20 echte Punkte für das Klima – Große Transformation statt Trippelschritte

Antrag der Fraktion DIE LINKE. im Römer zu M199/2019

Die Stadtverordnetenversammlung möge beschließen:

Der Hebesatz der Gewerbesteuer wird zweckgebunden um 20 Punkte erhöht,  um weit umfangreichere Klimaschutzmaßnahmen zu finanzieren, als sie unter dem Dach der sogenannten Klimaallianz vorgesehen sind. Konkret sollen für die Sektoren Haushalte, Gewerbe/Handel/Dienstleistungen, Industrie und Verkehr (inklusive Flugverkehr) eindeutige Reduktionsziele festgelegt und diese mit geeigneten Maßnahmen unterfüttert werden, um bis 2035 die Nettonull zu erreichen. Zu den Maßnahmen muss gehören:

  • Der Flugverkehr wird in die Bilanzierung und die CO2-Reduktionsplanung aufgenommen. Die mehrheitlich im öffentlichen Besitz befindliche Fraport AG muss für eine Abkehr von Kurzstreckenflügen sorgen, die auf die Bahn verlagert werden können.
  • Das Heizkraftwerk West wird unmittelbar auf Gas und mittelfristig auf erneuerbare Energien umgestellt.
  • Die Stromversorgung der VGF wird wie angekündigt zum 01.01.2020 wieder auf nachhaltige Energiequellen umgestellt, laufende Verträge innerhalb des Stadtwerkekonzerns sind aufzuheben.
  • Es wird ein Klimarahmenplan erlassen, auf dessen Grundlage die weitere Stadtentwicklung einem strikten Klimavorbehalt unterliegt. Die Alternative, durch Einzahlung in einen städtischen Klimaschutzfonds Kompensation für klimaschädliche Maßnahmen zu leisten, wird ausgeschlossen. Eine kommunale CO2-Bepreisung erübrigt sich.
  • Alle geeigneten städtischen Dächer und Freiflächen (auch die der Tochterunternehmen und Beteiligungsgesellschaften) werden gemäß einer Prioritätenliste auf Basis des Solarkatasters geprüft und bis 2025 mit der maximalen Auslastung an Solaranlagen (Fotovoltaik oder Solarthermie) bestückt. Dort, wo eine Solaranlage aus technischen Gründen nicht installiert werden kann, soll eine Begrünung zum Zug kommen. Wo möglich, sollen Gründächer und Fotovoltaik/Solarthermie miteinander kombiniert werden.
  • Frankfurt geht auf das Land Hessen, auf Industrie- und Gewerbetreibende, die Kirchen, Vereine und sonstige Organisationen und Institutionen zu, um mit deren Dächern und Freiflächen ebenfalls wie in obiger Weise zu verfahren.
  • Frankfurt startet gemeinsam mit der Mainova eine Kampagne zur Bekanntmachung des Solarkatasters sowie der Beratungsangebote zu Solarstrom in Eigenregie bzw. Mieterstrommodelle und legt ein Förderprogramm für Solaranlagen auf Privatdächern auf, analog zur Klimabonus-Förderlinie „Frankfurt frischt auf“.
  • Frankfurt beschließt eine Solardachpflicht für Neubauten.
  • Der Klimaschutzfonds wird im Haushalt 2020/2021 und den Folgehaushalten gesondert abgebildet und zur Finanzierung aller notwendigen Maßnahmen ausreichend ausgestattet.
  • Anstelle maßlos überteuerter sogenannter city trees wird in grünarmen Bereichen entsiegelt und für richtiges Grün gesorgt.

Die weiteren Punkte der Klimaallianz sind bereits Beschlusslage bzw. wurden als Vorlage bislang von der Koalition abgelehnt und werden somit als Absichtserklärung verstanden.

