Plenarsitzung der Stadtverordnetenversammlung am 2. Juli 2020
Tagesordnungspunkt 5: Messestandort Frankfurt stärken
Stellvertretende Stadtverordnetenvorsteherin Dr. Renate Wolter-Brandecker:
Danke schön, Herr Mund! Es folgen Herr Müller für LINKE.-Fraktion und Frau Wüst für die FDP-Fraktion. Bitte!
Stadtverordneter Michael Müller, LINKE.:
Frau Vorsteherin,
meine sehr geehrten Damen und Herren!
Ich fange einmal mit zwei positiven Botschaften an. Die Rede meines Vorredners, Herrn Mund, wird folgenlos bleiben, es wird sich nichts ändern an der Position des Aufsichtsrats der Messe Frankfurt. Die andere gute Botschaft, die ich Ihnen jetzt noch überbringe, auch die Rede des Oberbürgermeisters Peter Feldmann wird völlig folgenlos bleiben. Das ist nicht gut. Es ist deswegen nicht gut, weil wir jetzt eine Stunde, quasi zur Primetime, über was gesprochen haben? Ich habe mich gefragt, als die Tagesordnung kam, okay wir reden über die Messe, das ist die größte Pandemie, die größte Krise, warum reden wir darüber?
Dann habe ich auf Ihre Rede gewartet, weil der Bericht nichts hergibt, die Anfrage der FDP gibt nichts her. Dann höre ich Ihnen zu, knapp 30 Minuten, ich schreibe mit, was Sie sagen – ich werde später noch darauf zu sprechen kommen, warum ich ausführlich mitgeschrieben habe -, dann muss ich feststellen, Ihre Rede war inhaltsleer. Das Schlimme ist, sie ging an den Bedürfnissen der Menschen in Frankfurt vorbei. Sie haben einen Satz gesagt, Sie wollen den Menschen die Angst vor der Pandemie nehmen, aber das gelingt doch nicht so, das gelingt doch nicht mit einer Rede, die derart von Selbstüberschätzung trieft, mit einer Rede, die nichts, aber auch nichts dazu beiträgt, um die Sorgen und Nöte der Menschen zu lindern.
Es waren Allgemeinplätze und es war ein bisschen der Versuch, glaube ich, Herr Oberbürgermeister, so ähnlich zu wirken, wie die Presseerklärungen der Messe Frankfurt, weil ich da doch gelesen habe, dass bei der Fashion Week Frankfurt zum neuen Hotspot der internationalen Fashion- und Lifestyle-Szene wird. Ich glaube, die Fashion- und Lifestyle-Szene der Welt hat von dieser Presseerklärung nicht einmal Notiz genommen.
(Beifall)
Dann stand bei der Messe Frankfurt und ihrer Presseerklärung „Frankfurt wird die neue Fashionmetropole auf Augenhöhe mit New York und Mailand“.
(Heiterkeit)
Sie merken, selbst jetzt wird noch darüber gelacht, obwohl die Presseerklärung schon drei Wochen alt ist. Auf diesem Niveau haben Sie sich dann durch Ihre Rede gehangelt, indem Sie dann Sätze gesagt haben, wie toll alles wäre, Frankfurt wird die Nummer eins – vielleicht wären Sie dann gerne die Nummer eins -, aber das ist doch völlig an der Realität und an der bedrohlichen Lage der Menschen vorbei argumentiert. Das darf sich ein Oberbürgermeister der Stadt Frankfurt nicht erlauben.
(Beifall)
Das darf er sich deshalb nicht erlauben, weil heute um 15:30 Uhr die Sozial- und Erziehungsdienste für mehr Geld demonstriert haben, die haben geschildert, wie schwierig deren Lage ist. Er darf es sich deswegen nicht erlauben, weil ich Anfang der Woche mit der Frühschicht von Günther & Co demonstriert habe, deren 200 Jobs stehen auf dem Spiel. Sie waren auf der Zeil bei Karstadt und Kaufhof dabei, die Sorgen der Beschäftigten haben Sie gehört, dann kommt aber zur Primetime der Stadtverordnetenversammlung diese Debatte. Ja, die Frankfurter Messe ist wichtig, ja, es hängen Arbeitsplätze dran, ja, es trifft die Taxifahrerinnen und Taxifahrer, das Hotel- und Gaststättengewerbe. Das wissen wir doch, aber war da substanziell etwas dabei, was den Menschen akut in ihren Nöten hilft? Ich glaube nicht.
