Der Körper der Frau darf keine Projektionsfläche für patriarchale Machtkonstruktionen sein

35. Plenarsitzung der Stadtverordnetenversammlung am 29. August 2019

Aktuelle Stunde zu Frage NR. 2002: Mahnwachen vor Beratungsstellen für schwangere Frauen und vor Arztpraxen. Für welchen Ort genau beabsichtigt der Magistrat, eine Genehmigung für Mahnwachen auszusprechen?

Stadtverordnetenvorsteher Stephan Siegler:

Die nächste Wortmeldung kommt von Frau Ayyildiz von der LINKEN. Bitte schön!

Stadtverordnete Merve Ayyildiz, LINKE.:

Sehr geehrter Stadtverordnetenvorsteher!

Wir haben nun den Erlass, dass Demos von Abtreibungsgegnerinnen und Abtreibungsgegnern nicht mehr in Sicht- und Rufweite der Beratungsstellen für Schwangere stattfinden dürfen. Da der Ordnungsdezernent diesen Erlass des Innenministers eins zu eins anwenden will, freuen wir uns natürlich über die Konsequenzen für die fundamentalistischen Abtreibungsgegnerinnen und Abtreibungsgegner, die Schwangere auf dem Weg zur Beratung mit ihren Gebeten, Bildern und Gesängen nicht mehr belästigen dürfen.

Was einen im Nachgang stört, ist die Tatsache, dass der Erlass keine Gesetzeskraft hat und somit auch nur ein minimaler Schritt in die richtige Richtung ist. Es stört in der Debatte, dass Markus Frank bei ausreichendem Willen und eigeninitiativ mit entsprechenden Auflagen die Balance zwischen Versammlungsfreiheit und anonymer Beratung von schwangeren Frauen hätte finden können und darauf verzichtet hat. Gesetzlich muss beides nämlich gewährleistet werden können. Das Ziel muss die gesetzliche Verankerung zu Umsetzung des körperlichen und sexuellen Selbstbestimmungsrechtes sein. Das Selbstbestimmungsrecht ist durch einen belästigungsfreien Weg zur gesetzlich vorgesehenen Schwangerschaftskonfliktberatung trotzdem nicht erfüllt. Das Selbstbestimmungsrecht ist durch faule Kompromisslösungen im Retuschieren des § 219a nicht ansatzweise gewährleistet. Die Umsetzung geht nur gemeinsam mit der ersatzlosen Streichung der §§ 218 und 219. Es müsste nicht jahrzehntelang um Minimalschritte gekämpft werden, wenn Frauen von vornherein gesetzlich nicht kriminalisiert werden würden, sobald sie über ihren eigenen Körper entscheiden.

Der Körper der Frau darf keine Projektionsfläche für patriarchale Machtkonstruktionen sein. Und wenn die Koalition auf Geistesblitze von Männern im Hessischen Landtag wartet, um aktiv zu werden, dann ist ein gesetzlich nicht gesicherter Erlass ein Tropfen auf den heißen Stein. Wenn Männer immer noch Gesetze über den Körper der Frau beschließen und einen Machtanspruch an diesen haben, so ist die Symptombehandlungspolitik der Koalition kein Fortschritt, sondern eine schön verpackte Lüge für die Selbstbeweihräucherung in der Öffentlichkeit. Denn der Körper der Frau gehört nur ihr selbst.

Danke schön!

(Beifall)

Hier können Sie die Rede als PDF-Datei herunterladen.

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