Rede Monika Christann/DIE LINKE. in der Stadtverordnetenversammlung 11.11.2021 zur Umsetzung des Stellenplans aus B 303/21 (E 18/2018)
–> (Stichtag 30.04.21)
„Frau Vorsteherin, werte Stadtverordnete,
ich rede zum Bericht B 303.
Seit meinem Eintritt 2018 als Stadtverordnete beobachte ich eine Stellenunterbesetzung quer durch alle Dezernate und Ämter. Einer meiner Kernaussagen ist: Der Ex-Kämmerer Uwe Becker hat sich jahrelang damit gebrüstet, dass er gut gewirtschaftet habe. Das stimmt nicht! Zwar steht die Stadt trotz Corona immer noch gut da. Aber dass sie so gut da steht, liegt mit Sicherheit auch daran, dass viele Jahre lang stets mit 100 % Stellenbesetzung gerechnet wurde, die Stellen aber durchschnittlich nur mit etwa 85 bis 87 % oder weniger mit realen Menschen besetzt waren und sind. Das hat erhebliche Kosten eingespart – auf dem Rücken der Beschäftigten und zu Lasten der Daseinsvorsorge!
Durchschnittlich 87 % besetzte Stellen – Stand 30.04. – müssen 100 % Leistung erbringen. Dieses Missverhältnis geht zu Lasten der Gesundheit der Beschäftigten. Der Ex-Magistrat hat hierbei nicht nur eine gesetzlich auferlegte Fürsorgepflicht für die Gesundheit der Beschäftigten verletzt – und pikanterweise war der Gesundheitsdezernent Majer gleichzeitig für Personal verantwortlich. Neben dieser Pflichtverletzung hat der Ex-Magistrat auch Haushaltsbeschlüsse des Souveräns – der Stadtverordneten – missachtet, denn er ist an die Haushaltsbeschlüsse gebunden; und zum Haushalt gehören nun einmal auch die Stellenpläne. Der Magistrat ist die Spitze der Verwaltung und muss die Beschlüsse der Stadtverordneten ausführen. Er darf nicht eigenmächtig – und wie hier offenbar mit System – die Beschlüsse zum Stellenplan ändern. Da dies aber über die Jahre verstetigt ist, konnte sich in der Stadtkasse ein Batzen Geld ansammeln.
Warum führe ich hier die Verfehlungen des vorhergehenden Magistrats an? Ganz einfach: Das Thema der Unterbesetzung bzw. teilweisen Nicht-Umsetzung eines Haushaltsteils war im letzten Personalausschuss am Montag auf der Agenda. Die Antworten auf meine kritischen Anmerkungen ließen nicht erkennen, dass dieser schlechte Zustand mit dem neuen Magistrat bzw. dem neuen Kämmerer beendet werden soll. Der aufgeblähte Magistrat und die Selbstbedienungsmentalität sprechen für sich.
Zur Verdeutlichung der Missstände greife ich mal einige Beispiele heraus, wo es um die Sicherheit der Bevölkerung oder Existenzen geht.
(Volle Zahlen ohne Kommaanteile.) Die Zahlen der Planstellen geben übrigens keine Auskunft über die Krankheitsquote oder die Anzahl Langzeiterkrankter, z. B. durch Überlastung. Die fehlen in der Realität zusätzlich.
- Angesichts der Pandemiebewältigung ist ein nur zu 87 % besetztes Gesundheitsamt unverantwortlich. 202 Stellen plus 4 neue Stellen sollen es sein. Real sind es aber nur 175. Eine Differenz von 31 Stellen. Das ist eine heftige Zahl angesichts der fortdauernden Pandemie. Ist das der Grund, warum wir sogar die Hilfe der Bundeswehr benötigen? Noch im September antwortete Herr Majer auf unsere Anfrage Nr. 236 nach der Kontaktverfolgung wortwörtlich: „Nahezu alle originären Angebote und Dienstleistungen des Gesundheitsamts sind dadurch eingeschränkt bis aufgehoben.“ Den Angaben zufolge sind 113 Beschäftigte aus dem Gesundheitsamt für Covid eingesetzt. Unterstützt von 101 externen Hilfskräften und – Achtung! – 127 Beschäftigen aus anderen Ämtern, sodass die chronische Unterbesetzung anderer Ämter noch stärker ist.
