen darin sitzen. Schauen Sie sich einmal die Staus an, von denen Sie immer reden. Da sitzt im Auto immer nur eine Person.
Für die IHK: In Fußgängerzonen ist bekanntlich mehr Umsatz als in Gegenden, in denen Parkplätze vor der Tür sind.
Am Ende, wenn wir eine effiziente Parkraumbewirtschaftung haben, steigt die Luft- und Lebensqualität, die Verkehrsräume werden sicherer und als Lebensräume zurückgewonnen, und Mobilität ist diskriminierungsfrei, nicht an den Autobesitz gebunden. Sie tun immer so, als wäre Mobilität und die armen Leute, die die alten Dieselautos haben, immer nur an ein Auto gebunden. Aber es gibt nun einmal Leute, die können sich noch nicht einmal ein Auto leisten, auch keinen alten Diesel. Auch für diese Leute müssen wir Politik machen.

(Beifall)

In unserem Antrag von 2012, der mit Prüfung und Berichterstattung votiert wurde, sind Vorschläge zum Anwohnerparken, zum Parken auf der Straße, für Smart Meter, für bargeldloses Zahlen, für Bezahlen per Telefon. Bevor ihr eine Ausschreibung machen müsst, um 3.000 Parkscheinautomaten zu bestellen, die 30 Millionen Euro kosten, stellt Schilder auf mit einer Telefonnummer, das geht schnell und billig. Carsharing. Innerstädtische Parkhäuser reduzieren. Warum haben wir diese sieben alten Kisten hier in Frankfurt aus den Fünfzigerjahren? Da könnt ihr Wohnraum schaffen. In der Stellplatzsatzung auch Fahrradstellplätze erlauben wie bei Medico international zum Beispiel. Park-and-ride zusammen mit einer Tages-Gruppenkarte koppeln.
Zu guter Letzt muss man auch einmal hinterfragen, warum müssen wir so viele Pendler haben, das wurde vorhin gefragt: Wie sollen denn die Pendler zu ihren Arbeitsplätzen kommen? Wie wäre es denn, wenn die Arbeitsplätze zu den Pendlern kommen?

(Zurufe)

Wir leben in einer digitalen Welt …

Stellvertretende Stadtverordnetenvorsteherin Erika Pfreundschuh:

Herr Kliehm, kommen Sie bitte zum Ende.

Stadtverordneter Martin Kliehm, LINKE.:

 

(fortfahrend)

… wenn wir endlich einmal WLAN haben, dann klappt das auch, und Breitband.
Vielen Dank!

(Beifall)

Hier können Sie die Rede als PDF-Datei herunterladen.

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