Dann muss ich Ihnen schon einen Satz noch einmal präsentieren, vielleicht können Sie darauf noch antworten. Sie haben tatsächlich gesagt, es ist schon verdammt schwer, hier in dieser Stadt arbeitslos zu werden. Wissen Sie eigentlich, wie viele Menschen es verdammt schwer haben, in Frankfurt einen Job zu finden? Wissen Sie, wie viele zu Niedriglöhnen arbeiten?
(Beifall)
Wissen Sie eigentlich, wie viele Menschen jetzt im Zuge der Pandemie alles in Kauf nehmen, nur um ihre Jobs zu behalten? Dann sagen Sie, es war noch nie so schwer, in Frankfurt arbeitslos zu werden. Das stimmt nicht. Das stimmt schlicht und ergreifend nicht. Ich glaube, da haben Sie sich einfach nur mit dieser Aussage geirrt Herr Feldmann. Ich hoffe es für Sie. Frau Wüst kann dann noch darauf eingehen.
Es wurde dann noch Christian Lindner zitiert. Ja, er hat gepostet, ich habe es bei Twitter gesehen, indem er indirekt Frankfurt gefeiert hat, aber in Wirklichkeit – und wenn Sie sich mit der Berliner Politik beschäftigen, würden Sie es wissen – war dieser Tweet nichts anderes als ein Angriff auf die rot‑rot‑grüne‑Koalition in Berlin, wo die FDP in der Opposition ist, im Abgeordnetenhaus sitzt. Lindner hat nämlich seine Parteifreunde gestärkt, indem er uns vermeintlich Honig ums Maul geschmiert hat, aber in Wirklichkeit war es ein Angriff auf die Wirtschaftspolitik des Berliner Abgeordnetenhauses und der Berliner rot‑rot‑grünen Regierung, nicht zu Recht, überhaupt nicht zu Recht.
(Zurufe)
Ich hätte aber an Ihrer Stelle nicht das Argument für die Größe Frankfurts ins Feld geführt. Ich glaube, das hat Christian Lindner nicht so gemeint.
Dann komme ich noch zu etwas, was auch schon gesagt wurde, dabei geht es um das Kreativfestival. Dazu nenne ich Ihnen einmal vier Punkte. Es gab die Ankündigung eines Kreativfestivals, es gab die Richtigstellung einer Buchmesse, es gab die Stellungnahme einer Musikmesse und es gab die Absage einer Pressekonferenz. Dazu haben Sie nichts gesagt, aber diese vier Punkte haben im Ergebnis etwas hinterlassen, nämlich Verunsicherung, keinen Kurs, Unklarheit, Irritationen. Das hat nichts damit zu tun Frankfurt groß zu machen, das hat nichts zu tun, den Messestandard zu stärken. Das ist ein bisschen vorschnell, das ist dann zurückrudern und am Ende irgendwie versuchen, es vielleicht nicht gewesen zu sein. Das hilft aber nicht.
Ich bin ganz bei Ihnen, dass die Frankfurter Buchmesse gebraucht wird. Ja, ich bin auch bei Ihnen, dass wir gemeinsam gegen die IAA in ihrer damaligen Form demonstriert haben. Ich bin auch bei Ihnen, wenn Sie mit „Ende Gelände“ solidarisch sind. Das hat der Herr von der BFF einfach nicht verstanden. Da bin ich voll bei Ihnen, aber bei Teilen Ihrer Rede war ich eben nicht mehr bei Ihnen, deswegen hat mich das ein bisschen ratlos zurückgelassen. Ich finde, Ratlosigkeit können wir uns in dieser Pandemiezeit, die noch nicht zu Ende ist, nicht leisten.
Vielen Dank!
Hier können Sie die Rede als PDF-Datei herunterladen.