- Brenzlig wird es in der Branddirektion:
Ausgesprochen gemeingefährlich ist die mangelhafte Stellenbesetzung in der Branddirektion: Die aufgeführte 89%ige Stellenbesetzung bedeutet: Von den knapp 1.032 Planstellen plus 28 neuer Stellen sind nur 921 besetzt – ein Minus von 139 Stellen. Ich meine, das ist für eine Branddirektion, die Leben retten soll, eine erhebliche Zahl. Zu den klassischen Aufgaben der Feuerwehr kommen dann noch Aufgaben wie die Lagerung, Verwaltung und Verteilung von Pandemieschutzausrüstung! Auch wenn demnächst irgendwann eine größere Zahl von Azubis kommen wird, ist doch die Unterbesetzung der Branddirektion unverantwortlich! - Von den 456 Planstellen sind nur 381 besetzt. Ein Minus von 75 Stellen. Wie viele Existenzen betrifft das? Wie viele Menschen können in schwierigen Corona-Zeiten wegen verspäteter Bescheide und Auszahlungen nicht mehr ihre Miete bezahlen? Oder jetzt die Heizkostenbeihilfe erhalten?
- Tja, und die Stabsstelle Digitalisierung ist von 49 % Besetzung auf sage und schreibe 53 % angewachsen. Ganze „5-Komma-Nochwas“- Stellen! Kein Wunder, dass Jan Schneider nichts auf die Reihe bekommen hat. Trotz der drohenden Erfüllung des Online-Zugangsgesetzes 2022 hat er sich offenbar nicht darum gekümmert.
Ähnliche Verhältnisse sind in allen Ämtern zu beobachten. Als Teil des gewählten Souveräns sage ich: Diese Politik auf dem Rücken der Beschäftigten muss ein Ende haben!“
(Ende der Rede)
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Nach dieser Rede folgten Reden von Bastian Bergerhoff (Kämmerer, Grüne), Holger Tschierschke (Fraktionsgeschäftsführer, SPD) und Dr. Uwe Schulz (FDP).
Bastian Bergerhoff redete sich die Zahlen schön. Zahlen wären nicht schön, aber auch nicht schlimm, das Betriebsklima wäre gut. Die Stadt stünde in Konkurrenz mit anderen Kommunen, es wäre nicht so leicht, Fachpersonal zu finden.
Holger Tschierschke meinte, man müsse zukünftig ohnehin weg von der dezentral organisierten Arbeit und es müsse viel mehr digital gearbeitet werden.
Uwe Schulz meinte, 85 % Stellenauslastung wären ganz normal und wünschenswert, und wenn es nach ihm ginge, wären alle Dienstleistungen privatisiert – „Privat vor Staat“.
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Monika Christanns Antwort auf den Beitrag von Dr. Uwe Schulz (FDP):
„Bei dem Beitrag von Dr. Schulz wünsche ich keiner Kommune, dass sie von der FDP regiert wird. 85 % Stellenauslastung sollte keine Normalität sein. In früheren Rechtsprechungen hieß es mal, Unternehmen sollten 15 % mehr Personal haben, weil es noch die Urlaubs- und Krankheitszeiten abzudecken gäbe. Das hat sich zwar in der Rechtsprechung verschlechtert, aber dennoch sollten es noch 100% sein. Und noch ein ganz wichtiger Punkt, Herr Dr. Schulz. Sie haben mir offenbar nicht zugehört oder Sie akzeptieren die HGO nicht! Der Stellenplan ist integraler Bestandteil des Haushaltsplans. Der Magistrat/Kämmerer darf den beschlossenen Stellenplan nicht ändern. Die jahrelange Unterbesetzung entgegen des Stellenplans ist eine Verletzung der Beschlüsse des gewählten Souveräns, der Stadtverordneten!“