Antrag der Fraktion DIE LINKE. im Römer
Die Stadtverordnetenversammlung möge beschließen:
Der Magistrat wird beauftragt, einen Sozialplan für die Adolf-Miersch-Siedlung in Niederrad aufzustellen. Zielsetzung des Sozialplans soll sein, die Nachverdichtungs-, Aufstockungs- und Modernisierungsmaßnahmen sozialverträglich zu gestalten, um damit Mieter*innen vor Verdrängung zu schützen.
Begründung:
In der Adolf-Miersch-Siedlung sind in mehreren Abschnitten umfangreiche Modernisierungs-, Aufstockungs- und Nachverdichtungsvorhaben durch die landeseigene Wohnungsgesellschaft Nassauische Heimstätte (NH) geplant. Diese Maßnahmen betreffen die Jugenheimer Straße, die Adolf-Miersch-Straße und die Melibocusstraße in Niederrad. Laut Auskunft des Magistrats werden in der Siedlung mindestens 93 neue Wohnungen entstehen. Die geplanten Maßnahmen werden gravierende Mieterhöhungen zur Folge haben und alteingesessene Mieter*innen vor enorme finanzielle Belastungen stellen. Dem Verdrängungsdruck ist mit der Aufstellung eines Sozialplans entgegenzuwirken, der für die Sozialverträglichkeit der Maßnahmen Sorge trägt.
Die Pläne, die in einigen Wohnblöcken bereits umgesetzt werden, haben jetzt schon merkliche negative Auswirkungen auf die Mieter*innen. Sie sind mit Einschränkungen durch die Baustellen, u.a. durch enormen Lärm und Dreck, konfrontiert.
Die weiteren Pläne haben zur Folge, dass die Mieter*innen für die nächsten Monate bzw. Jahre inmitten einer großen Baustelle zu leben haben. Das bedeutet eine erhebliche Minderung der Lebens- und Wohnqualität für einen langen Zeitraum.
Einschränkungen durch Bauarbeiten sind nicht die einzigen negativen Auswirkungen für die Mieter*innen. Die Modernisierungsvorhaben werden sich auch auf die Miethöhe bzw. Bezahlbarkeit auswirken. Durch die Umlagefähigkeit der Modernisierungskosten werden gravierende Mieterhöhungen erwartet. In der Modernisierungsankündigung für die Jugenheimer Straße 59-65 vom 11.11.2020 wird eine Mieterhöhung von knapp 90 Euro angekündigt. Je nach Wohnungsgröße sind Mieterhöhungen zwischen 100 und 200 Euro zu erwarten. Das ist angesichts der Einkommensstruktur in der Siedlung, in der viele Rentner*innen mit geringem Einkommen leben, eine hohe finanzielle Belastung, die zu enormen Zahlungsschwierigkeiten führen wird.
Auch die Nachverdichtungs- und Aufstockungspläne werden keine positiven Effekte für die Mieter*innen der Siedlung haben. Erfahrungen aus anderen Siedlungen, wie beispielsweise in der Platensiedlung in Ginnheim, zeigen, dass Aufstockung und der Bau von freifinanzierten bzw. Wohnungen des Förderwegs 2, die sich an Mittelstandshaushalte richten, zu einer Erhöhung der durchschnittlichen Angebotsmieten führen. Das bedeutet eine Veränderung des Mietspiegels im Stadtteil zulasten vieler Bestandsmieter*innen mit geringem Einkommen.
Aus ökonomischer Sicht und unter Berücksichtigung der Wohn- und Lebensqualität, haben Modernisierungs- und Aufstockungsmaßnahmen keine vorteiligen Auswirkungen für Bestandsmieter*innen. Statt eine Mietpreisentlastung zu erfahren, werden sie mit einer Dauerbaustelle und der Angst vor Verdrängung konfrontiert.
Komunen können laut § 180 BauGB gemeinsam mit den Betroffenen Strategien zur Vermeidung oder Abmilderung nachteiliger Folgen entwickeln, wenn sich „Bebauungspläne, städtebauliche Sanierungsmaßnahmen, städtebauliche Entwicklungsmaßnahmen oder Stadtumbaumaßnahmen voraussichtlich nachteilig auf die persönlichen Lebensumstände der in dem Gebiet wohnenden oder arbeitenden Menschen [auswirken].“ Die Aufstellung eines Sozialplans, orientierend an § 180 BauGB, ist für die Adolf-Miersch-Siedlung dringend notwendig, da nachteilige Effekte für die Bewohner*innenschaft absehbar sind und abgewendet werden müssen.
Zudem hat sich die Vermieterin NH, die zu 61,4 Prozent dem Land Hessen und zu 27,3 Prozent der Stadt Frankfurt gehört, verpflichtet, für „bezahlbaren Wohnraum und lebenswerte Städte“ in Frankfurt zu sorgen.
In der Vergangenheit gab es jedoch zahlreiche Berichte über Mieterhöhungen bei der NH, insbesondere nach Modernisierungsmaßnahmen, die für viele Mieter*innen im Nachgang nicht mehr bezahlbar waren und Verdrängungsprozesse in Gang gesetzt haben.
Im März 2021 wurden die Leitlinien der Nachverdichtung der Stadt Frankfurt am Main veröffentlicht, u.a. mit Leitsätzen zum Schutz von Bestandsmieter*innen. Einer der Leitsätze thematisiert explizit Mieterhöhungen: „Die Bewohnerinnen und Bewohner sollen weitgehend vor Mieterhöhungen aufgrund von Nachverdichtungsmaßnahmen geschützt werden“ (Leitlinien der Nachverdichtung der Stadt Frankfurt am Main 2021: 22). Weiter heißt es: „Sollten im Zuge einer Nachverdichtungsmaßnahme bestehende Wohnungen aufgewertet werden (z.B. durch neue Heizungsanlagen, Balkone, etc.), sollte sich dies nicht oder nur sehr gering auf die Bestandsmieten auswirken“ (ebd.). Diese Leitlinien müssen auch in der Adolf-Miersch-Siedlung eingehalten werden. Dafür bedarf es der Erstellung einer Verpflichtungserklärung, die von den Eigentümer*innen unterzeichnet werden muss.
Energetische Sanierungen sind angesichts der Bekämpfung der Klimakrise dringend notwendig. Allerdings dürfen sie nicht auf die Mieter*innen umgelegt werden. Hier muss die Stadt Frankfurt eingreifen, Modernisierungskosten vollumfänglich übernehmen und die Kosten als kommunalen Beitrag zum Klimaschutz tragen.
Um die Mieter*innen in der Adolf-Miersch-Siedlung vor der sich verschärfenden Mietpreisentwicklung im Viertel aktiv zu schützen, bedarf es eines Sozialplans, der Mieten begrenzt und dafür Sorge trägt, dass Mieter*innen vor Verdrängung geschützt werden und in ihren Wohnungen bleiben können.
DIE LINKE. im Römer
Dominike Pauli und Michael Müller
Fraktionsvorsitzende
Antragstellende:
Stv. Ayse Dalhoff
Stv. Dominike Pauli
Stv. Daniela Mehler-Würzbach
Stv. Eyup Yilmaz
Stv. Michael Müller
Stv. Monika Christann
Stv. Pearl Hahn