Zum Polizeiskandal erklärt Martin Kliehm, rechtspolitischer Sprecher der Fraktion DIE LINKE. im Römer:
„Bereits im Februar 2019 kündigte der Frankfurter Polizeipräsident Gerhard Bereswill im Rechtsausschuss an, dass alle Polizeibeamt*inÂnen zwingend nur noch ihre eigenen Zugangsdaten benutzen müssen, dass das protokolliert und Verstöße geahndet würden. Jetzt zeigt sich, dass im März 2019 und bis heute mindestens in Wiesbadener Polizeirevieren weiterhin Zugangsdaten geteilt wurden, ohne Konsequenzen für die Beamt*innen. Auch noch nach den Morddrohungen gegen die Rechtsanwältin Seda Basay-Yildiz war es möglich, dass Rechtsextreme über ihre Netzwerke in der Polizei illegal persönliche Daten abfragen konnten. Entweder waren das nur Lippenbekenntnisse von Herrn Bereswill, oder er hat versagt, das hessenweit mit den anderen Polizeipräsidien abzusprechen und umzusetzen.“
Kliehm erklärt: „Die beteiligten Beamt*innen schweigen bis heute. Auch zwei Jahre nach den ersten Morddrohungen aus der Polizei liegen noch keine Ermittlungsergebnisse vor, obwohl damals schnell öffentÂlich wurde, dass die Beamtin, die bei der Abfrage am Dienstrechner angemeldet war, auch Beteiligte einer Chatgruppe war, in der hessische Polizisten übelste Nazipropaganda geteilt haben.“
Thematisiert werden müsste auch der Zusammenhang zwischen Rechtsextremismus und Antifeminismus: „Es ist sicher kein Zufall, dass sich die jüngsten der Gruppe „NSU 2.0“ zugeschriebenen Morddrohungen ausschließlich gegen starke, menschenrechtlich, antifaschistisch, politisch engagierte Frauen richten: Seda Basay-Yildiz, Janine Wissler, Martina Renner, Anne Helm, Idil Baydar, Helin Evrim Sommer. Wir müssen uns solidarisieren mit ihnen und diese toxische Männlichkeit bekämpfen!“
„Hohe Erwartungen hatte der Frankfurter Polizeipräsident an die Hessische Ombudsstelle für Polizeibedienstete, bei der Straftaten im Dienst vertraulich angezeigt werden können. Wenn aber die Leiterin des LKA und der zurückgetretene LandespolizeiÂpräsident Anzeige wegen VerletÂzung von Dienstgeheimnissen stellen, weil der Presse nach jahreÂlanger Untätigkeit Informationen zugespielt wurden, ist etwas mit der Fehlerkultur bei der Hessischen Polizei grundÂfalsch. Wie ist es um den Schutz von Whistleblowern bestellt, wenn die DienstÂobersten selbst gegen eine öffentliche Aufarbeitung vorgehen?“, fragt Kliehm skeptisch. „Bemerkenswert ist doch auch, dass selbst die scheinbar unbeteiÂligten Kolleg*innen wegschauen und Neonazis in ihren eigenen Reihen dulden. Ohne das Schweigen der anderen würden sich die Täter*innen nicht so sicher fühlen, dass sie weiterhin von Dienstrechnern Abfragen machen und von Dienstfaxen Drohungen verschicken. Dieser Korpsgeist muss durchbrochen werden“, so Kliehm weiter.
Auch wenn mit dem Landespolizeipräsidenten ein erstes Bauernopfer gehen musste, sei klar, dass sich der Polizeiskandal noch ausweiten werde und endlich weitreichende Konsequenzen gezogen werden müssten. Kliehm abschließend: „Innenminister Beuth hat den Laden offenbar nicht im Griff. Die Chance, von innen Veränderungen zu erreiÂchen, hat die Polizei vertan. Es handelt sich ganz offensichtlich nicht um „Einzeltäter“, sondern um ein strukturelles Polizeiproblem. Jetzt ist es an der Zeit, weitere Konsequenzen zu ziehen und echte Reformen zu ergreifen, Kontinuitäten zu brechen. Notfalls wie in Minneapolis und beim KSK. Wir müssen entschlossen gegen Faschisten in Uniform vorgehen. Das bisherige Personal hat jede VertrauensÂwürdigkeit verspielt.“