4. Plenarsitzung der Stadtverordnetenversammlung am 15. Juli 2021
Stadtverordneter Michael Müller, LINKE.:
Frau Vorsteherin,
meine sehr geehrten Damen und Herren!
Wie Sie gemerkt haben, teilen wir uns die Redebeiträge auf, um das Ganze etwas diskursiver zu machen. Das gibt auch die Möglichkeit, auf das Gesagte noch einmal einzugehen. Doch zunächst lassen Sie mich sagen, dass seit sechs Monaten in Frankfurt
Stillstand herrscht. Es gibt eine durchaus chaotische Koalitionsfindung und merkwürdige Personalfindungen. Gerade eben hat uns die Vertreterin von Volt auch gesagt, man will
neue Wege gehen. Ich bin gespannt, wohin der Weg noch führt. Insgesamt kann man
doch bilanzieren, dass der Lack dieser neuen Koalition bereits ab ist, bevor er getrocknet
ist. Sie simulieren Aufbruch, wo keiner ist. Sie suggerieren ein gemeinsames politisches
Projekt, wo keines ist, und Sie werden damit den anstehenden Herausforderungen für
Frankfurt am Main auch nicht gerecht. Das erinnert uns stark an die vergangenen fünf
bleiernen Jahre, als CDU, SPD und GRÜNE für Frankfurt regiert haben. Es sind drei Parteien, die seit Jahrzehnten die Geschicke dieser Stadt kontrollieren und damit auch
verantwortlich sind für die Fehlentwicklungen, die es gibt. Lassen Sie mich nun aber doch
auf einiges eingehen und manches konkretisieren. Der Kollege der FDP hat vollmundig behauptet, es ist eine Mauritiuskoalition. Na ja, der Kollege Kößler hat gesagt, es ist eine Linksregierung. Wissen Sie, wo die Verbindung zwischen Mauritius und Linksregierung ist?
(Zurufe)
Mauritius wird tatsächlich von einem Sozialisten regiert. Der Premier ist nämlich Chef des
Mouvement Socialiste Militant. Frankfurt wird nicht von links regiert.
(Beifall)
Frankfurt wird von einer Zweckregierung regiert, das ist nicht links. Dem Kollegen der FDP sage ich, na ja, wenn er sich Mauritius, eine militante Linksregierung, als Vorbild
nimmt, dann besteht ja noch Hoffnung bei der FDP, dass sie doch nicht so weit nach rechts rückt wie in der Vergangenheit.
(Beifall)
Lieber Herr Kößler, Sie haben am Ende beschlossen, Sie wollen jetzt die Stimme der
Vergessenen sein, die Stimme der neuen Vergessenen in der neuen Koalition. Okay.
Das ist aber Hohn für all die Menschen, die Sie tatsächlich vergessen haben die letzten
15 Jahre, in denen Sie regiert haben. Das sind die Obdachlosen, das sind die Refugees, das sind die marginalisierten Menschen in dieser Stadt, für die Sie nie etwas übrig gehabt haben.
(Beifall)
Jetzt scheinheilig von den Vergessenen zu sprechen, ist blanker Hohn. Das lässt tief
blicken, dass die CDU nicht angekommen ist in der Rolle der Opposition. Wenn Sie dann
auch gesagt haben, das jetzt von der neuen Regierung die Menschen, die einen Kleingarten besitzen, abgeschafft werden, dann ist das banaler Bullshit.
(Beifall)
Es ist tatsächlich so, dass Sie die Realität der Menschen ausblenden, weil Sie sich noch nie
dafür interessiert haben. Von daher werden Sie nicht die soziale Opposition sein, das sind wir. Sie werden weiterhin schlingernd Ihren Kurs suchen und am Ende vielleicht rechts andocken. Da sage ich Ihnen auch noch etwas an die AfD gerichtet. Es ist obszön und es hat mich zutiefst beschämt, dass Sie tatsächlich eine Reihe machen vom CDU-Kämmerer zum rechtsaußen Glaser. Das ist absolut nicht akzeptabel. Ich habe sehr viele Konflikte mit Herrn Kämmerer Becker gehabt. Ja, wir haben in der Sache gestritten. Aber was wirklich nicht geht ist, ihn da in eine Reihe zu stellen, weil er tatsächlich glaubhaft gegen Antisemitismus war und glaubhaft auch gegen Sie am rechten Rand gekämpft hat.
(Beifall)
Weil eines klar sein muss für uns die nächsten fünf Jahre: Die Gefahr kommt von rechts.
Lieber Herr Kößler, da hilft die Äquidistanz nicht, die Sie aufmachen, indem Sie hier einfach einmal sagen, weder Anträge der LINKEN. noch der AfD behandeln wir. Das
suggeriert, dass beides gleich ist. Damit bagatellisieren Sie die Gefahr von rechts. Denken Sie darüber nach.
(Beifall
Insgesamt war mir diese ganze Auseinandersetzung sehr unpolitisch. Tatsächlich, ich
erinnere uns jetzt alle an den Eingangsbeitrag des Kollegen Bakakis, der gesagt hat,
wie wir doch alle schätzen gelernt haben, wie wir mit allen gut gearbeitet haben, und es ist
eigentlich so schwierig, jemanden abzuwählen, liebe Leute, wenn Ihr so Politik erklärt,
dann dürft Ihr euch nicht über Politikverdrossenheit wundern. Das ist unpolitisch. Das ist
ein Diskurs, der den Menschen nicht hilft.
(Beifall)
Jetzt schüttelt Frau Zapf-Rodriguez den Kopf, dann sagen Sie vielleicht in einem zweiten
Beitrag, warum Sie den Kopf schütteln, weil es doch Differenzen gab, und weil Sie nicht alle gleich geschätzt haben. Jetzt regieren Sie beliebig mit der FDP, die schätzen Sie auch. Was schätzen Sie denn nicht, liebe GRÜNE?
(Beifall)
Sie schätzen nicht das Einstehen für effektiven Klimaschutz, weil das mit der FDP nicht
geht. Ich erinnere jetzt kurz noch einmal als Orientierung: Wir hatten im Haupt- und Finanzausschuss eine Diskussion über Sparkassenfilialen. Die werden geschlossen, das ist schlecht für die Menschen. Die SPD sagt, eigentlich hat die LINKE. recht, da müssen wir etwas tun. Die GRÜNEN sagen, ja, da muss man etwas tun, aber keinen Antrag. Man kann ja einmal zum Hörer greifen. Die FDP, wisst Ihr, was die sagt? Die sagt, der Markt regelt das. Das ist doch okay, der Markt entscheidet es. Das sind die Prämissen für die nächsten fünf Jahre, deswegen wird es nichts mit dem Klimaschutz und mit dem sozialökologischen Umbau in dieser Stadt, und deswegen sind es Worthülsen. Ich sage Ihnen und euch, Ihr habt euch für die falschen Partner entschieden. Das ist zum Nachteil für die Menschen in Frankfurt. Von daher ist diese Abwahl kein Neuanfang. Es ist tatsächlich so, dass Ihr eingezwängt seid. Sie freuen sich, Herr Pürsün, dass Sie mitregieren, und Sie freuen sich, dass Sie der Regierung einen Stempel aufdrücken konnten mit dem Finanzierungsvorbehalt. Man hat die CDU durch die FDP ersetzt, aber die grundlegenden Prämissen werden nicht geändert, und von daher ist es kein Neuanfang, der hier verbunden ist. Von daher werden wir weiter konsequent eine linke soziale Opposition sein, weil die braucht es in dieser Stadt für die Menschen.
Vielen Dank, meine Damen und Herren!
(Beifall)