Der gemeinsame Feind steht rechts

40. Plenarsitzung der Stadtverordnetenversammlung am 27. Februar 2020

Tagesordnungspunkt 5: Entsetzen über Gewalt in Hanau – Konsens der Demokratinnen und Demokraten

Stadtverordnetenvorsteher Stephan Siegler:

Die nächste Wortmeldung ist von Frau Pauli von der LINKEN. Bitte!

Stadtverordnete Dominike Pauli, LINKE.:

Sehr geehrter Herr Stadtverordnetenvorsteher,

sehr geehrte Damen und Herren!

Es ist heute eines der seltenen Male, wo ich wirklich mit Herzklopfen in diese Rednerbütt gehe, und so viele Dinge auf dem Herzen und auf der Zunge habe, die ich dem Herrn Kößler gerne erwidern möchte. Ich möchte diesen Anlass heute nicht zu parteipolitischem Gezänk missbrauchen und mich deshalb auf ein paar wenige Dinge beschränken, doch zuvor: Frau Busch, Sie haben völlig recht, wir sind schon weit über den Anfang hinaus. Meine Fraktion im Bundestag hat angefragt, wie viele Fälle es im Jahr 2019 gegeben hat, Fälle islamfeindlicher motivierter Angriffe. Da war die Zahl 184, 184 Angriffe, das heißt, jeden zweiten Tag findet ein Angriff auf eine Moschee, auf eine Einrichtung oder auf muslimische Repräsentanten statt, und das ist nur diese Gruppe, die von rechter Gewalt betroffen ist. Dieser schreckliche Terrorakt in Hanau hat wieder einmal in aller Deutlichkeit gezeigt, wer Urheber ist und auf welchem furchtbaren Nährboden der rechte Gedankensumpf blüht, und alle, die heute sagen, man kann nicht den direkten Bogen von der AfD zu der Tat in Hanau ziehen, möchte ich noch einmal daran erinnern, was die Frau Weidel im Bundestag gesagt hat, sie hat von Burkas gesprochen, von Kopftuchmädchen, ich zitiere: von „alimentierten Messermännern und sonstigen Taugenichtsen“. Das ist die Wegbereitung dessen, was passiert ist.

(Beifall)

Das ist, was Merve vorhin genannt hat, die Markierung von Menschen, die Markierung von Menschen als unwert, als anders. Genau das macht Ihre Partei, und da können Sie sich hier mit Krokodilstränen hinstellen – wir nehmen Ihnen das nicht ab.

(Beifall)

Zur CDU nur einmal zwei Anmerkungen: Wir haben mehr gemeinsam als Sie glauben. Ich habe nämlich gerade einmal nachgeschaut. In dem ersten und einzigen frei gewählten Parlament in der DDR, das war 1990, hatte die CDU unter ihren Abgeordneten mehr Stasimitarbeiter als meine Vorgängerpartei.

(Beifall)

Ich empfehle Ihnen dringend, den Historiker Martin Rißmann zu lesen. Ich zitiere: „Personell ist die CDU ein ganzes Stück weit Nachfolgepartei nicht nur der Ost-CDU, sondern auch der SED.“ Wenn Sie sich Ihre eigenen Handreichungen einmal anschauen, die Ihre Partei herausgegeben hat – finden Sie in der Konrad-Adenauer-Stiftung – und einmal durchlesen und Ihre Geschichte aufarbeiten, werden Sie sehen, wie wahr das ist.

Dann komme ich jetzt zum Kern dessen, was ich hier heute Abend sagen möchte, und was mir wirklich schwer im Magen liegt. Ich denke, Hanau war das letzte Ereignis dieser Art, es gab ja schon ganz viele. Ich finde, anlässlich all dieser Ereignisse müssen wir uns klarmachen, dass sich der historische Fehler von vor 1933, nämlich die Zerstrittenheit der Demokratinnen und Demokraten, die einen geschlossenen Kampf gegen die Nazis verhindert hat, nicht wiederholen darf.

(Beifall)

Das sage ich auch eindeutig in Richtung CDU.

Meine Damen und Herren, ich würde sagen, für fast alle hier im Haus heißt es: Der Feind steht rechts, der gemeinsame Feind steht rechts. Um der CDU in diese Richtung noch eines mitzugeben und etwas gegen ihre Gleichsetzung entgegenzuwirken, möchte ich jemanden zitieren, der unverdächtig ist – Thomas Mann. Thomas Mann hat gesagt – ich zitiere mit Ihrer freundlichen Genehmigung: „Ich glaube, ich bin vor dem Verdacht geschützt, ein Vorkämpfer des Kommunismus zu sein. Trotzdem kann ich nicht umhin, in dem Schrecken der bürgerlichen Welt vor dem Kommunismus, diesem Schrecken, von dem der Faschismus so lange gelebt hat, etwas Abergläubisches und Kindisches zu sehen, die Grundtorheit unserer Epoche.“ Thomas Mann hat es geschrieben in einer Broschüre, die heißt: „Der Antibolschewismus – die Grundtorheit unserer Epoche“. Lassen Sie uns heute nicht den Fehler der 20er-Jahre machen. Lassen Sie uns heute zusammenstehen gegen die Gewalt und den Krach von rechts. Ernsthaft gegen rechts geht nur mit links und nur mit der Mitte. Es braucht Sozialisten und Christen, um das zu verhindern, was uns schon einmal passiert ist. Ich denke, vor diesem Hintergrund sollten Sie das eine oder andere, was Hufeisen anbelangt, noch einmal überdenken.

Vielen Dank!

(Beifall)

Hier können Sie die Rede als PDF-Datei herunterladen.

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