Rede während der 13. Plenarsitzung am 9. Juni 2022
Sehr geehrte Frau Vorsteherin,
sehr geehrte Damen und Herren!
Im Koalitionsvertrag steht geschrieben, dass das letzte Jahr der Betreuung von Kindern unter drei Jahren ab 1. August dieses Jahres kostenlos sein wird und ein weiteres kostenloses Betreuungsjahr im Laufe der Wahlperiode geprüft wird. So konnte man am 21. Mai letzten Jahres in der Presse lesen, dass Mike Josef verkündete, dass Bildungsgerechtigkeit in der neuen Koalition ganz großgeschrieben würde, dass Bildung für alle zugänglich sein würde und dass ein weiterer Schritt Richtung Bildungsfreiheit getan werde. Heute, ein Jahr später, also knapp zwei Monate vor dem Start des kostenlosen Betreuungsjahres, erfahren wir, es steht überhaupt noch nicht fest, ob es dieses kostenlose Betreuungsjahr geben wird. Liebe Koalition, wann hatten Sie denn vor, die Eltern darüber zu informieren? Wann wollten Sie mitteilen, dass es für sie keine finanzielle Entlastung geben wird? Genau das wäre jetzt wichtig.
Überall steigen die Preise: Mieten, Energie, Lebensmittel. Viele Familien wissen nicht mehr, wie sie das alles bewältigen sollen. An einer Stelle, an der die Kommunalpolitik finanziell schnell und direkt entlasten kann, versagt sie. Viele haben mit der Entlastung gerechnet, sie eingeplant. So bezahlen Eltern in Frankfurt für einen Ganztagsplatz in einer Kinderkrippe oder Krabbelstube mit Essen 250 Euro, und das ist verdammt viel. Was sagen Sie jetzt diesen Familien? „Schauen wir mal“, „Pech gehabt!“? Sie hatten ein Jahr lang Zeit, der Stadtverordnetenversammlung eine Vorlage zur Abstimmung vorzulegen. Bisher nichts! Jetzt sagen Sie, es könnte knapp werden. Wenn Sie es nicht schaffen, hat es weitreichende Folgen. Eine Folge ist, dass immer mehr Familien das Geld für die Kinderkrippe oder Tagespflege nicht mehr aufbringen können. Leidtragende sind dabei vor allem die Kinder.
Denn die Kinderkrippe und Tagespflege leisten in Ergänzung zum Elternhaus als frühkindliche Bildungsstätten und Sozialisationsinstanzen einen wichtigen Beitrag zur kindergerechten Erziehung und Förderung. Die Kinder erhalten, abhängig vom Alter und Entwicklungsstand, entsprechende Angebote zum gemeinsamen frühkindlichen Lernen. Auch für den Erwerb der deutschen Sprache sind die frühen Bildungsjahre bedeutend. In der Kinderkrippe und Tagespflege werden die Grundlagen für gleichberechtigte Teilhabe gelegt. Das ist auch der Grund, warum wir immer wieder einen Etatantrag einbringen, der fordert, die Beitragspflicht für Kinderbetreuungseinrichtungen für unter Dreijährige vollständig aufzuheben. Wenn wenigstens das letzte Betreuungsjahr kostenlos gewesen wäre, hätte das schon vielen Familien und Kindern geholfen. Aber leider steht seit heute fest, die großgeschriebene Bildungsgerechtigkeit der Koalition ist nichts weiter als eine inhaltslose Ankündigung. Es ist zu befürchten, dass dies nicht die einzig groß angekündigte Luftnummer der Koalition bleiben wird.
Vielen Dank!