Die neue Stadtregierung ist jetzt schon aufgrund der Zusammensetzung der Koalition zum Stillstand und Scheitern verurteilt!

5. Plenarsitzung der Stadtverordnetenversammlung am 05. August 2021 – TOP 7 Wahl Bürgermeister*in

Stadtverordnete Monika Christann, LINKE.:

Herr Vorsteher,
werte Stadtverordnete!
Diese aktuelle Stadtverordnetenversammlung wird voraussichtlich die Letzte sein, die noch aktiv etwas gegen den Klimawandel unternehmen kann, bevor der erwartete und befürchtete Kipppunkt eintreten wird, bei dem die Klimaveränderungen nicht mehr reparierbar sind. Wir haben keine Zeit mehr. Diese Dramatik sollte allen hier Anwesenden bewusst sein. Es geht hier nicht nur um die Stadt Frankfurt selbst, sondern auch um Deutschland, um die ganze Welt und den Planeten Erde. In den letzten Wahlperioden,
insbesondere in der gerade beendeten, haben sich die Koalitionsparteien, vor allem
auch die GRÜNEN, gerne gefeiert, dass Frankfurt in der Klimapolitik so fortschrittlich sei. Das sehen wir LINKE. nicht so. Auf dem Papier steht vieles, allein an der Umsetzung hat es gefehlt. Wir LINKE. haben unzählige Anträge in puncto Umwelt gestellt. Ich nenne nur einige Beispiele: Schnelle Abschaltung der Kohleverstromung im Heizkraftwerk West, die VGF fährt bis heute mit dreckigem Strom. Das wurde seinerzeit pikanterweise
auch von den GRÜNEN von Ökostrom auf Kohlestrom umgestellt. Eine Beendigung der
Kohleverstromung laut Koalitionsvertrag bis 2025 beziehungsweise bis Mitte des Jahrzehnts finden wir verantwortungslos. Genehmigung weiterer ökologisch problematischer Rechenzentren nur unter Bedingungen, nämlich, dass es ein verpflichtendes Konzept zur Abwärmenutzung daran geknüpft ist. Nicht zu vergessen, die klimafreundliche Begrünung der Rechenzentren, die als hässliche Betonkästen den erholungssuchenden Blick der Anwohnerinnen und Anwohner stören. Ein Klimafonds, der als Ablasshandel eingerichtet ist und ähnlich wie die CO2- Steuer oder der Zertifikatehandel nicht wirklich etwas an der Klimaverschlechterung ändert. Das haben wir immer kritisiert. Die Errichtung eines dritten Flughafenterminals zum
Anlocken von Billigfliegern, die zudem häufig noch die Nachtruhe stören, ist eine extreme von uns kritisierte Umweltsünde. Es werden immer wieder Bäume gefällt, die ersetzt werden sollen. In der Januar-Sitzung des Umweltausschusses wurde seitens des Grünflächenamtes bestätigt, dass nur ein Zehntel der gefällten Bäume bisher ersetzt wurde. Es gibt bisher keine Stadtplanung mit Brauchwassernetzen, auch für Neubauten. Das müsste verpflichtend sein, ebenso wie Fotovoltaik oder Begrünung auf Dächern und
Fassaden, vor allem auch der eigenen städtischen Dächer. All dies haben wir immer wieder beantragt. Eine Roadmap, wie wir schnellstens zu dringend notwendigen Entsiegelungen kommen können, fehlt schon lange. Immer wieder versprochen, aber nicht
umgesetzt. Dabei ist das angesichts wachsender Stürme und Starkregen im Wechsel
mit Dürren durch den Klimawandel doch gerade so wichtig, geradezu überlebenswichtig,
wie wir bei der Flutkatastrophe erst kürzlich gesehen haben. Einige der Indikatoren im
Bericht zum UN-Nachhaltigkeitsabkommen Agenda 2030 belegen überdeutlich die Defizite Frankfurts, was Nachhaltigkeit und den Schutz des Klimas angeht. Klar erkennbar ist hier, dass sich zum Beispiel die Entsiegelungssituation sogar noch verschlechtert hat.
Wenn ich mir nur diesen Teil der Liste ansehe, der wahrhaftig nur ein kleiner Auszug ist,
