Die Stadtverordnetenversammlung möge beschließen:
Der Magistrat wird beauftragt, ein Handlungskonzept gegen Energiearmut zu entwickeln und umzusetzen. Dabei sollen folgende Kernbestandteile berücksichtigt werden:
- Als Sofortschutzmaßnahme wird bei der Mainova und der Süwag erwirkt, dass bei Privatkund*innen keine Strom-, Gas-, Wasser- und Wärmesperrungen mehr vorgenommen werden.
- Haushalten im Leistungsbezug wird von der Stadt Frankfurt ein entsprechend der gestiegenen Gaspreise erhöhter Anteil der Heizkosten übernommen.
- Haushalte, denen eine Sperrandrohung ausgesprochen wird, bekommen eine feste Ansprechperson angeboten, die kostenlos die kurzfristige Existenzsicherung und die nachhaltige Regulierung von Zahlungsrückständen in die Wege leitet und weitere Beratungsangebote zu wirtschaftlichen und rechtlichen Fragen sowie Energie-beratungen und Stromsparchecks vermittelt.
Begründung:
In Hessen wird im Bundesvergleich überdurchschnittlich vielen Haushalten wegen Zahlungsrückständen die Energieversorgung abgestellt. Die meisten davon – zuletzt jeder fünfte betroffene Haushalt – befinden sich in Frankfurt. Seit Jahren schon kämpfen immer mehr Haushalte in Frankfurt mit steigenden Energiepreisen, vor allem die Bezieher*innen von niedrigen Einkommen und Hartz IV. Die aktuelle Preisexplosion in der Energieversorgung aber stellt das nochmal deutlich in den Schatten. Zum Jahreswechsel werden ausnahmslos alle am Markt verbleibenden Energieanbieter, auch die mit städtischer Beteiligung, also Mainova und Süwag, die Gaspreise drastisch erhöhen, viele auch die Strompreise. Das wird die Verbraucher*innen stark unter Druck setzen und die Zahl der Versorgungssperren in der Folge in die Höhe schlagen lassen. Darauf muss die Stadt mit einem Handlungskonzept gegen Energiearmut reagieren.
In Frankreich, Italien, Spanien und Griechenland werden Strompreise gedeckelt, Stromabgaben gesenkt und schutzbedürftige Verbraucher*innen mit pauschalen Zahlungen unterstützt. In Deutschland ist das bislang nicht vorgesehen, obwohl der Städte- und Gemeindebund wiederholt, zuletzt Anfang November, vehement für eine finanzielle Unterstützung von Geringverdiener*innen plädiert hat. In Frankfurt muss verhindert werden, dass Menschen im Winter in einer dunklen, ungeheizten Wohnung leben müssen. Das wäre eine stille, soziale Katastrophe. Daher sind Versorgungssperren grundsätzlich auszuschließen. Den besonders oft von Versorgungssperren betroffenen Hartz IV-Empfänger*innen kann präventiv durch eine erhöhte Übernahme von Heizkosten geholfen werden. Allen in Zahlungsnot geratenen Haushalten sollte eine zentrale Ansprechperson zur Unterstützung zur Verfügung stehen. Dabei ist zwischen den Energieversorgern und den zuständigen städtischen Stellen ein datenschutzkonformer Austausch der notwendigen Personendaten für die Regulierung des Zahlungsverzugs sicherzustellen. Aus Nordrhein-Westfalen ist bekannt, dass ein entsprechendes Beratungsprogramm vom Land gemeinsam mit den Energieversorgern finanziert wird. Hierzulande kann das HMUKLV im Rahmen seiner Hessischen Strategie zur Vermeidung von Versorgungssperren um Beteiligung bei der Ausgestaltung des Beratungsprogramms und den anfallenden Kosten ersucht werden.
Die Versorgung mit Strom, Gas, Wasser und Wärme gehört zu den existenziellen Mindestbedürfnissen. Sie ist eine Grundvoraussetzung für menschenwürdiges Wohnen und die Teilhabe am gesellschaftlichen Leben. In scharfem Kontrast dazu wurden in 2020 in Frankfurt 4.629 Versorgungssperren durchgeführt, davon 3240 Stromsperren, 926 Gassperren und 463 Wasser-/Wärmesperren. Im laufenden Jahr waren es allein von Januar bis Oktober schon 4766, davon 3336 Stromsperren, 953 Gassperren und 477 Wasser-/Wärmesperren. Die Zahlen sind alarmierend. Alles spricht dafür, dass sie ohne politische Intervention rasant ansteigen werden. Ein Handlungskonzept gegen Energiearmut ist längst überfällig.
DIE LINKE. im Römer
Dominike Pauli und Michael Müller
Fraktionsvorsitzende
Antragsteller*innen
- Stadtv. Ayse Dalhoff
- Stadtv. Daniela Mehler-Würzbach
- Stadtv. Dominike Pauli
- Stadtv. Eyup Yilmaz
- Stadtv. Michael Müller
- Stadtv. Monika Christann
- Stadtv. Pearl Hahn