Begründung:

Ende November hat die Römerkoalition eine neue CO2-Bilanz der Stadt Frankfurt am Main vorgelegt. Nun ist klar, dass die Stadt ihre Reduktionsziele seit 2010 krachend verfehlt hat. Als Gründungsmitglied des „Klima-Bündnis der europäischen Städte mit indigenen Völkern der Regenwälder / Alianza del Clima e. V. “ hat sich die Stadt zum Ziel gesetzt, die CO2-Emissionen alle 5 Jahre um 10 Prozent gegenüber dem Basisjahr 1990 zu senken und sie so bis zum Jahr 2030 zu halbieren. Bis 2010 wurden städtischen Angaben zufolge rund 18,5 Prozent eingespart, in absoluten Zahlen: 1,8 Millionen Tonnen CO2. Für das Jahr 2017 spricht die Stadt nun von einer Reduktion von gerademal 19,5 Prozent gegenüber 1990.

Im Zeitraum von 2010 bis 2017 sind demnach nur 1 Prozent statt der anvisierten 14 Prozent reduziert worden, in absoluten Zahlen nur 0,11 Millionen Tonnen CO2. Und das obwohl einer der größten Einzelemittenten weiterhin von der Bilanz ausgespart bleibt: Der Frankfurter Flughafen, der mit weiteren 0,85 Millionen Tonnen CO2 die Bilanz gänzlich ruiniert hätte, zur Wahrheit aber eben dazugehört. In jedem Fall ist die Bilanz bzw. der wirkliche Sachstand nicht anders als verheerend zu bezeichnen.

Auf diesen Missstand will die Koalition nun mit ihrer sogenannten Klimaallianz reagieren, einer Allianz einzig und allein der sowieso schon Alliierten. Im Sommer noch wurde verkündet, dass gemeinsam mit der Opposition und den gesellschaftlichen Initiativen und Verbänden ein Klimapaket ausgearbeitet werden soll. Das hat nicht stattgefunden. Herausgekommen ist deswegen auch nur eine erneute Absichtserklärung, die völlig offenlässt, ob die Maßnahmen überhaupt geeignet sind, die Ziele des „Masterplans 100% Klimaschutz“ zu erreichen. Etappenziele mit konkreten CO2-Reduktionsmengen auf dem Weg bis 2050 fehlen völlig. Die Koalition weigert sich weiterhin, den Klimanotstand auszurufen. Sie belässt es hingegen bei Trippelschritten anstatt endlich die große Transformation anzugehen.

Die in 30 Punkte untergliederten Maßnahmen sind weitestgehend alter Wein in neuen Schläuchen. Das Revisionsamt hat dazu einige vernichtende Zeilen geschrieben, die hier leider nicht wortgetreu zitiert werden dürfen. Die einzige Neuerung, der städtische Klimaschutzfonds, ist nichts als heiße Luft und schafft für die Verwaltung nur Umsetzungsprobleme. Viel einfacher und besser wäre es, Maßnahmen wie üblich im Haushalt zu verankern. Darüber schweigt sich die Klimaallianz allerdings aus. Sie will lediglich städtische Finanzmittel umschichten und zusätzlich prüfen, kontinuierlich europäische, Bundes- und Landesmittel für den Klimaschutz in Anspruch zu nehmen.

Das aber ist nicht ausreichend. Der Klimaschutz muss sozial und gerecht sein und das ist er nur, wenn die Maßnahmen nicht dazu führen, dass im Haushalt an anderer Stelle gekürzt wird. Daher ist es unabdingbar, die Einnahmesituation der Stadt zu verbessern, um so die Klimaherausforderung zu meistern. Die Gewerbesteuer muss erhöht werden, um damit das Klimapaket zu finanzieren.

Zu den Maßnahmen: Das Heizkraftwerk West soll irgendwann um 2025 herum auf Gas umgestellt werden. Gas aber ist auch ein fossiler Energieträger und in der Klimawirkung kaum besser als die derzeit verfeuerte Steinkohle. Frankfurt muss endlich raus aus der Steinzeit und nach Wegen suchen, wie die Kraftwerke und der Fernwärmeverbund fit gemacht werden kann für die emissionsfreie Zukunft.