dann ist das die Beschreibung von Klimasünden der letzten Jahre. Denn auch eine Unterlassung von Maßnahmen ist eine Klimasünde. Nach unserer stetigen Kritik hieß es
manchmal hinter vorgehaltener Hand, die CDU hat gebremst. Ich habe noch deutlich
den Satz von Herrn Robert Lange von der CDU im Ohr, der aufgrund der heftigen Proteste von Umweltverbänden in einer Bürgerfragestunde äußerte: „Frankfurt kann die Welt
nicht retten.“ Dieser Spruch macht deutlich, mit welchen egoistischen Haltungen wir es zu
tun haben, und dass immer noch nicht die Erkenntnis angekommen ist, dass wir uns
selbst den Ast absägen, auf dem wir sitzen. Hätten es die GRÜNEN nicht auch in der
Hand gehabt, diese umweltschädliche Koalition rechtzeitig zu beenden? Ich sage ja, es wäre sogar die Pflicht gewesen, allein um die eigene Glaubwürdigkeit als Umweltpartei zu
erhalten. Wie sieht es nun mit der bevorstehenden Regierungskoalition aus? An die Stelle der CDU tritt die FDP, die mit dem Koalitionsvertrag einen Finanzierungsvorbehalt für alle bisher noch nicht geplanten Maßnahmen durchgesetzt hat. Das wird sicherlich auf Kosten des Klimas gehen. Je länger wir aber warten, desto mehr Geld müssen wir in
die Hand nehmen, um zu retten, was noch zu retten ist. Die LINKE. wäre bereit gewesen,
konsequente Klimamaßnahmen unter Berücksichtigung der sozialen Komponenten
durchzuführen. Für manchen mag das radikal erscheinen, ich sage jedoch, es geht um unser aller Überleben und vor allen Dingen auch um die Zukunft der jungen Generationen. Das rechtfertigt radikale Maßnahmen. Im Übrigen, was eine Linkskoalition ist, da bestimmen wir immer noch mit. Diesen Mut hatten die GRÜNEN nicht. Sie haben unter Zustimmung der SPD lieber die FDP als anerkannte Bremserpartei mit ins Boot genommen, von der man weiß, dass man sie definitiv nicht als Klimaschutzpartei bezeichnen kann. Die lieber auf Erfindungen und Innovationen wartet, die vielleicht irgendwann einmal kommen und auch noch Geld für die Nutzung der Erfindungen einfordern können. Solch eine Regierungskonstellation, bei der wichtige und unerlässliche
Ausgaben für den Klimaschutz abgeschmettert werden können, können wir LINKE. doch
nicht mit gutem Gewissen wählen. Einmal unabhängig von handelnden einzelnen Personen. Was nützen schöne Worte im Koalitionsvertrag, wenn alles unter einem Finanzierungsvorbehalt steht? Eine auch von den LINKEN. gewollte solide Haushaltspolitik ist machbar. Aber nur, wenn die Einnahmen stimmen. Uns ist klar, dass wir mit dem Schutz des Klimas erhebliche Ausgaben, auch noch nicht geplante oder planbare, haben werden. Das können wir aber nur bewältigen, wenn sich Menschen, die auf der finanziellen Sonnenseite des Lebens stehen, proportional stärker beteiligen, als dies jemals die zahllosen Beschäftigten tun könnten, die zum Beispiel im Niedriglohnsektor arbeiten und nicht einmal eine bezahlbare Wohnung bekommen. Wer mehr hat und von dieser Gesellschaft und der Infrastruktur profitiert und zukünftig sicherlich auch gute Luft haben will, muss eben mehr dafür tun, auch, weil dieser Mensch es kann. Egoismus, zu der auch die zunehmenden faschistischen Handlungen gehören, zerstört eine Gesellschaft, die zum Wohle aller eine solidarische Gemeinschaft sein muss. Die neue Stadtregierung ist jetzt schon aufgrund der Zusammensetzung der Koalition zum Stillstand und Scheitern verurteilt. Schade, letzte Chance vertan.

Danke!
(Beifall)

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