Die Unsicherheit in dieser Gesellschaft kommt von der AfD

36. Plenarsitzung der Stadtverordnetenversammlung am 26. September 2019

Tagesordnungspunkt 9.2: Seenotrettung ist ein Gebot der Humanität – Frankfurt am Main ist ein sicherer Hafen für Geflüchtete

Stellvertretende Stadtverordnetenvorsteherin Dr. Renate Wolter-Brandecker:

Vielen Dank! Die nächste Wortmeldung kommt von Frau Stadtverordneter Hahn von der LINKE.‑Fraktion. Bitte schön!

Stadtverordnete Pearl Hahn, LINKE.:

Ich musste mich noch einmal melden. Ich finde es erschreckend. Ich bin in einer Gesellschaft unterwegs. Ich lerne höfliche Menschen kennen. Ich lerne aufrichtige Menschen kennen, respektvolle Menschen, Menschen, die wirklich mit Liebe durch die Welt laufen. Dann komme ich hierher und frage mich, lebe ich in einer Parallelwelt?

(Zurufe)

Ja, das ist die Sache. Die Mehrheit der Gesellschaft spiegelt sich da nicht ab. Davon bin ich vollkommen überzeugt.

Vielleicht erzähle ich jetzt einfach etwas über meine persönliche Erfahrung, weil ich glaube, dass die Mehrheit, die dort redet, eigentlich noch nie etwas mit Geflüchteten zu tun gehabt hat. Ich habe mit UMAs gearbeitet, sie zwei Jahr betreut und ich kann davon berichten. Ja, es sind auch Zwölfjährige, die alleine hierhergekommen sind. Es gibt auch junge Kinder, die hierhergekommen sind, die auf dem Weg Vergewaltigung erfahren haben, die brutale Geschichten zu erzählen haben. Man könnte sagen, das sind doch alles 25- oder 30-Jährige, die so tun, als ob sie zwölf, 13, 14, 15, 16, 17, 18, 19, 20 oder 21 wären – ich sage bis 21, weil jeder bis zum 21. Lebensjahr das Recht auf Betreuung unter dem Sozial- und Jugendamt hat. Ich habe nachts oft Schreie gehört. Ich habe nachts Kinder in den Arm nehmen müssen, damit sie sich wieder beruhigen und einschlafen können. Das sind meine Erfahrungen. Ich weiß nicht, was Ihre Erfahrungen sind, aber das sind meine Erfahrungen. Wissen Sie was, mittlerweile bin ich ab und zu in der Innenstadt. Ich treffe diese jungen Männer. Ja, es sind zum größten Teil junge Männer, die ich betreut habe. Sie sind voller Leben, sprechen fließend Deutsch, machen zum Beispiel eine Ausbildung im Bereich Pflege und manche wollen Polizist werden. Das sind super tolle Kinder, die so verdammt dankbar sind, dass sie eine zweite Chance hatten, und dass sie hier leben dürfen. Darum geht es doch heute. Es geht nicht darum, wie viel Geld es kostet, wie sehr der Wohnungsmarkt dann Probleme hätte, wie es mit den Arbeitsplätzen aussieht oder wie viel Geld wir investieren werden. Es geht um Leben und Tod. Wenn ich hier sitze und daran denke, was ich heute so alles gehört habe, dann weiß ich nicht, wo ich gerade bin.

Herr Wurtz hat gesagt, dass die alle abgeschoben und in die alte Heimat zurückgeschickt werden sollen. Ich möchte jetzt nicht zu persönlich werden, weil ich die persönlichen Gründe und Geschichten von den einzelnen Menschen hier im Raum nicht kenne, aber Herr Wurtz, was ist Ihre Legitimität hier zu sein?

(Beifall, Zurufe)

Sie wurden doch 2013 eingebürgert. Das ist doch ein Zeichen, dass wir – als offene Grenzen will ich es jetzt nicht bezeichnen – Möglichkeiten der Mobilität haben, dass sich Leute eine neue Heimat aussuchen können. Sie wollen, dass Sie diese Freiheit haben, aber andere Personen nicht? Wieso?

(Zurufe)

Wieso sind Sie so besonders?

(Zurufe)

Sie halten aber echt viel von sich. Sie sind so besonders? Unglaublich.

Ich habe mir auch überlegt, weswegen die AfD Herrn Wurtz hierher schickt. Er ist Migrant und hetzt gegen andere Migranten. Dann dachte ich mir, na ja, vielleicht dachte die AfD, dann haben wir eine Freikarte, dann dürfen wir alles sagen, weil es ein Migrant ist, der gerade redet. Ist es das? Herr Wurtz, Sie sind eine armselige Person – wirklich armselig.

(Beifall)

Wir reden über mehr Unsicherheit in der Gesellschaft, aber wir wissen doch ganz genau, wo die Unsicherheit herkommt. Die Unsicherheit in dieser Gesellschaft kommt von der AfD und von rechts. Da gibt es so viele Studien dazu. Es kommt von nirgendwo anders her.

Ich weiß auch nicht, was bei der BFF ab und zu passiert. Ich habe dem, was Herr Mund heute gesagt hat und was auch an Zwischenrufen kam, entnommen, es gibt kein Menschenrecht auf Einwanderung, aber gibt es ein Menschenrecht auf Leben?

(Zurufe)

Gibt es?

(Zurufe)

Ja, gibt es. Okay. Ich soll zum Bahnhof und meine Rede neu sprechen?

Die Sache ist, lieber, … wie immer Sie heißen, …

(Heiterkeit)

… Sie können das gerne sagen, aber ich bin so sicher in meiner Person, dass mir das absolut nichts macht. Die Frage ist, wer ist denn hier sehr unsicher? Ich würde sagen, Sie sind die unsichere Person hier im Raum, wer Hetze betreibt, muss eine unglaublich unsichere Persönlichkeit haben.

(Beifall)

Ich möchte jetzt mit einem Zitat von James Baldwin enden, der sagte: „Ich vermute, einer der Gründe, warum Menschen so hartnäckig an ihrem Hass festhalten, ist, weil sie spüren: Wenn der Hass einmal verschwunden ist, werden sie gezwungen sein, sich mit Schmerz zu beschäftigen.“ Weswegen Schmerz? Ich bin der Meinung, dass es unglaublich schmerzvoll sein muss, in der Haut von Herrn Wurtz, Herrn Mund oder allen möglichen Personen bei der AfD zu stecken, die Hetze betreiben. Es muss unglaublich schmerzvoll sein, in ihrer Haut zu sein. Es muss auch so sein, dass sie nicht im Reinen sind. Jeder Mensch, der glücklich, zufrieden und selbstsicher ist, geht nicht durch die Welt und verbreitet Hass und Hetze, sondern die Leute, die glücklich sind, verbreiten Liebe, Freundlichkeit und nicht Hass.

So viel dazu. AfD und definitiv Herr Wurtz, versuchen Sie sich einmal ein bisschen mehr mit sich selbst zu beschäftigen und schonen Sie uns alle. Wir wollen uns nicht mit Ihnen beschäftigen.

(Beifall)

Hier können Sie die Rede als PDF-Datei herunterladen.

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