Rede Monika Christann/DIE LINKE. in der Stadtverordnetenversammlung 09.12.21 zu NR 193 Transparenzsatzung
Frau Vorsteherin, werte Stadtverordnete,
zunächst muss ich erst einmal der Koalition und den federführenden Grünen eine Rüge erteilen. Die „Transparenzsatzung“ ist nicht das erste Mal Thema in einer Stadtverordnetenversammlung. Es stehen auch keine Fristen an, welche eine Dringlichkeit ggf. gerechtfertigt hätten. Auch auf Landesebene ist man noch weit davon entfernt, zu einem Open Source-Gesetz zu kommen, in dem auch die Kommunen berücksichtigt sind.
Am 2. Dezember – vor genau sieben Tagen – wurde der Koalitionsantrag NR 193 geschrieben und frühestens noch am selben Tag eingereicht. Bereits am Montag sollten wir im Ausschuss „Personal, Sicherheit und Digitalisierung“ der Tischvorlage zustimmen. Die Fraktionen außerhalb der Koalition hatten keine Gelegenheit, den Antrag zu beraten, denn es lag nur das Wochenende dazwischen. Deswegen hatte die Linke um eine Runde Zurückstellung gebeten, weil es zum Antrag Beratungsbedarf gibt und eine Transparenzsatzung weitreichende Folgen für die Bürger*innen Frankfurts hat. Der Beratungswunsch wurde aber einfach mal so vom Tisch gewischt. Mit Koalitionsmehrheit wurde der Antrag im Ausschuss trotz fehlender Dringlichkeit beschlossen. Das ist ein höchst undemokratisches Verhalten, weil es die parlamentarische Willensbildung verhindert und ein Ausdruck von einer „Arroganz der Macht“ ist. Ich fordere die Koalition auf, insbesondere die in der Sache federführenden Grünen, dass diese Art von Verhinderung der inhaltlichen Auseinandersetzung zukünftig unterbleibt. Das ist nicht nur ein schlechter Politikstil, sondern eben auch höchst undemokratisch. Und es ist auch moralisch verwerflich, weil die Koalition in allen Ausschusssitzungen sich immer das Recht nimmt, Vorlagen der Oppositionsparteien zurückzustellen, weil sie noch Beratungsbedarf hätte- monatelang und wie in der letzten Wahlperiode sogar jahrelang. Dieses mit „zweierlei Maß-messen-Handeln“ ist verwerflich und unerträglich.
Nun wird gesagt werden: Ist doch alles gar nicht so schlimm; ihr habt ja immer noch bei der Vorlage des Satzungsentwurfs die Möglichkeit, euch zu äußern und Änderungswünsche einzubringen. Im Prinzip ist das richtig. Und ist dennoch falsch, denn die Forderungen in NR 193 gehen teilweise in die falsche Richtung und schlagen präjudizierend Pflöcke ein, die man wohl nur schwer wieder rauskriegen kann.
Also: Was muss eine Transparenzsatzung leisten und was sollte sie enthalten?
Wir stimmen der Aussage in der Begründung des Antrags zu, wonach die Informationsfreiheit ein demokratisches Mitgestaltungsrecht für alle Bürger*innen sein muss und dass ein solches Fehlen ein Demokratiedefizit darstellt. Dieser richtige Anspruch kann aber niemals verwirklicht werden, wenn die Rahmenbedingungen nicht stimmen.
Zunächst erst einmal muss die „Informationslast“ umgekehrt werden. Die Stadt muss proaktiv alle für die aktive Mitgestaltung der Bürger*innen dienlichen Informationen veröffentlichen und dafür sorgen, dass auch in öffentlichen Räumen, z. B. Bibliotheken, die Daten barrierefrei zugänglich sind. Dabei entfallen viele Antragstellungen auf Auskunft und damit bürokratische Vorgänge. Gleichzeitig entfallen die Kosten, welche ein großes Hindernis für eine Informationsfreiheit für alle Bürger*innen ist. Was nützt eine Transparenzsatzung, wenn es sich nicht alle Bürger*innen, z. B. Hartz-IV-Bezieher*innen, leisten können? Der Antrag 193 enthält aber die Vorgabe von Kostenerstellung. Damit wird die Transparenzsatzung zu einer Satzung für Besserverdienende. Insofern ist auch die Bezugnahme auf die veraltete Transparenzsatzung der Grünen von 2012 völlig daneben.
Einige NGOs, wie z. B. Transparency International, auf die sich die Koalition ja auch bezieht, fordern nicht nur die Kostenfreiheit, sondern auch weitgehende Informationen mit dem Zweck der Bürger*inbeteiligung zur demokratischen Meinungs- und Willensbildung und zur besseren Kontrolle des Regierungshandelns, insbesondere zu Vorgängen der Kommunalen Daseinsvorsorge.
Verschiedene Organisationen, darunter Transparency International, NABU und Weitere fordern nicht nur, dass vor dem Abschluss von Verträgen der Kommunalen Daseinsvorsorge mit Dienstleistern die Informationen mind. vier Wochen im Netz stehen. Es wird auch gefordert (ZitatJ) „Ebenfalls erfasst ist die Übertragung von Eigentum, Besitz, eines Erbbaurechts oder einer Dienstbarkeit an einer Sache, die zu einer Daseinsvorsorge gehört, wenn die Übertragung die dauerhafte Erbringungen der Daseinsvorsorgeleistung ermöglichen soll.“* (Zitatende) Oder Informationen über Zuwendungen, Spenden, Darstellungen für jährliche Vergütungen und Nebenleistungen für Leitungsebenen; um nur mal einige Beispiele zu nennen, die wahrscheinlich bei einigen hier Anwesenden das Blut in Wallung bringen.
Das sind übrigens Daten, die in Estland schon seit Jahren veröffentlicht sind. Diese Daten sind dort allen frei zugänglich.
Im Antrag fehlen auch noch wesentliche Dinge wie eine Kontrollstelle, die ggf. gegen die Stadtregierung einschreiten kann; und überhaupt die Durchsetzung eines Rechtsanspruchs und noch einiges Andere mehr.
Liebe Koalition und insbesondere liebe Grüne: Ihr wolltet mit Gewalt und Rücksichtslosigkeit unbedingt den Antrag NR 193 durchboxen. Dann müsst ihr euch auch jetzt gefallen lassen, dass wir euch in breiter Öffentlichkeit den Spiegel vorhalten, undemokratisch gehandelt zu haben, und vor allen Dingen auch, dass noch wesentliche inhaltliche Mängel bestehen.
Damit keine Missverständnisse entstehen: Natürlich unterstützt Die Linke eine Transparenzsatzung für die Stadt; aber nicht mit den geplanten Mängeln!
Zitiert aus „Satzungsempfehlung für Transparenz und Informationsfreiheit in den Kommunen Nordrhein-Westfalen (Transparenzsatzung)“; Gemeinsames Papier von „Bund der Steuerzahler Nordrhein-Westfalen e. V.“, „Mehr Demokratie!“, NABU Nordrhein-Westfalen“, Transparency Deutschland e. V.“