Antrag der Fraktion DIE LINKE. im Römer zu M 102/2019
Die Stadtverordnetenversammlung möge folgende Punkte beschließen:
Die Vorlage M 102/2019 wird zurückgestellt, bis folgende Fragen geklärt sind:
- Wie stellt der Magistrat sicher, dass der Lehrbetrieb in der angrenzenden Grundschule während Abriss und Neubau nicht gestört wird?
- Warum erfolgt zur Sicherung der kulturellen bzw. sozialen Nutzung im Erdgeschoss keine erneute Eintragung im Grundbuch?
- Bleibt die Vereinbarung zur Sicherung der kulturellen bzw. sozialen Nutzung im Erdgeschoss bei Weiterverkauf für eventuelle zukünftige Eigentümer*innen der Liegenschaft bindend und wie ist dies abgesichert?
- Für welche „anderweitige“ Nutzung des Erdgeschosses würde die Vertragsstrafe von 500.000 Euro anfallen und könnte der Eigentümer mit Zahlung der Vertragsstrafe von einer kulturellen bzw. sozialen Nutzung Abstand nehmen?
- Mit welcher Begründung wird der Mietzins für die kulturelle bzw. soziale Nutzung im Erdgeschoss auf lediglich 10 Jahre begrenzt?
- Da Gewerbemieten frei verhandelbar sind, ist nach Ablauf der 10 Jahre mit einer Erhöhung der Mieten im Erdgeschoss zu rechnen: Wie will der Magistrat sicherstellen, dass eine niedrigschwellige kulturelle bzw. soziale Nutzung auch nach Ablauf der 10 Jahresfrist fortbestehen kann?
- Soll der Ablösebetrag von 3,2 Millionen Euro zweckgebunden und innerhalb des Stadtteils verwendet werden? Wenn ja, wofür; Wenn nein, warum nicht?
- Sieht der Magistrat die Möglichkeit, statt des Ablösebetrags die Erdgeschossfläche in städtischem Eigentum zur städtischen Nutzung bzw. Verpachtung an gemeinnützige Initiativen zu erhalten?
- Warum werden die Investitionen in den Innenausbau der Mietfläche im Erdgeschoss durch den Eigentümer auf maximal 800 Euro pro Quadratmeter Nutzfläche beschränkt?
- Werden die geförderten Wohnungen im Eigentum des Grundstückseigentümers verbleiben oder an eine öffentliche Wohnungsgesellschaft fallen, die auch nach Auslaufen Mietpreisbindungen bezahlbare Mietpreise erhalten kann?
- Wie hoch wird, neben den geförderten Mietwohnungen, der Anteil an Eigentumswohnungen sein?
- Sieht der Magistrat es – vor dem Hintergrund des sich verändernden Modal Split, also des steigenden Anteils von Rad- und Fußverkehr in den Städten – als zeitgemäß an, eine zweigeschossige Tiefgarage auf dem Grundstück zu genehmigen?
- Welches sind die Brandschutzgründe, die für einen Abriss des Bunkers sprechen bzw. einem Umbau entgegen stehen?
- Wodurch könnte der Investor Schadensansprüche gegenüber der Stadt erheben, wie es Oberbürgermeister Peter Feldmann in einem Schreiben vom 5. August 2019 äußert?
Begründung:
Der Glauburgbunker liegt zentral im Nordend, einem Stadtteil, der von Verdrängung maßgeblich betroffen ist. Um diese Verdrängung der Wohnbevölkerung zu stoppen, haben die Stadtverordneten im Februar 2015 die Erweiterung der Milieuschutzsatzung im Nordend beschlossen (§ 5646). Diese Satzung ist seit November 2018 in Kraft (§ 3338). Innerhalb des Satzungsgebietes liegt auch der Glauburgbunker. Bisher war eine kulturelle Nutzung im Erdgeschoss durch ein Wiederkaufsrecht vertraglich gesichert (§ 3153, 17. Sitzung der Stadtverordnetenversammlung vom 19.11.1998).
Wenn auch nicht satzungstechnisch gesichert, so geht die Verdrängung von Wohnbevölkerung mit der Verdrängung niedrigschwelliger sozialer und kultureller Einrichtungen einher. Der Ortsbeirat und der eigens gegründete Verein BI Glauburgbunker e. V. fordern die Veröffentlichung der Planungen und die Einrichtung eines Sozialzentrums.
