50. Plenarsitzung der Stadtverordnetenversammlung am 10. Dezember 2020
Aktuelle Stunde zu Frage Nr. 2988: Wurde jemals in Erwägung gezogen, die Apotheke im Klinikum Höchst im Neubau zukunftsfähig zu gestalten, oder wird der Umzug des Klinikums genutzt, um weiterhin das neoliberale Dogma der Privatisierung und Ausgliederung staatlicher Daseinsvorsorge zu verfolgen?
Stellvertretender Stadtverordnetenvorsteher Ulrich Baier:
Ich sehe im Moment keine weitere Anmeldung zu dieser Aktuellen Stunde. Dann rufe ich die nächste Aktuelle Stunde auf, die Aktuelle Stunde Nummer fünf, angemeldet von der LINKEN. zu der Frage Nr. 2988, Apotheke im Klinikum Höchst.
Ich vermute, dass Frau Pauli zu diesem Thema sprechen wird. Bitte schön, Frau Pauli, Sie haben das Wort!
Stadtverordnete Dominike Pauli, LINKE.:
Sehr geehrter Herr Stadtverordnetenvorsteher,
sehr geehrte Damen und Herren!
CDU und GRÜNE wollen die Krankenhausapotheke in Höchst privatisieren und wir LINKE sind dagegen. Warum? Das Krankenhaus Höchst ist ein Haus der Maximalversorgung, deshalb braucht es eine eigene und leistungsfähige Apotheke, wie fast alle Krankenhäuser der Maximalversorgung in Deutschland. Etliche Medikamente, zum Beispiel bei der Krebsbehandlung, können nicht fertig gekauft, sondern müssen für jeden Patienten einzeln hergestellt werden. Ohne eigen Apotheke müssen die Arzneien von einem privaten Anbieter bestellt und geliefert werden. Patientinnen und Patienten können dann, egal was Sie sagen, Herr Majer, ich habe da andere Informationen aus der Klinik, nicht mehr sicher an einem Tag diagnostiziert und behandelt werden, sondern müssen bis zu viermal im schlimmsten Fall in die Klinik kommen. Das ist besonders für kranke Menschen eine sehr schwere Belastung.
Ohne eigene Apotheke ist sogar die Zertifizierung für onkologische Bereiche in Gefahr. Studien und Fachleute betonen zunehmend, wie wichtig eine Krankenhausapotheke ist, auch weil es immer wieder Lieferengpässe gibt. Die Skandale rund um Herstellung und Verkauf von Zytostatika unterstreichen die Bedeutung der Kompetenz zur Herstellung von Medikamenten.
Apotheken werden auch immer wichtiger, weil moderne Klinikkonzepte ihre Rolle in den Fokus rücken, zum Beispiel mit dem von der Bundesregierung begleiteten Projekt „Apotheker auf Stationen“. Dazu schreibt der Gesundheitsdezernent in einer Antwort auf unsere entsprechende Anfrage, dass die Ausweitung einer solchen pharmazeutischen Leistung unter den Gegebenheiten unrealistisch sei. Das Argument sollte sich eigentlich mit dem Umzug in den Neubau erledigen. Das Potenzial, das in diesem Projekt steckt, ist Ihnen gleichgültig oder Sie sehen es nicht. Klinische Apotheken auf Stationen würden die Patientinnen und Patienten und die Arzneimittelsicherheit enorm verbessern und Ärztinnen und Ärzte und Pflegerinnen und Pfleger erheblich entlasten. Ein solches Projekt wäre ein großer Standortvorteil für das Krankenhaus Höchst.
Zur Bedeutung von Krankenhausapotheken hier ein Zitat aus der Publikation Health and Care vom 06.03.2018 über eine Befragung von 500 deutschen Krankenhäusern. Ich zitiere: „Hervorgeht daraus, dass die Arzneimittelsicherheit immer stärker in den Fokus des medizinischen Versorgungsauftrages rückt. Dadurch wird die Rolle der Apotheke weiter aufgewertet, vom Beschaffer und Verteiler von Arzneimitteln hin zum Garanten für eine risikofreie Patientenversorgung.“
Sie, meine Damen und Herren von CDU und GRÜNEN, wollen jetzt das Gegenteil machen. Wir alle wissen, Krankenhäuser werden in Deutschland nicht ausreichend finanziert und verursachen Zusatzkosten. Für Höchst waren das einmal 12 Millionen Euro, aber zwei Jahre davor auch schon einmal nur vier Millionen Euro, inklusive immenser Energie- und Erhaltungskosten für den maroden Altbau. CDU und GRÜNE verlangen aber, dass sich ein Krankenhaus mindestens selbst trägt, aber besser noch Gewinn erzielt. Und interessant dabei ist, meine Damen und Herren, Kosten bei Feuerwehr, Schulen oder städtischen Bühnen akzeptieren Sie, aber ausgerechnet bei einem Krankenhaus nicht. Bei den anderen ist nicht die Rede vom besten Preis, Herr Majer, da wird gezahlt. Was auch richtig ist in unserem Sinne, aber für ein Klinikum eben auch.
