Antrag der Fraktion DIE LINKE. im Römer
Die Stadtverordnetenversammlung möge beschließen:
Das Ziel ist es, Zwangsräumungen in Frankfurt zu verhindern.
Dafür wird der Magistrat beauftragt,
- eine verbindliche Regelung bei Wohnungsgesellschaften mit städtischer Beteiligung zu erwirken, die Zwangsräumungen ausschließt. Im Rahmen dieser ist über finanzielle Ausgleiche für Mietausfälle eine Einigung zu erzielen.
- vermehrt Sozialarbeiter*innen für die frühzeitige Verhinderung von Zwangsräumungen einzusetzen.
- vollwertige Ersatzwohnungen zur Verfügung zu stellen, sofern eine Verhinderung der Zwangsräumung nicht möglich ist.
- jährlich unaufgefordert über die Zahl und Ausstattung der benötigten Notunterkünfte, die Anzahl der betroffenen Einzelpersonen und Familien, die Zahl der betroffenen minderjährigen Personen sowie die jeweilige Dauer der Unterbringung und die dafür entstandenen Kosten zu berichten.
- jährlich unaufgefordert über Anzahl, Gründe und Anschlussunterbringung zwangsgeräumter Personen in Frankfurt zu berichten.
Begründung:
Eine Zwangsräumung bedeutet den Verlust der eigenen Wohnung. Für viele Menschen führt sie in die Wohnungslosigkeit. Wer sich auf dem überteuerten Frankfurter Wohnungsmarkt keine Ersatzwohnung leisten kann, wird von der Stadt oft unter prekären Bedingungen in viel zu kleine Notunterkünfte einquartiert. Manche Familien müssen in diesen Zuständen mehrere Jahre verbringen. Das stellt eine soziale Härte dar, die nicht zumutbar ist. Das Menschenrecht auf angemessene Unterkunft wird beschädigt. Auch sind die Kosten enorm: Die Unterbringung in Notunterkünften kostet die Stadt Frankfurt mehr als 23 Millionen Euro im Jahr. Für dieses Geld wären Wohnungsmieten für normale Wohnungen im Bereich des Mietspiegels für alle Wohnungslosen leistbar.
Besonders im Winter ist die Erfahrung, ohne eigene Wohnung zu sein, extrem belastend. In Frankreich gibt es von Oktober bis März deshalb ein Verbot von Zwangsräumungen. In Frankfurt ist dem nicht so: Im Jahr 2018 wurden in Frankfurt am Main 478 Zwangsräumungen durchgeführt. Allein im Winterhalbjahr Oktober 2018 bis März 2019 wurden in Frankfurt 262 Haushalte aus ihrer Wohnung zwangsgeräumt.
An den Zwangsräumungen beteiligen sich auch die öffentlichen Wohnungsgesellschaften, obwohl es ihre Aufgabe ist, denjenigen Wohnungen anzubieten, die sich am Wohnungsmarkt nicht selbst mit Wohnraum versorgen können. Von allen Zwangsräumungen werden durchschnittlich 100 pro Jahr aus Wohnungen der stadteigenen Wohnungsgesellschaft ABG durchgeführt. Die Nassauische Heimstätte (NH), an der u. a. die Stadt Frankfurt und das Land Hessen Anteile besitzen, erfasst die Zahl der Zwangsräumungen aus ihren Wohnungen nicht. Es soll aber zwischen 2011 und 2017 zu „schätzungsweise“ 178 Zwangsräumungen aus Wohnungen der NH gekommen sein. Zwangsräumungen aus öffentlichen Wohnungen müssen aufhören! Nur so entsprechen ABG Frankfurt Holding und Nassauische Heimstätte dem sozialen Auftrag, den sie satzungsgemäß zu erfüllen haben.
Zudem ist die frühzeitige Begleitung der von Zwangsräumung bedrohten Menschen wichtig. Dazu werden weitere Sozialarbeiter*innen eingesetzt. Ist der Räumungsgrund Zahlungsrückstand, so ist außerdem die Schuldner*innen-Beratung einzuschalten. Darüber hinaus wirkt die Stadt darauf hin, dass die Sozialbehörde nach Möglichkeit bei allen Fällen drohender Zwangsräumung eingeschaltet wird. Im Moment wird dies durch das Amtsgericht veranlasst, allerdings ausschließlich bei Räumungen wegen Zahlungsrückstands. Dieses Vorgehen ist derart auszuweiten, dass die Stadt auf die öffentlichen Wohnungsunternehmen hinwirkt, damit diese eine verbesserte, direkte Kommunikation mit der Sozialbehörde aufnehmen – und zwar unabhängig vom Räumungsgrund.
In den wenigen Fällen, in denen Räumungen nicht abzuwenden sind, muss in jedem Fall eine Ersatzwohnung angeboten werden, um eine angemessene Unterkunft zu gewährleisten. Darüber hinaus haben die öffentlichen Wohnungsgesellschaften den Auftrag, Menschen mit Wohnraum zu versorgen, die wegen Mietrückständen ihren Wohnraum verloren haben (und deshalb bspw. eine negative SCHUFA-Auskunft haben). Diese haben es meist noch schwerer, auf dem freien Wohnungsmarkt angemessenen und bezahlbaren Wohnraum zu finden.
Statt der Unterbringung in Notunterkünften beginnen einige Kommunen und Vereine momentan damit, Wohnungslose bedingungslos mit Wohnungen zu versorgen. Diese Projekte berufen sich auf das Konzept „Housing First“. Erste Projekte in Deutschland gibt es von der Stadt Berlin und dem Verein fiftyfifty/Asphalt e.V. aus Düsseldorf.
Zum 28. März 2020 erfolgt eine internationale Mobilisierung der Zivilgesellschaft für den Aktionstag gegen Mietenwahnsinn und Verdrängung „Housing Action Day“. Eine Forderung des breiten Bündnisses ist das Ende von Zwangsräumungen. Diesem Ziel schließt sich die Stadt Frankfurt an.
DIE LINKE. im Römer
Dominike Pauli und Martin Kliehm
Fraktionsvorsitzende
Antragsteller*innen
- Stadtv. Ayse Dalhoff
- Stadtv. Dominike Pauli
- Stadtv. Eyup Yilmaz
- Stadtv. Martin Kliehm
- Stadtv. Merve Ayyildiz
- Stadtv. Michael Müller
- Stadtv. Monika Christann
- Stadtv. Pearl Hahn