Nun sind Einige aufgeschreckt: Die ungewohnte zusätzliche Enge zu Hause auf Grund der Corona-Maßnahmen lassen ein Ansteigen der Häuslichen Gewalt befürchten. So wurde es in den letzten Tagen in den Medien thematisiert. Die Frauendezernentin Rosemarie Heilig hatte in einer Sondermeldung auf der Internetseite der Stadt Frankfurt am Main am 23.03.2020 auf die Notfall-Rufnummern mehrerer Frauenhilfsorganisationen hingewiesen. Dazu stellt die Stadtverordnete der Fraktion DIE LINKE. im Römer, Monika Christann, fest:
„Die Bekanntheit der Hilferufnummern ist wichtig. Häusliche Gewalt ist aber kein neues Phänomen, sondern ist in unserer patriarchalen Gesellschaft angelegt, in der Frauen* i.d.R. als Schwächere und dem Mann* Unterlegene angesehen werden.“
Genau diese bisherigen, weit verbreiteten Verhaltensweisen und Traditionen will aber die Konvention des Europarats, die „Istanbul-Konvention“, ändern. Deswegen haben die Staaten des Europarats einmütig 2011 in Istanbul umfangreiche Maßnahmen zur Verhütung und Bekämpfung geschlechtsspezifischer Gewalt verabschiedet. „Wenn alle Maßnahmen der Istanbul Konvention umgesetzt würden, kämen wir nach und nach zu einer besseren Gesellschaft, in der Gewalt und insbesondere geschlechtsspezifische Gewalt geächtet und strikt bekämpft wird“, führt Christann weiter aus.
Seit 2011 sind die umfangreichen Maßnahmen der Istanbul-Konvention bekannt, denn auch Deutschland hat die Konvention in Istanbul unterzeichnet. Ratifiziert wurde sie von Deutschland im Oktober 2017 und in Kraft ist sie als Bundesgesetz seit dem 1. Februar 2018; insbesondere ist sie in den Kommunen umzusetzen. Christann kritisiert: „Seit 2011 erleben wir, dass zwei verschiedene Frankfurter Koalitionen, erst „Schwarz-Grün“ und jetzt „Schwarz-Rot-Grün“, sich nicht um den Inhalt geschert haben. Eine verantwortungsvolle und vorausschauende Politik zur Prävention und strikter Bekämpfung geschlechtsspezifischer Gewalt kann ich bei den bisherigen Koalitionen der Stadt nicht erkennen.“
Warum haben die beiden letzten Koalitionen nicht die weitreichenden Maßnahmen der Konvention schon 2011 „pro-aktiv“ aufgenommen? Warum haben sie erst neun Jahre darauf gewartet, bis DIE LINKE Druck macht und immer wieder auf die zwingende Umsetzung der Kommunen hinweist? Warum wird abgewartet und die Verantwortung zum großen Teil auf das Land Hessen – das herzlich wenig unter der schwarz-grünen Regierung zur Umsetzung der Konvention tut – und auf den Bund verlagert? 35 Millionen, welche die Bundesministerin Giffey u. a. für „Runde Tische“ oder mehr Frauenhausplätze bundesweit zur Verfügung stellt, sind viel zu wenig, zumal es auf allen föderalen Ebenen an einem Gesamtkonzept und den geforderten Koordinierungs- und Monitoringstellen fehlt.
Nun werden Stimmen laut, dass in den Zeiten harter Corona-Maßnahmen mit häuslicher Isolation die Not von Gewalt betroffener Frauen* und Mädchen* noch größer wird. Davon ist auch Christann überzeugt und führt weiter aus: „Es ist zu befürchten, dass bei den Corona-Maßnahmen mit dem weitgehenden Zwang, die nächsten Wochen und ggf. Monate zu Hause zu bleiben, in vielen Fällen die latent vorhandene Gewaltbereitschaft in die Tat umgesetzt wird. Es offenbart das Versagen auch der Frankfurter Koalitionen, welche die Umsetzung der Konvention bisher nicht in Angriff genommen haben. Zwar liegen die ersten Etatanträge vor und wurden in der Stadtverordnetenversammlung am 26.03.2020 verabschiedet. Jedoch ist jahrelang viel wertvolle Zeit verloren gegangen und die Etatanträge spiegeln nur einen Bruchteil des tatsächlichen Bedarfs wider. Erschwert wird die Situation noch von der katastrophalen Frankfurter Situation mit dem Mangel an bezahlbarem Wohnraum. Frauen, die sich halbwegs wieder nach einer Gewaltsituation und Aufenthalt im Frauenhaus stabilisiert haben, möchten gerne wieder ausziehen, finden aber keinen bezahlbaren Wohnraum. Es ist schon seit längerem bekannt, dass die Frauenhäuser deshalb fast immer neue Frauen in Not abweisen müssen.“
Die Situation spitzt sich weiter zu, denn eventuell frei werdende Plätze können nicht mehr wegen des sozialen Abstandsgebots wieder belegt werden. Gemeinschaftsküchen und -bäder hindern die Bewohnerinnen jetzt schon daran, den nötigen Corona bedingten Abstand zu wahren. Forderungen, gerade in dieser Situation gewaltbetroffene Frauen* aufzunehmen und jeden Platz zu belegen, sind deswegen absurd.
Bei den aktuellen Anordnungen zum Schutz vor den Corona-Viren wurde nicht an eine Notstandsverordnung in Bezug auf das Gewaltschutzgesetz gedacht: Die Wegweisung eines Täters von der Wohnung von ein bis zwei Wochen reicht keinesfalls aus. Eine Forderung aus dem Frauenhaus ist, dass die Wegweisung mindestens acht Wochen betragen müsste; ggf. sogar länger. Nicht die von Gewalt betroffenen Frauen* und ihre Kinder sollen ihre Wohnung verlassen müssen, um in derzeit leerstehende Hotels zu gehen, sondern die Täter.
Christann fordert die Koalition aus CDU, SPD und Grünen auf, die Istanbul-Konvention strikt umzusetzen und sich nicht mehr darum herum zu mogeln , indem ein großer Teil der Verantwortung sowohl politisch als auch finanziell auf das Land oder den Bund abgeschoben wird.