2016 wurde die bisherige kulturelle Nutzung des Bunkers als Museum aufgegeben und der Glauburgbunker zum Verkauf angeboten. Der Ortsbeirat sprach sich frühzeitig für einen Kauf durch die Stadt für soziale Zwecke aus (einem Bürger*innen-Haus, OF 139 vom 17.12.2016, bzw. als „Bildungs- und Kultureinrichtungen“, OF 102/3 beschlossen am 10.11.2016). Monate später berichtete der Magistrat, dass ein privater Kaufvertrag schon abgeschlossen worden sei (ST 393 vom 17.02.2017). Dazu regte der Ortsbeirat an, vom Wiederkaufsrecht Gebrauch zu machen (OA 135 vom 16.03.2017). Dieses Anliegen wurde im vereinfachten Verwaltungsweg erledigt, die Ergebnisse wurden nicht bekannt. Ebenso wird mit einem Etatantrag des Ortsbeirats zum selben Thema von Januar 2018 verfahren (OF 383/3 vom 10.01.2018).
Im Juli 2017 gibt der Magistrat bekannt, er begrüße eine Fortsetzung der kulturellen Nutzung des Glauburgbunkers (ST 1190). Zwei Monate später gab er jedoch bekannt, dass „die Stadt erforderlichenfalls der Löschung der Dienstbarkeiten gegen Zahlung einer angemessenen Entschädigung zustimmen“, also auf eine Weiterführung der kulturellen Nutzung verzichten würde (ST 1880 vom 18.09.2017).
Laut ST 883 vom 14.05.2018 liegt eine Bauvoranfrage des Käufers vor, nach der das „Errichten eines Gebäudes mit einer Schank- und Speisewirtschaft, einer Anlage für kulturelle Zwecke sowie 43 Wohnungen und einer Tiefgarage mit 30 Stellplätzen“ auf dem ehemals städtischen Grundstück geplant sei.
In der Sitzung des Ausschusses für Planung, Bau und Wohnungsbau am 18.02.2019 äußerte sich Liegenschaftsdezernent Jan Schneider zur Kaufsumme, einem „mittleren siebenstelligen Betrag“.
Ein weiteres Auskunftsersuchen des Ortsbeirats von November 2018 (V 1081) zur aktuellen Situation hat der Magistrat erst am 1. Juli 2019 (ST 1221) beantwortet: „Zu konkreten Nutzungsmöglichkeiten des Erdgeschosses stimmt sich der Bauherr zurzeit noch mit dem Magistrat ab. […] Zurzeit verhandelt jedoch der Magistrat noch über im Zusammenhang mit der Grundstückssituation notwendige, zivilrechtliche Vereinbarungen.“
Am 5. August 2019 hat der Magistrat dann eine Vorlage zur „Löschung der dinglich gesicherten Nutzungsbeschränkung und des Wiederkaufsrechts“ (M 102/2019) eingebracht. Diese Vorlage soll auf Wunsch des Oberbürgermeisters dringend behandelt werden und damit schon in der Plenarsitzung am 29. August 2019 abgestimmt werden – ohne vorherige Debatte im Planungsausschuss. Die Vorlage sieht, anders als angekündigt, die Errichtung eines Mehrfamilienhauses mit lediglich „35 Wohnungen und einer kulturellen und/oder sozialen Nutzung im Erdgeschoss auf einer zweigeschossigen Tiefgarage mit 28 Stellplätzen“ vor. Gegen einen Ablösebetrag von 3,2 Mio. Euro sollen die Ansprüche der Stadt auf dinglich gesicherte Nutzungsbeschränkung und das Wiederkaufsrecht aus dem Grundbuch gelöscht werden.
Entgegen der Beteuerung von Dr. Nils Kößler, dass alle offenen Fragen zu dem Vorgang in der Vorlage M 102 geklärt sein (Sitzung des Planungsausschusses vom 19.08.2019), bleiben Unklarkeiten bestehen. Die oben dargelegten Fragen müssen geklärt werden, bevor über den Vorgang abgestimmt werden kann.
Alle Bürger*innen können gegen den Abriss und für die Einrichtung eines Stadtteilteilzentrums Nordend in dem Gebäude des Glauburgbunkers online unterschreiben: https://www.openpetition.de/petition/online/kein-abriss-des-glauburgbunkers-im-frankfurter-nordend-stadtteilzentrum-statt-mehr-luxuswohnungen
Dies haben bereits mehr als 3.150 Personen getan.
DIE LINKE. im Römer
Dominike Pauli und Martin Kliehm
Fraktionsvorsitzende
Antragstellende:
Stv. Ayse Dalhoff
Stv. Dominike Pauli
Stv. Eyup Yilmaz
Stv. Martin Kliehm
Stv. Merve Ayyildiz
Stv. Michael Müller
Stv. Monika Christann
Stv. Pearl Hahn