29. Plenarsitzung der Stadtverordnetenversammlung am 13. Dezember 2018
Tagesordnungspunkt 12: Kohleausstieg in Frankfurt am Main bis 2030
Stadtverordnetenvorsteher Stephan Siegler:
Ich rufe den Tagesordnungspunkt 12., Kohleausstieg in Frankfurt am Main bis 2030, auf.
Zu diesem Thema behandeln wir die Vorlage NR 414 der LINKE.-Fraktion. Die LINKE.-Fraktion hat den Antrag zur Tagesordnung I gestellt. Und ich warte auf die Wortmeldungen. Frau Hahn, Sie haben Ihre Wortmeldung abgegeben, Sie haben das Wort. Bitte schön!
Stadtverordnete Pearl Hahn, LINKE.:
Sehr geehrter Herr Stadtverordnetenvorsteher,
meine Damen und Herren!
Klimaschutz verlangt mehr Ehrgeiz. In Kattowitz in Polen wird gerade deutlich, dass die Welt ihre Klimaziele einfach so in die Tonne tritt. Weltweit sind die CO2-Emissionen im zweiten Jahr infolge gestiegen. Der Aufwärtstrend ist erschreckend und tatsächlich auch sehr beschämend für Europa. Dieser Trend deutet stark daraufhin, dass wir das international vereinbarte 1,5-Grad-Ziel nicht erreichen werden. Nicht nur die Ziele werden in die Tonne getreten, sondern die Welt, wie wir sie kennen sowie die Zukunft der nächsten Generationen und Deutschlands, meine Damen und Herren. Deutschland ist bei der Verletzung der Ziele an vorderster Stelle.
Krachend die Ziele verfehlt, lautet die einhellige Expertenmeinung. Daher werden wir die Ziele nicht erreichen. Umweltschützer haben Deutschland sogar in der UNO-Klimakonferenz den Negativpreis namens Fossil des Tages verliehen. Als Hauptverursacher machen wir uns damit an den verheerenden Auswirkungen des Klimawandels schuldig, die in brutaler Härte vor allem den globalen Süden betreffen werden und damit Länder, die über weit weniger Ressourcen verfügen, um sich gegen die Folgen des Klimawandels zu wappnen. Das ist eine skandalöse Ungerechtigkeit.
Was lokal, auch lokal hier in Frankfurt verursacht wird, hat globale Auswirkungen. Wir tragen somit in Frankfurt lokal klimapolitische Verantwortung, gesamtgesellschaftlich wie individuell. Unsere Wirtschaftsweise muss auf den Prüfstand gestellt werden, ebenso wie das Selbstverständnis unserer Lebensstile. Am 28.09.2017 hat DIE LINKE-Fraktion einen Antrag eingebracht, der über ein Jahr lang zurückgestellt wurde. Der Antrag beinhaltete die Forderung nach einem Konzept, wie wir den Ausstieg aus der Kohle bis spätestens 2030 hinbekommen können. Am 08.11.2018 hat die Koalition einen Antrag mit der Überschrift „Erforderliche Modernisierung des Heizkraftwerks West der Mainova“ eingebracht, um unseren Antrag zu ersetzen. Damit ist es nicht getan, meine Damen und Herren. Wir müssen raus aus der Kohle, und zwar so schnell wie möglich.
(Beifall)
Da dieses Gremium keineswegs einen Umstieg auf erneuerbare Energien beschlossen hat, werden wir die Entwicklung der Koalition kritisch begleiten und auf eine schnellstmögliche Umstellung beharren.
Wir fordern nämlich verpflichtende, konkrete Beschlüsse, um den Kohleausstieg zu garantieren. Dabei werden wir darauf achten, dass ein Ausstieg aus der Kohle nicht auf Kosten der Stadtbevölkerung stattfinden wird. Wir werden auch darauf achten, dass die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer nicht alleine gelassen werden. Wir brauchen Umschulungen und niedrigschwellige Angebote für Quereinsteigerinnen und Quereinsteiger im Sektor der erneuerbaren Energien.
Beim kommunalen Klimaschutz haben wir in Frankfurt weiterhin große Baustellen. Wir können und sollten definitiv nicht bis 2030 warten, bis wir die Modernisierung des Heizkraftwerks West vorantreiben. Als ersten Zwischenschritt müssen wir nämlich unmittelbar auf Gas umstellen. Das ist der schnellstmögliche Weg, um etwas für das Klima zu tun. Dieser Weg muss jetzt und garantiert eingeschlagen werden. Erneuerbare Energien müssen definitiv danach folgen beziehungsweise stehen uns heute schon zur Verfügung. Unser Oberbürgermeister hat zum Beispiel einmal dazu aufgerufen, dass Frankfurt „Solarhauptstadt“ werden soll. Was ist daraus geworden, meine Damen und Herren?
Der Solarkataster besteht seit 2016, und dennoch ist kaum ein Dach oder eine Freifläche in Frankfurt mit Solaranlagen ausgestattet. Nicht einmal bei den stadteigenen Liegenschaften kommen da signifikante Ergebnisse. Die inzwischen in zahlreichen Städten drohenden Fahrverbote verweisen auf die nächste große Baustelle. Dabei müssen wir uns zielstrebig in Richtung Emissionsfreiheit bewegen, nicht nur wegen der Gesundheit der Bevölkerung, sondern auch wegen der Klimaproblematik. Nicht kurzfristige Verbesserungen rund um Messstationen können das Ziel sein. Eine umfassende Verkehrswende muss jetzt das Maß der Dinge sein. Und für DIE LINKE beinhaltet das natürlich auch einen Umstieg vom Individualverkehr auf öffentliche Verkehrsmittel.
Damit das funktioniert, muss der ÖPNV attraktiver und vor allem günstiger sein. Damit das alles Sinn ergibt, muss die VGF natürlich auf Ökostrom umsteigen. Auch wenn die reale politische Lage in diesem Raum, in Deutschland und auf der Welt nicht besonders viel Hoffnung bereitet, schaue ich dennoch hoffnungsvoll in die Zukunft. Hoffnung darauf, dass die Vernunft siegen wird. Hoffnung habe ich zudem wegen der vielen Aktivistinnen und Aktivisten, die kämpfen. Denn dort, wo die Politik und die Politiker versagen, gibt es nur den Weg, dass Leute selbst aktiv werden. Hoffnung habe ich wegen Rufen aus der Zivilgesellschaft wie „Hambi bleibt“, „Treburer Wald bleibt“, „Ende Gelände“ und vielen weiteren.
Ich halte ein Plädoyer heute: Das Jahr geht zu Ende, wir haben bald Ferien. Ich bitte Sie, während der Feiertage darüber nachzudenken, wie wir in Frankfurt eine Vorreiterrolle in der Energiewende spielen können. Ich bitte Sie, darüber nachzudenken, wie wir als Gemeinschaft im Einklang mit der Natur leben können. Wie können wir unseren Lebensstil verändern, um der Herausforderung der globalen Klimaerwärmung gerecht zu werden? Vor allem was für eine Welt wollen wir für die nächste Generation kreieren und hinterlassen?
Zuallerletzt stelle ich eine Frage, die nicht sehr gerne vernommen werden mag: Bedeutet Verzicht am Ende des Tages nicht doch einen Gewinn?
Vielen Dank!
(Beifall)
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