Frankfurt hinkt mit der Digitalisierung im Vergleich mit anderen Städten um Jahre hinterher und die schlechte Personalsituation macht es nicht besser!

18. Plenarsitzung der Stadtverordnetenversammlung am 15. Dezember 2022:

Stadtverordnete Monika Christann, LINKE.:
15.12.22 zum Metaplan Digitalisierung

 

Herr Vorsteher,

werte Stadtverordnete!

 

Die Koalition hat mit der Beschlussvorlage NR 523 einen Antrag vorgelegt, der als Meta‑Antrag bezeichnet wird und wohl eher als eine vorläufige Ideensammlung oder als Leitplanke zu verstehen ist. Meta ist übrigens ein allgemeines griechisches Präfix, das „jenseits“ bedeutet und oft ein Gefühl der Selbstreferenz aufweist.

 

Erst einmal findet es bei uns LINKEN. Zustimmung, dass sich die Koalition ausführlich Gedanken um eine Digitalisierungsstrategie gemacht hat. Dies unterscheidet sich wohltuend von der von Jan Schneider, CDU, vor Jahren vorgestellten Strategie, die allerdings auch vorwiegend nicht umgesetzt wurde. Frankfurt hinkt mit der Digitalisierung im Vergleich mit anderen Städten um Jahre hinterher und die schlechte Personalsituation macht es nicht besser. Im Abschnitt „Visionen und Ziele“ tauchen Begriffe auf, die für die Strategie leitend sein sollen, nämlich sozial, zukunftsorientiert, effizient, ökologisch nachhaltig sowie barrierefrei und transparent. Daran werden sich die Maßnahmen messen lassen müssen. In Zeiten schnellen digitalen Wandels ist die angestrebte Zeitspanne bis 2030 eher lahm.

 

Fangen wir doch einmal mit der Transparenz an. Was ist eigentlich aus der für Frankfurt geplanten Transparenzsatzung geworden, die vor genau einem Jahr unter Missachtung aller demokratischen Gepflogenheiten und ohne Beratungsmöglichkeit für die Fraktionen mit der Koalitionsmehrheit auf Teufel komm raus durchgesetzt wurde? Herr Dr. Vogel hat es auch schon gesagt. Am Freitag war die Beschlussvorlage im Geschäftsgang, Montagabend musste sie bereits im Ausschuss abgestimmt werden und wurde mit der Koalitionsmehrheit angenommen. Eine Zurückstellungsmöglichkeit wegen Beratungsbedarfs wurde von der Koalition abgelehnt. Seitdem ist Schweigen im Walde. Wir begrüßen das Vorhaben einer Transparenzsatzung, welche für die allgemeine Stadtgesellschaft Einblick in die politischen Vorgänge geben soll, sehen aber keinerlei Ergebnisse, obwohl die Abstimmung doch damals so dringlich war. Es sieht so aus, dass dies zu dem großen Packen von Ankündigungen gehört, die nicht umgesetzt werden. Die jetzt vorliegende Vorlage wurde wiederum als höchst dringlich dargestellt, wohl um die Erfolgsquote der Koalition noch vor Weihnachten etwas aufzupolieren. Es gibt noch erheblichen Beratungsbedarf, insbesondere beim Datenschutz. Auch wenn an verschiedenen Stellen immer wieder beteuert wird, dass der gesetzliche Datenschutz eingehalten wird. Aber was soll man von Aussagen halten, dass die Kommune eine Schlüsselposition in der Bereitstellung und Auswertung von Daten einnehmen möchte, „um auch zwischen privaten Unternehmen und Privatpersonen eine Erhebung und Auswertung von Daten zu garantieren“? Ja, ist denn die Stadt Dienstleister für private Unternehmen? Oder was ist mit dem geplanten Einsatz von Datenbrokern? Hierbei sollen externe Datenhändler, denn nichts anderes sind Datenbroker, städtische Daten auswerten, sie aufbereiten und anschließend der Stadt konzentriert zur Verfügung stellen. Das geht gar nicht!

 

(Beifall)

 

Damit übergibt die Stadt ihre Datensouveränität an fremde Dritte, die zudem noch dafür bezahlt werden müssen. Kritisch sind auch noch andere Dinge zu sehen. Hier nur exemplarisch: Anwendung künstlicher Intelligenz durch IoT, Internet of Things, zu Deutsch Internet der Dinge. Dabei sollen Anfragen von Bürgerinnen und Bürgern ausgewertet und von der KI beantwortet werden. Einmal abgesehen davon, dass Bürgerinnen- und Bürgerservice auch etwas mit Wertschätzung und menschlicher, persönlicher, freundlicher Kommunikation zu tun hat, bietet dies Gelegenheit, Personal einzusparen. Und die Einrichtung eines digitalen Zwillings enthält keinerlei Kriterien. Dies ist umso wichtiger, wenn man weiß, dass ein digitaler Zwilling geeignet ist, Verhaltensweisen von Bürgerinnen und Bürgern zu überwachen, wenn man die Möglichkeiten dazu nicht einschränkt. Wegen des versteckten Diskriminierungspotenzials ist auf jeden Fall erst einmal in allen Handlungsfeldern zuvor ein Gender‑Mainstreaming‑Verfahren mit einem Gender Impact Assessment durchzuführen. Denn genauso wenig wie ein städtischer Haushalt ist auch die Digitalisierung per se geschlechtsneutral. Ganz im Gegenteil. Bei beiden Gebieten ist ganz erhebliches Diskriminierungspotenzial in mehreren Richtungen vorhanden.

 

Und last but not least, es gibt keinen Vorschlag, wie viel diese Digitalvorhaben kosten werden. Ich möchte keiner Vorlage zustimmen, wenn nicht klar ist, wie viele Kosten entstehen. Im Grunde ist dieser Antrag ein Wünsch‑dir‑was-Antrag, der viele Millionen Euro kosten wird. Was in den Schulen während Corona nicht gelungen ist und die Bildungsungleichheit verschärft hat, soll nun hier bei umgebauten mobilen Arbeitsplätzen in der Stadtverwaltung gelingen und für moderne, flexible und diskriminierungsfreie Arbeitsräume, für den Ausbau, für Anschaffungen und das Neugestalten von Arbeitsplätzen sorgen.

 

Angesichts der Ankündigungen des Kämmerers, massiv in den nächsten Haushalten einsparen zu wollen, wird es, wie so oft, bei bloßen Ankündigungen bleiben müssen. Es sei denn, dass die Stadt ihre Daseinsvorsorge an anderen Stellen, wie zum Beispiel der Kinder- und Jugendarbeit freier Träger oder der Feuerwehr und der Rettungsdienste, weiter einschränken will. Was also, lieber Soziales oder lieber künstliche Intelligenz finanzieren? ÖPP als zusätzliche finanzielle Quelle lässt außerdem grüßen und ist hier indirekt erwähnt. Wirtschaftsliberal eben. Genauso ist diese Koalition hier auch gestrickt. Ich glaube, die Feuerwehr braucht dringend eher und sofort mehr Personal und Investitionen in eine bessere Ausstattung bei Rettungswagen und leichtere Rettungsrucksäcke als Big Data.

 

Mit diesem Antrag liegt ein Wünsch‑dir‑was‑Katalog vor. Das wirft man sonst eher den LINKEN. vor, wenn es zum Beispiel um Umweltvorhaben wie Fotovoltaik auf städtischen Dächern geht. Aber wenn man in der Regierung ist, ist das wohl kein Problem mehr. Ob es dann allerdings noch eine soziale Stadt ist, mag dahingestellt sein.

 

Danke!

 

(Beifall)

 

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