50. Plenarsitzung der Stadtverordnetenversammlung am 10. Dezember 2020
Aktuelle Stunde zu Frage Nr. 2990: Welche konkreten Maßnahmen hat der Magistrat ergriffen, damit die Zeil wieder ohne Gefahr für Leib und Eigentum von jedermann begangen werden kann, unabhängig von Hautfarbe, Religion, Geschlecht oder sexueller Orientierung?
Stellvertretender Stadtverordnetenvorsteher Ulrich Baier:
Als Nächste spricht Frau Hahn, erste Runde. Bitte schön! Im Anschluss folgt dann Frau Busch mit der zweiten Runde für die SPD‑Fraktion. Frau Hahn, Sie haben das Wort. Bitte!
Stadtverordnete Pearl Hahn, LINKE.:
Sehr geehrter Herr Stadtverordnetenvorsteher,
sehr geehrte Damen, Herren und Diverse!
Die Anzahl der deutschlandweit polizeilich erfassten Delikte gegen die sexuelle Orientierung steigt seit Jahren. 2007 gab es zum Beispiel 63 Delikte, davon 19 Gewaltdelikte. 2019 gab es 576 erfasste Delikte, davon 151 Gewaltdelikte. Die Dunkelziffer ist weitaus höher, die Zahlen sind daher sehr begrenzt aussagekräftig. Sie können sogar davon ausgehen, dass die Dunkelziffer extrem hoch ist, weil die von sexualisierter Gewalt und die von Gewalt gegen die sexuelle Orientierung betroffenen Menschen es nicht zur Anzeige bringen – sie Angst haben, weil sie sich nicht wohlfühlen, weil sie sich nicht gut aufgehoben fühlen. Wir werden das Problem Transfeindlichkeit nicht durch mehr Polizei beheben können. Die Polizei braucht Sensibilisierung beim Thema Transsexualität. Denn es ist zum Beispiel traumatisierend, wenn eine Transperson, die mitten in der Transition ist und ihr Erscheinungsbild nicht das Geschlecht zeigt, das im Ausweis steht, dann bei der Polizei falsch gegendert wird. Lösungen könnten zum Beispiel Fortbildungsmaßnahmen für Polizeibeamtinnen und -beamte darstellen. Sicherheit wird auch nicht gewährleistet, indem wir einfach nur mehr Ãœberwachungskameras aufstellen. Was wir brauchen, sind nicht nur Ãœberwachung und Strafen, sondern auch eine gesellschaftliche Veränderung. Sie dürfen nicht vergessen: Die meisten Gewalttaten passieren nicht im öffentlichen Raum, sondern im privaten. Das bedeutet, wir brauchen Aufklärungsarbeit. Aufklärungsarbeit ist wichtig. Wir müssen in den Schulen und in unseren Betrieben Aufklärungsarbeit leisten. Wir müssen eine positive, vielfältige Darstellung von Transsexualität und transsexuellen Menschen in den Medien schaffen. Aufklärungsarbeit bedarf Strukturen und Strukturen benötigen Finanzierungen. Solche Strukturen für Aufklärung und Antidiskriminierungsarbeiten brauchen fest zugesicherte Finanzierungen. Als es um den Haushalt ging, hatten wir in der Vergangenheit oftmals auch Schwierigkeiten, genau diese Strukturen explizit zu fördern. Wenn es im nächsten Jahr wieder um den Haushalt geht, wäre das eine Maßnahme. Lasst uns Antidiskriminierungsstrukturen finanzieren. Diese Strukturen müssen auch ausgeweitet werden. Mehr Stellen müssen geschaffen werden und mehr Geld muss fließen, damit wir Strukturen aufbauen können, die überall Aufklärungsarbeit ermöglichen – in unseren Schulen, in unseren Betrieben, in unseren Behörden und überall. Ich meine, Herr Bäppler-Wolf hat das Wesentliche eigentlich erfasst. Was heute pervers ist, ist doch die Tatsache, dass die BFF die Diskriminierung von einer Gruppe nutzt, um Diskriminierung und Hetze gegen eine andere Gruppe zu betreiben. Das ist ekelhaft. Das ist ziemlich ekelhaft.
(Beifall)
Stellvertretender Stadtverordnetenvorsteher Ulrich Baier:
Kommen Sie bitte zum Ende.
Stadtverordnete Pearl Hahn, LINKE.:
(fortfahrend)
Okay, noch einen Satz: Wir dürfen nicht vergessen, dass es so etwas wie Mehrfachdiskriminierung gibt. Es gibt queere Menschen mit Migrationshintergrund. Ich10 finde es richtig ekelhaft, wie wir heute beim Thema Diskriminierung eine Aufteilung in „die weißen Queeren“ und die „transfeindlichen Migranten“ vornehmen. So ist es nicht.
(Beifall)
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