Die Ökostromversorgung der VGF gab es schon einmal. Bis gerade die Grünen dafür gesorgt haben, dass sie für die vergangenen sechs Jahre wieder durch den Kohlemeiler versorgt wurde. Außerdem ist die Umstellung auf eine nachhaltige Energieversorgung der Bahnen bis 2020 längst Beschlusslage genauso wie der Aufbau von Abwärmenetzen, die Beschleunigung des Zubaus von Solaranlagen, die Umstellung der Gasleuchten, der Schienenausbau und der Ausbau von Ladeinfrastruktur für E-Mobilität oder auch die Förderung von E-Carsharing-Modellen. Die Anschaffung von Lastenrädern sollte in 2019 schon mit 50.000 Euro gefördert werden. Bis heute kann die Förderung noch nicht einmal beantragt werden. Das Maßnahmenpaket der Klimaallianz ist in weiten Teilen leider das Papier nicht wert, auf dem es geschrieben steht. Ganz einfach, weil es schon auf anderem Papier formuliert wurde. Ökologisch und nachhaltig geht anders!

Maßnahmen, die über das, was sich sowieso schon in Umsetzung befinden sollte, hinausgehen, muss man mit der Lupe suchen und diese haben nur einen geringen klimapolitischen Stellenwert, wie etwa der koalitionäre Meinungsumschwung bei einer Abwrackprämie für Mopeds, Roller und Kleinkrafträder oder bei öffentlichen Trinkbrunnen.

Maßnahmen hingegen, die das Potenzial hätten, CO2-Emissionen effektiv zu mindern, sind durchweg mit Einschränkungen versehen beziehungsweise finanziell nicht verankert. Die klimagerechte Stadtentwicklung ist eben nicht der vieldiskutierte Klimavorbehalt, sondern lediglich ein Abprüfen der Klimaauswirkungen, das es auch heute schon gibt. Der Energieplan 2030 bedeutet eben nicht die vollständige erneuerbare Energieversorgung bis 2030, wie sie Fridays For Future und zahlreiche Frankfurter*innen fordern, sondern nur ein Prüfen und Berichten, mit dem laut Koalition eigentlich Schluss sein müsse beim Klimaschutz.

Ein Klimaschutzfonds schließlich ist nur so viel wert, wie in ihm lagert. Abgesehen davon, dass die Stadt ihren Ablasshandel da hinein geben will, also ihre Klimasünden zukünftig durch Einzahlung in den Fonds wett machen will – dadurch wird selbstredend kein Gramm CO2 eingespart – ist überhaupt nicht klar, mit welchen Mitteln der Fonds ausgestattet werden soll. Ein optimierter Einsatz städtischer Mittel sowie die kontinuierliche Einwerbung von übergeordneten Finanzmitteln lassen nicht gerade darauf schließen, dass es die Koalition ernst meint mit einer klimagerechten Ausfinanzierung ihres eigenen Maßnahmenpakets.

Frankfurts Beitrag zur Einhaltung des 1,5-Grad-Ziels des Pariser Klimaabkommens muss anders ausfallen. Die Klimaallianz der Römerkoalition verfolgt nur wenig ambitionierte Ziele und weigert sich darüber hinaus noch, diese nachvollziehbar aus zu finanzieren.

DIE LINKE. im Römer

Dominike Pauli und Martin Kliehm,
Fraktionsvorsitzende

Antragstellende:

Stv. Ayse Dalhoff
Stv. Dominike Pauli
Stv. Eyup Yilmaz
Stv. Martin Kliehm
Stv. Merve Ayyildiz
Stv. Michael Müller
Stv. Monika Christann
Stv. Pearl Hahn

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