Die Stadtverordnetenversammlung möge beschließen:
Der Magistrat wird beauftragt, über den Aufsichtsrat auf die Mainova einzuwirken, damit die Energietarife sozialer gestaltet werden und einen stärkeren ökologischen Anreiz zum Energiesparen setzen.
Bei Gas und Strom und deren Ersatzversorgung soll ein ermäßigter Grundtarif für Privatkund*innen eingeführt werden, bei dem in Abhängigkeit von der Personenanzahl in einem Haushalt, der Größe und dem energetischen Zustand der Wohnung/des Hauses eine Energiemenge bis zu maximal zwei Dritteln des statistischen Durchschnittsverbrauchs der jeweiligen Haushaltsgröße zu einem deutlich ermäßigten Preis abgegeben wird. Oberhalb des vergünstigten Grundverbrauchs steigt der Preis linear an.
Begründung:
Am 15.11.2021 hatte die Mainova zunächst die Veränderung bei den Energiepreisen für das Jahr 2022 veröffentlicht. Demnach steigt der Gaspreis enorm und der Strompreis wird trotz der ab 1. Januar 2022 reduzierten EEG-Umlage lediglich stabil gehalten. Hintergrund sind der erhöhte CO2-Preis und die stark gestiegenen Großhandelspreise für fossile Energieträger.
Zum Jahreswechsel aber dann folgte die Hiobsbotschaft für Neukund*innen der Mainova. Effektiv ab 03.01.2022 gelten ein fast dreifach so hoher Gas- und Strompreis. Betroffen davon sind vor allem Menschen, deren bisherige Strom- und Gasanbieter wegen den Verwerfungen auf den Energiemärkten die Geschäftstätigkeit eingestellt haben und die jetzt zwangsweise in der Ersatzversorgung der kommunalen Grundversorger landen. Im Vergleich zu den Normaltarifen ist die Ersatzversorgung preislich immer schon erheblich teurer gestaltet, galt bislang allerdings auch nur für eine Übergangszeit bis zum Eintritt in den Grundtarif oder einen frei wählbaren anderen Tarif. Mit den exorbitant hohen Tarifen für Neukund*innen ist das nun ausgeschlossen, denn die verbliebenen privaten, wie auch die kommunalen Energieanbieter sehen allesamt solche Mondpreise für Neukund*innen vor oder bieten einfach gar keinen Neukund*innentarif mehr an.
Der Unterschied zwischen Ersatzversorgung und den Normaltarifen für Neukund*innen ist bei der Mainova faktisch aufgehoben. Damit werden gesonderte Tarife für Bestandskund*innen und Neukund*innen geschaffen, die von Verbraucherschutz-Organisationen, u. a. der Verbraucherschutzzentrale Hessen als unzulässig eingeschätzt werden. In Nordrhein-Westfalen hat die Verbraucherschutzzentrale die landesweit drei Grundversorger wegen der Tarifaufspaltung inzwischen abgemahnt und behält sich eine Klage vor. In Hessen ist das auch zu erwarten. Die Ungleichbehandlung der Kund*innen verstoße gegen geltende Vorschriften.
Die Mainova agiert hier äußerst unsozial, auch wenn sie ins Feld führt, dass sie dadurch die Preise für Bestandskund*innen so gering wie möglich halten will. Der Präsident des Bundeskartellamts beklagt missbräuchlich erhöhte Tarife für Neukund*innen und warnt die Versorger davor, dass die Höhe der jetzt aufgerufenen Tarife für Neukund*innen im Einzelnen auch gerechtfertigt werden müssen.
Die Mainova als Unternehmen der Frankfurter Stadtwerke begibt sich mit der Tarifspreizung also auf gefährliches Terrain, dass die Stadt nochmal teuer zu stehen kommen könnte. Das mag angesichts der jetzt teuer an den Energiemärkten zu beschaffenden zusätzlichen Energiemengen betriebswirtschaftlich vorteilhaft erscheinen, ist für viele betroffene Kund*innen aber eine soziale Katastrophe. Übrigens sind auch viele Bestandskund*innen mit den steigenden Energiepreisen überfordert. Für alle Kund*innen der Mainova gilt, dass die Kosten an den Beschaffungsmärkten nicht einfach unterschiedslos an alle Verbraucher*innen weitergereicht werden können.