Die Argumente für die Privatisierung sind die Gleichen, die wir seit Jahren von Privatisierungsprofis hören. Billiger und besser. Billiger geht immer auf Kosten des Personals, aber Ihnen ist das wohl egal. Weder besser, noch zuverlässiger, noch billiger ist es je geworden und schon gar nicht alle drei Sachen zusammen. Und warum glauben Sie, dass ein Pharmalieferant diesen Auftrag gerne übernimmt? Weil es ein sicheres Geschäft ist. Weil viel Geld mit den drei Häusern verdient werden kann. Ist es nicht genug, der Familie Rethmann die Hälfte der Gewinne der FES in den Rachen zu werfen? Möchten Sie jetzt noch einen anderen Irrweg dieser Art gehen?
Die Verbundkliniken in Bad Soden und Hofheim haben ein viel geringeres Leistungsspektrum und könnten in Zukunft von Höchst mitversorgt werden. Dazu haben Sie gesagt, Herr Majer, das rechne sich mangels Masse nicht. Diese Berechnungen dazu würde ich gerne einmal sehen, genauso wie die Patientenbefragung über die angebliche Zufriedenheit mit der Küche. In vielen Gesprächen mit Beschäftigten habe ich entnommen, dass es mit der Auslagerung, zum Beispiel des Zentrallagers, große Probleme gibt. Extreme Lieferschwierigkeiten bei alltäglichen Verbrauchsmitteln wie Handschuhen und Blutabnahmeröhrchen. Vielleicht sollten Sie, Herr Majer, einmal mehr mit den Beschäftigten selbst reden, ohne die Anwesenheit der Geschäftsleitung, anstatt nur mit der Geschäftsführung und einschlägigen Beratern, dann divergieren auch vielleicht unsere Informationen nicht mehr so sehr.
Manche falschen Entscheidungen haben fatale Langzeitwirkungen. Zum Beispiel die vom grünen Dezernenten Tom Koenigs, das Frankfurter Immobilientafelsilber zu verscherbeln. Heute sucht die Stadt händeringend nach Grundstücken für Wohnungs- und Schulbau. Meine Damen und Herren von der SPD, ich bitte Sie, bleiben Sie standhaft. Sie wollen genau wie wir, so haben Sie es jedenfalls im Gesundheitsausschuss gesagt, die Apotheke erhalten, streiten Sie dafür im Magistrat und auch im Aufsichtsrat. Die Vergabe der Apothekenleistung der Main‑Taunus-Kliniken endet am 30.06.2022. Zeit genug für Höchst, sich vorzubereiten. Lösen Sie keine gut funktionierenden Strukturen auf, um sie durch die schlechteren der Main-Taunus-Kliniken zu ersetzen. Ansonsten ist der Neubau schon bei Bezug eine leere Hülle und der Standort Höchst, der den Klinikverbund deutlich stärker finanziert, pleite. Das wollen wir LINKE nicht.
Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit und entschulden Sie, dass ich so schnell durchgerattert bin, sonst hätte ich das alles nicht untergebracht.
Danke sehr!
(Beifall)
Stellvertretender Stadtverordnetenvorsteher
Ulrich Baier:
Die erste Rednerin für die zweite Runde ist Frau Stadtverordnete Pauli von der LINKE.-Fraktion. Ab der zweiten Runde haben Sie verabredungsgemäß nur noch zwei Minuten Redezeit. Bitte, Frau Pauli!
Stadtverordnete Dominike Pauli, LINKE.:
Frau Ross, weil Sie es jetzt schon zum zweiten Mal falsch dargestellt haben, im Ausschuss für Soziales und Gesundheit auch schon: Wir haben gegen den Zusammenschluss, gegen die Fusion gestimmt und nicht dagegen, dass das Krankenhaus in kommunaler Trägerschaft bleibt oder ist. Wenn Sie das hier so falsch darstellen, dann nehme ich das als Nebelkerze, die Sie werfen, um von eigenen Verwerfungen abzulenken. Ich finde es ziemlich unfair. Sie unterstellen mir Zynismus, wenn ich den Gesundheitsdezernenten kritisiere. Ich kann Ihnen sagen, Zynismus ist weit entfernt von dem, was ich von unserem Gesundheitsdezernenten halte. Aber das, was Sie machen, ist absolut unfair, und Gott sei Dank glaubt es ja auch kein Mensch, weil jeder weiß, dass DIE LINKE für kommunale Krankenhäuser ist, im Gegensatz zu den GRÜNEN.
Danke!
(Beifall)
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