Ausschreibung der FES-Anteile: Kommunaler Nutzen oder Erlaubnis zum Gelddrucken

Anfrage der Stadtverordneten Dominike Pauli der Fraktion DIE LINKE. im Römer gemäß § 50 (2) HGO

In der Sitzung am 27. Juni 2019 hat die Stadtverordnetenversammlung der Vorlage des Magistrats zugestimmt, 49 Prozent der Anteile an der Frankfurter Entsorgungs- und Servicegesellschaft mbH (FES) europaweit auszuschreiben.
Die Mehrheit der Stadtverordneten hat sich zu diesem Schritt entschieden, obwohl Unsicherheiten und Risiken bei diesem Vorgehen bestehen. Der Magistrat führte zwar eine Ex-Ante-Notifizierung der EU-Kommission als Argument für die Ausschreibung an und qualifizierte diese als eine Art „Freibrief“, doch die Notifizierung der Kommission liest sich anders als vom Magistrat dargestellt. Die EU-Kommission hält das Verfahren im Prinzip für unbedenklich. Welche Risiken nach der genauen Ausgestaltung der Ausschreibung auftreten können, dazu sprach die Kommission keine Unbedenklichkeit aus. Vor diesem Hintergrund war und ist die Bewertung des Magistrats ideologisch verzerrt, voreilig und interessengeleitet.
Dafür gibt es mehrere Bespiele aus der jüngsten Vergangenheit. Erinnert sei an die Pläne aus dem Jahr 2010. Hier wollte der Magistrat Ingenieurbauwerke als sogenannte Öffentlich-Private-Partnerschaft sanieren. Laut Magistrat gab es keine wirtschaftliche Alternative dazu. Doch nachdem das „Filetstück“, die Sanierung der Rosa-Luxemburg-Straße, aus den Plänen rausfiel, hatte kein privater Investor Interesse an diesem Projekt. Die Stadt saniert die Bauwerke seitdem auf konventionelle Weise und weitgehend in Eigenregie. Was 2010 vom Magistrat als unmöglich dargestellt wurde, liest sich 2019 im Bericht B369 wie folgt:

„Die erhofften Vorteile haben sich im vollem Umfang eingestellt: Die Stadt allein entscheidet nach technischen, wirtschaftlichen und verkehrlichen Kriterien, welche Bauwerke wann, wie und in welchem Umfang instandgesetzt werden oder ob ein Neubau die sinnvollere Lösung ist. Das zuständige Fachamt legt die erforderlichen technischen Standards fest, nach denen die Instandsetzungsmaßnahmen durchgeführt werden und veranlasst dann die erforderlichen Planungen. Die Ausführung erfolgt ebenfalls in direktem Auftragsverhältnis mit Baufirmen. Im Zuge der Planung und Durchführung der Maßnahmen kann das teilweise verloren gegangene Know-how von städtischen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern wieder aufgebaut werden. Die zur Verfügung stehenden Haushaltsmittel für die Instandhaltung und Werterhaltung des Bauwerksbestandes können so sehr effektiv und flexibel eingesetzt werden.“

Der Magistrat bestätigt mit eigenen Worten, dass die Kommune in eigener Verantwortung genauso gut, sogar besser wirtschaften kann als bei einer Vergabe an sogenannte private Partner.
Die Abfallentsorgung und Stadtreinigung aber traut der Magistrat der Kommune weiterhin nicht zu. Deswegen musste die Mehrheit der Stadtverordnetenversammlung den Verkauf der Anteile an der FES durch eine europaweite Ausschreibung beschließen.
Es kommt jetzt darauf an, die Ausschreibung so zu gestalten, dass für die Kommune und die Bewohner*innen dieser Stadt das beste Angebot eingeholt werden kann. Das Hessische Vergabe- und Tariftreuegesetz (HVTG) und der Gemeinsame Runderlass zum Öffentlichen Auftragswesens (Vergabeerlass) geben der Kommune die Möglichkeit, soziale und Nachhaltigkeitskriterien in die Vergabe einfließen zu lassen.
Damit die angestrebte Öffentlich-Private-„Partnerschaft“ nicht nur zu einem risikolosen Geschäft für den zukünftigen privaten Partner wird, sollten die Freiräume des HVGT für eine soziale und nachhaltige Zukunft der Abfallentsorgung genutzt werden.

