16. Plenarsitzung der Stadtverordnetenversammlung am 20. Oktober 2022
Stadtverordneter Michael Müller, LINKE.:
Herr Vorsteher,
meine sehr geehrten Damen und Herren!
Heute fand die Betriebsversammlung von Binding statt. Die Beschäftigten von Binding haben sich mit ihrer Gewerkschaft getroffen. Einige von Ihnen waren, glaube ich, auch vor den Werkstoren in der Darmstädter Landstraße und haben Ihre Solidarität mit den Beschäftigten zum Ausdruck gebracht. Ja, die Beschäftigten bei Binding kämpfen um ihre Arbeitsplätze. Das sind mindestens 150 Arbeitsplätze, die betroffen sind. Mindestens 150 Familien sind in Sorge um ihre Zukunft. Von daher ist es gut, dass hier drei Anträge vorliegen, die eigentlich die gleiche Ãœberschrift tragen könnten: „Solidarität mit Binding – die Arbeitsplätze müssen erhalten werden.“ Ich bin der Meinung, dass wir uns kleinteilige Diskussionen darüber, wer jetzt hier vielleicht die besseren Nuancen formuliert hat – wie es im Ältestenausschuss der Fall war -, erst einmal schenken können. Ich finde, es ist ein gutes Zeichen, das wir gemeinsam an die Frankfurter Stadtgesellschaft, aber vor allem an die Beschäftigten von Binding senden, dass sie nicht alleine sind mit ihrem Protest, sondern dass sie die breite Unterstützung von uns allen haben, eigentlich von der ganzen Frankfurter Kommunalpolitik. haben. Dass Binding zu Frankfurt gehört, das drücken wir heute aus, und deswegen ist es gut, dass wir hier diese Debatte führen.
(Beifall)
Es wurde an diesem Abend häufiger deutlich: Wir erleben eine Triple-Krise von Angriffskrieg, Rezession und Inflation. Und in dieser Triple-Krise, müssen Sie sich vorstellen, ist es natürlich noch dramatischer, wenn Menschen damit konfrontiert werden, vielleicht ihren Job zu verlieren. Es war ja hier nicht so, dass das zu erwarten war, sondern die Entscheidung wurde Hals über Kopf getroffen. Die Radeberger Gruppe hat es nicht dem Betriebsrat erzählt und auch Sie, Frau Wüst, wurden kalt erwischt. Wir wussten alle nichts davon und plötzlich hieß es, der Laden wird dichtgemacht. Das ist schon eine knallharte Standortentscheidung gegen Frankfurt und gegen die Menschen, die in Frankfurt arbeiten. Deswegen wehren wir uns dagegen und das ist gut so.
Wenn man jetzt über Binding spricht, dann muss man natürlich über die Radeberger Gruppe sprechen, die dahinter steht. Die Radeberger Gruppe ist ein großer Konzern, der mittlerweile 40 Brauereien umfasst und das ist das Problem der deutschen Brauereistruktur. Zu Radeberger gehören Brauereien wie Hasenbräu in Augsburg, Jever, Sternburg, Stuttgarter Hofbräu et cetera. Das ist ja Ausdruck dieser Konzentration, dass Brauereien aufgekauft und in große Konzerne integriert werden. Wer steckt hinter Radeberger? Hinter Radeberger steckt die Oetker-Gruppe, einer der größten Lebensmittelkonzerne der Welt. Die Oetker-Gruppe ist eine Kommanditgesellschaft. Hinter dieser Oetker-Gruppe steht die Familie Oetker, das sind Multimilliardäre. Von daher ist das Problem von Binding, lieber Herr Pürsün, auch nicht, dass zu wenig Frankfurterinnen und Frankfurter das Bier trinken, das Problem von Binding ist schlicht und ergreifend die Profitlogik der Oetker-Gruppe, die auf die Radeberger Gruppe durchschlägt, die dann sagt, wir machen den Standort zu, wir können das Schöfferhofer-Bier genauso gut an irgendeinem Standort in Ostdeutschland brauen, wo die Quadratmeterpreise für die Grundstücke bei zehn Euro liegen und nicht bei 1.000 Euro wie vielleicht in Frankfurt. Von daher ist das das Problem dahinter. Wenn Sie dann im Ältestenausschuss sagen, wir sollten mehr Bier trinken, das hilft Binding, ist es natürlich eine sehr einfache Rechnung. Ich habe einen guten Vorschlag für die Koalition: Es gibt den Ratskeller hier unten im Gebäude, vielleicht wäre es ein erster Schritt, den zu reaktivieren und zu sagen, wir schenken da Binding aus, dann hätten Sie schon einen kleinen Beitrag geleistet.
(Beifall)
Also setzen Sie das doch einmal um. Der Ratskeller ist seit Jahren leer und das wäre der beste Ort, um Binding-Bier auszuschenken. Was wir jetzt brauchen, sind mehrere Dinge. Wir brauchen zunächst die Solidarität, die drücken wir aus. Das Zweite ist, dass wir uns kollektiv für den Erhalt der Arbeitsplätze einsetzen müssen und das bedeutet, wir müssen alle der Meinung sein, dass dieser Standort bleibt, das ist das Primärinteresse. Jetzt schon darüber nachzudenken, was denn ist, wenn der Standort geschlossen wird, suggeriert leider, es könnte so sein. Ich bin der Meinung, das Kind ist noch nicht in den Brunnen gefallen, man kann noch nachverhandeln. Und, Frau Wüst, Sie kriegen heute den von einer breiten Mehrheit getragenen Auftrag, zu verhandeln, dass Radeberger diesen Standort nicht dichtmacht. Und was auch wichtig ist – das wurde von Stadtrat Josef angesprochen -, ist der Poker um die Grundstücke, der muss vermieden werden. Es ist natürlich gut, wenn der Bebauungsplan so bleibt, dass dort, wo einmal Gewerbe ist, auch Gewerbe bleibt, dass es eben nicht filetiert wird wie an anderer Stelle. Wir wissen doch alle, was auf dem Henninger-Areal in Sachsenhausen entstanden ist. Bei Henninger ist auch kein sozialer Wohnungsbau entstanden. Von daher ist das das Plädoyer und das Bekenntnis, das auch in den Anträgen zum Ausdruck kommt: Es muss ein Gewerbestandort bleiben. Es muss im besten Fall sogar ein Brauereistandort bleiben, an dem weiterhin Binding-Bier gebraut wird. Und wenn wir dann noch im Ratskeller Binding-Bier trinken können, dann haben wir vielleicht alle etwas davon.
Vielen Dank!