31. Plenarsitzung der Stadtverordnetenversammlung am 28. Februar 2019
Tagesordnungspunkt 6: Entwurf Haushalt 2019
Stellvertretende Stadtverordnetenvorsteherin Dr. Renate Wolter-Brandecker:
Vielen Dank! Der nächste Redner ist Herr Yilmaz von der LINKE.-Fraktion. Bitte schön!
(Zurufe)
Jeder darf seine Redezeit ausschöpfen, wenn er noch Redezeit hat. Ich bitte um etwas Ruhe. Wir sind noch in den Haushaltsberatungen.
Stadtverordneter Eyup Yilmaz, LINKE.:
Sehr geehrte Frau Vorsteherin,
meine Damen und Herren!
Die FDP stört etwas, aber wir wissen, wofür die FDP steht!
Wohnen ist Menschenrecht und darf nicht arm machen. Wenn das Wohnen für einen wachsenden Teil der Bevölkerung unbezahlbar wird, fördert dies die gesellschaftliche Polarisierung und Spaltung, die am Ende auch den gesellschaftlichen Zusammenhalt und den Frieden bedroht. In den Jahren 2016 und 2017 wurden in Frankfurt insgesamt 8.188 Wohnungen fertiggestellt. Davon sind gerade einmal 245 Sozialwohnungen. Auch der Anteil an geförderten Wohnungen insgesamt beträgt nicht einmal fünf Prozent. Das ist ein Armutszeugnis für den Frankfurter Magistrat.
(Beifall)
Wo bleibt denn die sogenannte minimale 30- oder 40-Prozent-Quote geförderter Wohnungen? Das sind Zahlen, die von Herrn Josef und Herrn Feldmann immer wieder genannt werden. Kurz gesagt, es wird gebaut und es werden ohne Ende Flächen entwickelt, aber nicht für die Frankfurterinnen und Frankfurter, sondern für den Finanzkapitalisten, der ständig auf der Jagd nach lukrativen Anlagemöglichkeiten ist. Zeitgleich fallen fünf- bis sechsfach Sozialwohnungen aus der Bindung. Der sozial geförderte Wohnungsbestand schrumpft massiv. 9.583 Haushalte suchen eine Sozialwohnung, davon sind 45 Prozent dringliche Fälle. Die Notunterkünfte in Frankfurt sind überfüllt. 599 Familien mit über 1.000 Kindern leben in Hotels und Pensionen unter dramatischen Bedingungen. Wo bleiben denn die Kinderrechte? Frau Birkenfeld ist nicht da. Hoffentlich hört sie mich. Die Kinderrechte haben wir doch am 28. Oktober 2018 in der Hessischen Verfassung verankert. Dann gibt es auch noch die UN?Kinderrechtskonvention. In einer reichen Stadt wie Frankfurt leben Familien mit Kindern im Elend. Das können wir so nicht akzeptieren.
(Beifall)
Dafür zahlt die Stadt jährlich etwa 23 Millionen Euro. Statt heruntergekommene Hotels und Pensionen unendlich zu finanzieren, können Sie doch mit dem Geld selbst bauen. Wenn wir sagen, dass der freie Markt nicht für Normalverdiener, Geringverdiener, Rentner und Studierende baut, dann müssen wir doch öffentliche Wohnungsbaugesellschaften in die Pflicht nehmen. Die Frankfurter Initiative „Mietentscheid“ hat 25.000 Unterschriften gesammelt. Das ist ein klarer Richtungshinweis. Die Bevölkerung fordert endlich eine andere Wohnungspolitik.
(Beifall)
Dann kommt die Koalition mit einem absurden Argument: „Wir können den freien Markt nicht nur den Privatinvestoren überlassen. Die ABG muss auch Profite machen.“ Stadtrat Josef legt nach: „15.000 Personen sind auf der ABG-Liste und warten auf eine frei finanzierte Wohnung.“ Liebe Kolleginnen und Kollegen, die Koalition hat immer noch nicht verstanden, dass sich etwa 70 Prozent der Bürgerinnen und Bürger in Frankfurt die frei finanzierten Wohnungen nicht leisten können und dringend geförderte Wohnungen brauchen. Die ABG und die Nassauische Heimstätte haben zusammen mehr als 68.000 Wohnungen in Frankfurt. Sie könnten die eigenen Wohnungsbaugesellschaften in die Pflicht nehmen und die Mieten in der Stadt deutlich beeinflussen und die Mietexplosion eindämmen. Der freie Markt hat Profit- und Renditeinteressen, deshalb brauchen wir die öffentliche Hand, die die soziale und bezahlbare Wohnungsversorgung tatsächlich bereitstellt.
Der neue zweite Förderweg ist eine Mieterhöhung per Gesetz. Die Mieten in drei Stufen bis 10,50 Euro stadtweit festzulegen, ist ein gravierender Fehler, den die Koalition gemacht hat. Aber auch im Bereich Milieuschutzsatzung passiert nichts. Herr Schneider ist leider auch nicht hier. Sie sollten Geld bereitstellen und einen Fonds gründen, damit verhindert wird, dass die Mietwohnungen in Eigentumswohnungen umgewandelt werden.
Stellvertretende Stadtverordnetenvorsteherin Dr. Renate Wolter-Brandecker:
Darf ich noch einmal um etwas mehr Ruhe bitten. Wer dem Redner wirklich nicht zuhören möchte, könnte auch nach draußen gehen.
Stadtverordneter Eyup Yilmaz, LINKE.:
(fortfahrend)
In der Knorrstraße gibt es Gentrifizierung durch Modernisierung. Sie schauen nur zu. In Bockenheim werden Häuser verkauft und Sie tun nichts. Sie haben auch die Bevölkerung in der Innenstadt/Altstadt und Westend?Nord im Stich gelassen, weil Sie die Erhaltungssatzungen Nr. 49 und Nr. 54 eingestellt haben. Sie wissen doch: ohne den politischen Willen ist die Milieuschutzsatzung ein zahnloser Tiger. Sie sollten nach Berlin schauen, wie dort taff und mutig die Wohnungen rekommunalisiert werden.
Vielen Dank!
(Beifall)
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