Der Magistrat wird daher gebeten, folgende Fragen zu beantworten:

  1. Welche Vergabekriterien mit welcher Gewichtung liegen der Ausschreibung der Gesellschafteranteile zugrunde?
  2. Welcher Qualitätsnachweis für Leistungsfähigkeit wird in der Ausschreibung festgehalten?
  3. Welche städtischen Gremien werden in welcher Stufe des Vergabeverfahrens in welcher Art und Weise einbezogen?
  4. Welche Teile des Vergabeverfahrens unterliegen aus welchen Gründen den Grundsätzen der Vertraulichkeit?
  5. Wie wird die Öffentlichkeit über den Stand des Vergabeverfahrens und die Entscheidungsgründe informiert?
  6. Wurden/werden bei der europaweiten Ausschreibung die Bieter vertraglich gemäß § 128 Abs. 2 GWB für die zur Auftragserfüllung einzusetzenden operativen Mitarbeiter*innen zur Zahlung eines höheren Lohns als den des gesetzlichen Mindestlohns nach Tarifvertrag des öffentlichen Diensts für alle Unternehmen innerhalb des Konzerns FES verpflichtet?
  7.  Wenn nein, warum nicht?
  8. Wurde/wird die Berücksichtigung der Erstausbildung im Ausschreibungstext berücksichtigt?
  9. Wenn nein, warum nicht?
  10. Welches Gewicht hat dieser Punkt bei der Bewertung des Angebots?
  11. Wurde/wird die Chancengleichheit bei Aus- und Fortbildung sowie im beruflichen Alltag berücksichtigt?
  12. Wenn nein, warum nicht?
  13. Welches Gewicht hat dieser Punkt bei der Bewertung des Angebots?
  14. Wurde/wird die Beschäftigung von Langzeitarbeitslosen in der Ausschreibung berücksichtigt?
  15. Wenn nein, warum nicht?
  16. Welches Gewicht hat dieser Punkt bei der Bewertung des Angebots?
  17. Wurde/wird die besondere Förderung von Frauen berücksichtigt?
  18. Wenn nein, warum nicht?
  19. Welches Gewicht hat dieser Punkt bei der Bewertung des Angebots?
  20. Wurde/wird die besondere Förderung der Vereinbarkeit von Familie und Beruf berücksichtigt?
  21. Wenn nein, warum nicht?
  22. Welches Gewicht hat dieser Punkt bei der Bewertung des Angebots?
  23.  Wurde/wird die besondere Förderung von Menschen mit Behinderung als Kriterium angewendet?
  24. Wenn nein, warum nicht?
  25. Welches Gewicht hat dieser Punkt bei der Bewertung des Angebots?
  26. Ist in der Ausschreibung eingefordert, Lösungen für von den Bürger*innen genannte Mängel der FES zu finden?
  27. Wurde/wird die Verwendung von
    1. fair gehandelten Produkten
    2. ökologisch nachhaltigen Produkten
    3. innovativ orientierte Produkte und Dienstleistungen, wie zum Beispiel die Reduzierung der Emissionen, im Ausschreibungstext berücksichtigt? Wie wurden diese Kriterien berücksichtigt?
  28. Wenn nein, warum nicht?
  29. Welches Gewicht haben diese Punkte bei der Bewertung des Angebots?
  30. Wurde/wird im Ausschreibungstext darauf geachtet, dass das Umweltmanagement nach dem europäischen Umweltmanagement (EMAS) oder vergleichbaren, von den Mitgliedstaaten der Europäischen Union anzuerkennenden Normen oder Umweltmanagementsystemen zertifiziert ist?
  31. Wenn nein, warum nicht?
  32. Welches Gewicht hat dieser Punkt bei der Bewertung des Angebots?
  33. Wurde/wird in der Ausschreibung berücksichtigt, dass die Dienstleistungen mit geeigneten Umweltgütezeichen ausgezeichnet sind (Umwelteigenschaft)?
  34. Wenn nein, warum nicht?
  35. Welches Gewicht hat dieser Punkt bei der Bewertung des Angebots?
  36. Welche Umweltgütezeichen werden vom Magistrat als ausreichend anerkannt?
  37. Wie findet § 53 (Rechte gegenüber privatrechtlichen Unternehmen) des Haushaltsgrundsätzegesetzes (HGrG) in der Ausschreibung Anwendung?
  38. Welches Gewicht hat dieser Punkt bei der Bewertung des Angebots?
  39. Wie werden die Bieter zur Werthaltigkeit des Anlagevermögens verpflichtet?
  40. Welches Gewicht hat dieser Punkt bei der Bewertung des Angebots?
  41. Wurde/wird in der Ausschreibung ein außerordentliches Kündigungsrecht bei Nichterfüllung des Auftrages formuliert?
  42. Wenn nein, warum nicht?
  43. Plant der Magistrat bei der Neuvergabe und neuen Aufstellung der FES die Einrichtung eines Verbraucherbeirats?
  44. Ist so ein Beirat in der Ausschreibung enthalten?
  45. Wenn nein, warum nicht?
  46. Sind Rückstellungen im Haushalt für einen eventuellen Rechtsstreit vorgesehen?
  47. Wenn ja, in welcher Höhe?
  48. Wenn nein, warum nicht?
  49. Welche Auswirkungen wird das Handelsabkommen CETA nach der Ratifizierung durch alle EU-Mitgliedsländer auf die Ausschreibung und das Bieterverfahren haben
  50. Mit wie vielen Bietern rechnet der Magistrat bei dieser Ausschreibung und warum

Anfragestellerin:

Stv. Dominike Pauli

DIE LINKE. im Römer

Dominike Pauli und Martin Kliehm
Fraktionsvorsitzende

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