Immer mehr Haushalte in Frankfurt, vor allem die Bezieher*innen von niedrigen Einkommen und Hartz IV, können sich die Energiekosten kaum mehr leisten. Ablesbar ist das an dem konstant hohen Niveau an Energieversorgungssperren. Zuletzt war jeder fünfte Haushalt, dem in Hessen der Strom abgestellt wurde, ein Frankfurter. Die von den steigenden Energiepreisen getriebene Inflation droht noch weitere Menschen in die Überschuldung rutschen zu lassen. Die Stadt darf dem nicht tatenlos zusehen.
Zur Prävention von Energiearmut kann die Stadt als Mehrheitseigner der Mainova für gerechtere Energietarife sorgen, die zugleich auch für das Klima von Vorteil sind. Die Mainova hat angekündigt, ab 2022 alle Privatkund*innen künftig zu 100 Prozent mit Ökostrom zu versorgen. Das ist gut, damit ist aber noch kein Anreiz zum Energiesparen gesetzt. Das ist für die Klimaziele Frankfurts aber zu gleichen Anteilen mitentscheidend wie die Umstellung auf erneuerbare Energien. Mehr noch: Das aktuelle Tarifsystem der Mainova mit seinen Leistungs-, Verrechnungs- und Grundpreisen hat sogar den genau gegenteiligen Effekt: je geringer der Energieverbrauch, desto höher ist der Preis pro Energieeinheit.
Das muss vom Kopf auf die Füße gestellt werden! Mit der Abschaffung der Leistungs-, Verrechnungs- und Grundpreise und einem vergünstigten Grundverbrauch werden zwei Fliegen mit einer Klappe geschlagen. Kleine, meist einkommens- und energieärmere Haushalte werden entlastet. Zudem wird ein Anreiz zum Stromsparen gesetzt, da der Energiepreis oberhalb des ermäßigten Grundverbrauchs linear ansteigt. So wird das Tarifmodell auch klimagerechter gestaltet, denn Haushalte mit überdurchschnittlich hohem Energieverbrauch – das sind in den meisten Fällen Haushalte mit hohen Einkommen – werden für den zusätzlichen Luxuskonsum stärker belastet.
Ein weiteres Gerechtigkeitsproblem, dass wie oben schon beschrieben aktuell explodiert, lässt sich mit der Einbeziehung der sogenannten Ersatzversorgung in das Sockeltarifmodell erreichen. Die Mainova hat in ihrem Grundversorgungsgebiet gerade mehr als 5000 ehemalige Kund*innen des Erdgasdiscounters gas.de und 7600 ehemalige Kund*innen des Stromdiscounters „Stromio“ in die Ersatzversorgung übernommen. Dabei erhalten diese Haushalte automatisch einen teuren Sondertarif, bis 03.01.2022 wohl mit Wechseloption. Viele Menschen sind mit solchen Vertragswechseln, die auch unabhängig von Firmeninsolvenzen regelmäßig stattfinden, überfordert und bleiben dann zumindest zeitweise auf hohen Energierechnungen sitzen. Werden sie gleich in das vorgeschlagene sozialökologische Tarifmodell eingruppiert, erhöht sich die Chance, sie als dauerhafte Neukund*innen zu gewinnen.
DIE LINKE. im Römer
Dominike Pauli und Michael Müller
Fraktionsvorsitzende
Antragsteller*innen
- Stadtv. Ayse Dalhoff
- Stadtv. Daniela Mehler-Würzbach
- Stadtv. Dominike Pauli
- Stadtv. Eyup Yilmaz
- Stadtv. Michael Müller
- Stadtv. Monika Christann
- Stadtv. Pearl Hahn
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