Neuer Straßenname für die bisherige Kasernenstraße: Mara-Jakisch-Straße

Antrag im Ortsbeirat 7

Der Ortsbeirat bittet den Magistrat, den Namen Mara Jakisch in das Verzeichnis der benennenden Straßennamen aufzunehmen.

Er bittet den Magistrat außerdem, die bisherige Kasernenstraße in „Mara-Jakisch-Straße“ umzubenennen.

Begründung:

In der OF 561/7 vom 18.1.2021 wurde interfraktionell vereinbart, dass die Straßen im Schönhofviertel nach Frauen benannt werden sollen. Die Kasernenstraße sollte zudem nach einer Frau benannt werden, die Opfer der sowjetischen Machtpolitik wurde.

Der Vorschlag „Mara Jakisch“ bezieht sich auf das Schicksal einer Frau, die zu Unrecht von sowjetischen Militärs verhaftet wurde und jahrelange Zwangsarbeit in sibirischen Arbeitslagern verrichten musste. Sie hat die Strapazen trotz schwerwiegender Erkrankungen und dank der Solidarität der mitgefangenen Frauen überlebt. Nach ihrer Entlassung hat sie fast 50 Jahre, also beinahe ihr halbes Leben, im unmittelbar angrenzenden Bereich in Bockenheim gelebt. Somit ist der Bezug zu Frankfurt und sogar zur Lokalität gegeben.

Die Benennung der Kasernenstraße in „Mara-Jakisch-Straße“ würde der sehr späten Rehabilitierung – da war sie 90 Jahre alt – die notwendige Würdigung und Ehrung hinzufügen.

Ihre Vita wird im Folgenden genauer beschrieben.

Quellen:
Susanne Schädlich: „Herr Hübner und die sibirische Nachtigall“,
Gespräch mit Christoph Busch, ehemaliger Pfarrer aus Bockenheim.

Antragstellende:

Inge Pauls, Angela Kalisch, Torben Zick

 

 

Mara Jakisch (1905–2005)

Mara Jakisch wurde in Dresden geboren, studierte seit dem 14. Lebensjahr Gesang und erhielt ihr erstes Engagement mit 18 Jahren an der Oper Bautzen. 1934 begann ihre Filmkarriere. Sie heiratete den Operettensänger Erwin Hartung am 4. Januar 1939 in Berlin, im Oktober wurde Sohn Götz geboren. Gemeinsam wohnten sie in Berlin. Sowohl sie als auch ihr Mann waren weiterhin künstlerisch aktiv und viel auf Reisen. Während der letzten Kriegsjahre zog  Mara Jakisch zu ihrer Mutter zurück nach Dresden. 1946 wurde die Ehe geschieden.

Es folgen Versuche, an ihre frühere Karriere anzuknüpfen: Auftritte in Berlin im Theater am Nollendorfplatz und in der Skala, was im russischen Sektor liegt. Dort trifft sie eine Bekannte und folgt deren privater Einladung in den amerikanischen Sektor. Unter den Gästen sind auch amerikanische Diplomaten. Es ist die Zeit der sich verschärfenden Konflikte zwischen den Westalliierten und der Sowjetunion.

Am 14. Januar 1947 wird Mara Jakisch verhaftet. Der Vorwurf lautet Spionage. Im Februar 1950, nach Einzelhaft und endlosen Verhören durch russisches Militär wird sie nach Sibirien in ein Lager verschleppt. Die Bahnfahrt im Viehwaggon dauert zwei Monate. Es folgen Jahre schwerster körperlicher Arbeit, Krankheit, Hunger, aber auch Solidarität mit russischen Frauen, die ebenfalls im Lager inhaftiert sind. Sie lernt russisch, sammelt Texte und Lieder, übersetzt deutsche Lieder ins Russische. Die Lagerleitung genehmigt ihr ein Konzert, später weitere, so erhält sie den Beinamen „sibirische Nachtigall“.

Erste Nachricht über ihren Verbleib gibt es 1954;  im Jahr 1955 erfolgt die Verlegung in ein Lager nur für deutsche Frauen, im Oktober 1955 wird sie entlassen.

Das schwierigste Kapitel steht ihr noch bevor: sie wurde von ihrem Sohn getrennt, als er sieben Jahre alt war. Die Erziehungsberechtigung war auf ihren geschiedenen Mann übergegangen. Das Recht, ihn zu sehen, muss erst sehr mühsam erstritten werden, ein wirklicher Kontakt zu ihrem nun erwachsenen Sohn ist wohl nie zustande gekommen.

1956 zieht sie nach Frankfurt Bockenheim und wohnt bis zu ihrem Lebensende in der Große See Straße. 1957 beschließt sie, ihre Karriere zu beenden, sie macht keine Auftritte mehr. 1995 erhält sie ein Schreiben mit ihrer Rehabilitierungsurkunde. Sie stirbt 2005 im Alter von 100 Jahren.

Der Pfarrer der evangelischen Gemeinde Bockenheim, Christoph Busch, hält am 12. Januar 2006 die Trauerrede:

„Wir alle sind bewegt von der Lebensgeschichte dieser ungewöhnlichen Frau. Dresden war ihr Geburtsort, Berlin der Ort ihrer Triumphe als Sängerin und als Filmstar, Moskau für sie der Ort der Schrecken in der Einzelhaft, Sibirien ihr Archipel Gulag, die Glocke von Friedland ertönte auch zu ihrer Befreiung, in unserer Stadt Frankfurt hat sie sich neu gefunden.“

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