Angesichts des am 16.12.21 ergangenen Urteils des Verwaltungsgerichts Frankfurt, mit dem den Einwänden von militanten Abtreibungsgegnern gegen Auflagen der Stadt bei Mahnwachen vor der Beratungsstelle „pro familia“ Recht gegeben wurde, erklärt die frauenpolitische Sprecherin der Fraktion DIE LINKE. im Römer Monika Christann:
„Das Frankfurter Verwaltungsgericht hat sich auf die Seite der frauenfeindlichen Abtreibungsgegner geschlagen und billigt damit, dass nach wie vor schwangere Frauen*, welche aus verschiedensten wichtigen Gründen einen Schwangerschaftsabbruch erwägen und deswegen die gesetzliche Zwangs-Beratung aufsuchen müssen, vor Beratungsstellen „Spießruten laufen“ müssen, stigmatisiert und psychisch drangsaliert werden.“
Vor 150 Jahren sei im preußischen Strafgesetzbuch die Frauenunterdrückung mit dem § 218 festgelegt und von den Nazis durch den § 219 a ergänzt worden.
Inzwischen gebe es die Bestimmungen des Grundgesetzes und die internationalen Verpflichtungen u. a. durch das Abschlussdokument der UN-Weltbevölkerungskonferenz 2019 in Nairobi. Dieses gestehe allen Frauen ein uneingeschränktes Recht auf Familienplanung und gesundheitlich sichere und schonende Schwangerschaftsabbrüche zu, wenn die Schwangere es wünsche.
Christann kommentiert das Frankfurter Urteil:
„Wir rügen das Frankfurter Verwaltungsgericht wegen des frauen*verachtenden Urteils. Offenbar konnte es sich einerseits nicht von der Denkweise des 19. Jahrhunderts frei machen; andererseits hat es nicht gewürdigt, dass neben dem zweifelsfrei wichtigen Versammlungsrecht des Grundgesetzes auch andere, in diesem Fall grundgesetzliche Rechtsgüter – nämlich die Unversehrtheit des Körpers, zu der auch die Unverletzlichkeit der Psyche gehört, und das allgemeine Persönlichkeitsrecht – abgewogen werden müssen.“
Das Frankfurter Gericht habe nicht die Argumentation des Karlsruher Verwaltungsgerichts vom 12.05.2021 in vergleichbaren Fällen berücksichtigt. Dieses hatte die Klage von militanten Abtreibungsgegnern gegen die Auflagen der Stadt abgewiesen, weil es eine Abwägung von grundgesetzlichen Rechtsgütern wie Versammlungsrecht einerseits und allgemeines Persönlichkeitsrecht und Unversehrtheit des Körpers andererseits vorgenommen und daher die Auflagen der Verwaltung gebilligt hatte. Meinungsfreiheit rechtfertige auch nicht den Eingriff in das Persönlichkeitsrecht. Die Auflagen sehen auch für zukünftige vergleichbare Fälle vor, dass Mahnwachen und Gebete nur außerhalb der Öffnungszeiten von „pro familia“ bzw. außer Sichtweite der Beratungsstelle stattfinden dürfen, um die ratsuchenden Schwangeren vor Stigmatisierung, Gehsteigbelästigungen und ggf. psychischen Schäden zu schützen. Außerdem solle dadurch eine möglichst unvoreingenommene Entscheidung der Schwangeren gewährleistet werden.
„Politisch ist dringend Handlung geboten.“ so Christann. „Wir fordern die Ordnungsdezernentin Annette Rinn auf, Rechtsmittel gegen das Urteil des Frankfurter Verwaltungsgerichts vom 16.12.21 einzulegen. Auf Landesebene hatte Die Linke-Fraktion einen Gesetzentwurf vorgelegt, der eine „Bannmeile“ rund um die Beratungsstellen vorsah. Dieser wurde jedoch von der Hessischen Regierung vom Tisch gewischt. Das rächt sich jetzt, denn die Verordnung der Landesregierung reicht wie befürchtet nicht aus. Auf Bundesebene ist endlich der § 218 aus dem Strafgesetzbuch zu streichen. Die beabsichtigte Entfernung des § 219 a laut Ampel-Koalitionsvertrag reicht keinesfalls aus. Solange der § 218 StGB besteht, wird es weiterhin eine Frauenunterdrückung mit teils tödlichen Folgen geben. Der berüchtigte Kleiderbügel als Abtreibungsinstrument der Verzweiflung muss bald der Vergangenheit angehören. Für das wachsende Frankfurter Bündnis für Frauenrechte gibt es wieder viel zu tun, um den Frauen*feind*innen die Stirn zu bieten.“
Hinweis: AZ des Karlsruher Verwaltungsgerichtsurteils vom 12.05.21: 2 K 5046/19