16. Plenarsitzung der Stadtverordnetenversammlung am 10. Oktober 2022:
Stadtverordneter Eyup Yilmaz, LINKE.:
Sehr geehrte Damen und Herren,
Die CDU war die letzten 30 Jahre mit an der Stadtregierung und trägt die Mitverantwortung für den fehlenden sozialen und bezahlbaren Wohnraum.
In der Regierung hat die CDU den halbherzigen Baulandbeschluss mitgetragen, den sie jetzt wieder abschaffen will.
Warum der Baulandbeschluss, den die CDU schleifen will, nicht weit genug geht, möchte ich kurz erläutern:
1. Die Regelung „30 Prozent gefördert“ gibt es schon seit 2014 (Beschluss § 4542 vom 2. Mai 2014). Seitdem ist der Bedarf an geförderten Wohnungen weiter gestiegen und der Bestand an Sozialwohnungen drastisch zurückgegangen.
Gerade von 2016 bis 2021 gab es etwa 23 Tausend Baufertigstellungen. Davon waren aber nur etwa 600 Sozialwohnungen (etwa 2,6 %). Die angebliche 30 Prozent-Förderquote wurde nicht annähernd erreicht.
2. 15 Prozent der Flächen soll gemeinschaftlichen Wohnprojektgruppen vorbehalten sein
Auch dieser Bestandteil ist nicht neu: Schon 2006 wurde beschlossen (Beschlüsse § 10659 und § 10712), dass 15 Prozent der Flächen für gemeinschaftliche Wohnprojektgruppen vorgehalten werden sollen. Allerdings ist der neue Baulandbeschluss ausführlicher und genauer formuliert.
Auch dieser ist aber bis jetzt kaum umgesetzt, zB: 6 Wohngruppen warten seit 2016 im Kulturcampus auf ihre Flächen.
Private Luxuswohnhochtürme sind fertig, aber die Wohngruppen wissen immer noch nicht, ob sie und wo sie Bauflächen bekommen.
3. 15 Prozent der Flächen: freifinanzierter Mietwohnungsbau
Hier sollen teure Mietwohnungen stehen, es gibt hier keine Höchstgrenze.
4. 10 Prozent der Flächen:
Preisreduzierte Eigentumswohnungen bauen. Dieser Bereich ist das größte Problem!
Der Baulandbeschluss schließt nicht aus, dass der Anteil an Wohneigentum auch für öffentliche Wohnungsgesellschaften wie die ABG oder städtische Grundstücke gelten soll.
Das würde bedeuten, dass die Stadt vermehrt Grundstücke dem privaten Wohnungsmarkt zuführt.
Tatsächlich hat die stadteigene Wohnungsbaugesellschaft ABG mit der Verkündung des Baulandbeschlusses bereits im November 2019 angekündigt, mehr Eigentumswohnungen bauen zu wollen. Das hat die ABG mit der ersten Etappe, 40 Doppelhäuser Nieder Erlenbach, begonnen.
Sie haben 10 Prozent Eigentumswohnungsbau für die Öffentlichen Wohnungsbaugesellschaften ermöglicht. Damit haben Sie Tür und Tor für die Privatisierung von öffentlichem Eigentum geöffnet.
5. 30 Prozent „Restflächen“
Es ist klar, dass die Investoren auf diesen Flächen hauptsächlich teure Eigentumswohnungen errichten werden. Durch die Gesetzgebung im Baugesetzbuch ist die Stadt bzw. Gemeinde für die Bauleitplanung zuständig (§ 1 Abs. 3 BauGB). Der bestehende Gestaltungsspielraum wird also nicht wahrgenommen und die Stadt überlässt die Gestaltung dieser Fläche den Investoren.
6. Städtebauliche Verträge zur Beteiligung an den Infrastrukturkosten
Es gibt bis jetzt keine Bebauungspläne, bei denen die Investoren an den Infrastrukturkosten beteiligt sind. Das betrifft etwa 17 Bebauungspläne, bei denen mindestens 10.000 Wohnungen entstehen können.
Prominente Beispiele sind das Schönhofviertel mit ca. 2.500 Wohnungen, Römerhof ca. 2.000, Kulturcampus Bockenheim ca. 1.000 Wohnungen.
In München wird diese Art der Vorschrift auch „Sozialgerechte Bodennutzung“ genannt und konsequent umgesetzt.
Aber dem Frankfurter Magistrat fehlt der Mut, sich gegen die Investoren durchzusetzen.
Wir beobachten die Entwicklung mit Besorgnis: Die öffentlichen Wohnungsbaugesellschaften bauen nicht nur Eigentumswohnungen, sondern sie kooperieren mit börsennotierten Immobilienhaien, wie Instone AG, die keine soziale Verantwortung tragen.
Meine Damen und Herren,
der Magistrat hat Planungs- und Gestaltungshoheit, und kann es anders machen: eine ökologische und sozialgerechte Stadtentwicklung ist möglich.
Schauen wir mal nach Wien: Die Stadtregierung ist offen für alle Investoren. Wer in Wien bauen will, muss zu zwei Dritteln Sozialwohnungen bauen und das nicht nur für eine begrenzte Ablaufzeit, sondern es gilt: einmal Sozial, immer sozial.
Das muss auch in Frankfurt möglich sein.
Vielen Dank