Die Stadtverordnetenversammlung möge beschließen:
Der Magistratsvorlage M181/2022 zum „Neuen Stadtteil der Quartiere“ wird unter folgenden Maßgaben zugestimmt:
- Die vorbereitenden Untersuchungen müssen ergebnisoffen durchgeführt und bewertet werden.
- Klima-, Wasser- und Naturschutz müssen so berücksichtigt werden, dass für die angrenzenden Stadtteile keine klimatischen Nachteile entstehen und die vorhandenen Kaltluftschneisen weiterhin Bestand haben. Das Problem der Abgasbelastung sowie der übrigen Schadstoffe durch die Autobahn A5 müssen gelöst werden.
- Die Infrastruktur muss vor Beginn der Wohnbebauung geschaffen werden. Vor allem die Erschließung des Baugebietes durch Anbindung an die geplanten Bahnstrecken und das U-Bahnnetz muss vor Beginn der Baumaßnahmen erfolgen
- Dem großen Bedarf an bezahlbaren Wohnraum muss Rechnung getragen werden, indem je zu einem Drittel Sozialwohnungen und Wohnungen nach dem Mittelstandsprogramm, darüber hinaus Flächen für genossenschaftliches oder gemeinschaftliches Wohnen ausgewiesen werden. Es sollen keine Eigentumswohnungen oder Einfamilienhäuser entstehen.
- Öffentliche Grundstücke sollen in öffentlicher Hand bleiben, indem sie entweder durch die öffentlichen Wohnungsbaugesellschaften ABG Holding oder die Nassauische Heimstätte entwickelt werden. Stehen diese nicht für die Entwicklung zur Verfügung, sollte die Stadt Frankfurt selbst Grundstücke entwickeln und bauen.
- Der notwendige Lärmschutz darf nicht durch den Bau von Sozialwohnungen hergestellt werden. Eine optimale Lösung ist nur mit einer kompletten Einhausung der Autobahn möglich. Es darf kein Ausbau der Autobahnfahrspuren auf der A5 erfolgen.
Begründung:
Der 245 Seiten umfassende Zwischenbericht zum geplanten Stadtteil Frankfurt-Nordwest (Gemarkung Niederursel und Praunheim) an der A5 wurde im November 2022 veröffentlicht. Darin wird eine aktualisierte Planungsvariante einer Quartiersentwicklung östlich der A5 sowie Ergebnisse der bisherigen Tätigkeiten zu den vorbereitenden Untersuchungen vorgestellt. Bei der aktualisierten Planungsvariante sollen 6800 Wohnungen für 17.000 Menschen entstehen.
Bei den Planungen zum neuen Stadtteil an der A5, der bisher als Siedlungsfläche noch nicht ausgewiesen ist, müssen besonders aufgrund der Größe und Komplexität des Vorhabens verschiedene Natur-, Wasser- und Klimaschutzaspekte berücksichtigt werden. Trotz hohen Bedarfes an bezahlbarem Wohnraum, müssen unbedingt auch ökologische und klimatische Folgen umfassend untersucht und bewertet werden. Das Gebiet umfasst ein wichtiges Wasserschutzgebiet, Landschaftsschutzgebiet, Kaltluftentstehungsgebiet, Trinkwasserschutzgebiet, Artenvielfalt und eine Frischluftschneise. Diesen vielschichtigen ökologischen und klimatischen Aspekten müssen angesichts der sich verschärfenden Klimakrise ausreichend Bedeutung beigemessen werden. Die Stadt Frankfurt darf nicht um jeden Preis Baugebiete entwickeln.
Wenn die Ergebnisse von umfassenden Untersuchungen eine Bebauung erlauben und keine ökologischen und klimatischen Zweifel mehr zulassen, kann eine Entwicklung in Erwägung gezogen werden. Die Voraussetzung dafür ist, dass ausreichend bezahlbarer Wohnraum entsteht. Nur in diesem Fall ist dieser umfangreiche städtebauliche Eingriff gerechtfertigt. Vom neuen Stadtteil muss dabei eine Signalwirkung ausgehen: Das bedeutet konkret, dass der Anteil von Sozial- und bezahlbarem Wohnraum und genossenschaftlichem und gemeinschaftlichem Wohnraum deutlich erhöht werden muss. Bisherige Quoten, festgelegt im Baulandbeschluss, sind angesichts der Wohnungskrise unzureichend.
Die Gründe dafür sind offensichtlich: Der Bedarf an bezahlbarem Wohnraum in Frankfurt ist enorm, der Druck auf dem Wohnungsmarkt entsprechend hoch. Besonders Menschen mit geringem Einkommen, die vom Einkommen her Anspruch auf eine Sozialwohnung haben, suchen dringend nach einer günstigen Wohnung. Angesichts des eklatanten Mangels an geförderten Wohnungen und der 22.000 Menschen, die auf der Warteliste beim Amt für Wohnungswesen für eine Sozialwohnung stehen, muss auf dem Entwicklungsgebiet mehrheitlich neuer, geförderter Wohnraum entstehen. Der bisher vorgesehene Anteil an gefördertem Wohnraum von 30 Prozent ist angesichts des schrumpfenden Bestandes an Sozialwohnungen viel zu niedrig. Der neue Stadtteil könnte eine große wohnungspolitische Chance für Frankfurt sein, wenn mindestens zwei Drittel geförderter Wohnraum, jeweils zur Hälfte Wohnungen des Förderwegs 1 und Förderwegs 2, entsteht. Die übrigen ein Drittel der Flächen müssen für genossenschaftliches oder gemeinschaftliches Wohnen ausgewiesen werden. Diese haben trotz stetig steigenden Bedarfes in Frankfurt enorme Probleme bei der Grundstücksuche, bieten gleichzeitig jedoch viel Potenzial für stabile Mietpreise und kollektive Wohnformen und müssen daher aktiv seitens der Stadt Frankfurt gefördert werden. Der Bau von hochpreisigen Eigentumswohnungen und energetisch ineffizienten Einfamilienhäusern, die einen hohen Platzbedarf haben, widerspricht dabei den Zielen einer sozialen Wohnraumversorgung. Der Fokus des Neubaugebietes muss deswegen auf dem geförderten, insbesondere auf dem sozialen Wohnungsbau liegen.
Etwa drei Viertel der Grundstücke gehören der Stadt Frankfurt und städtischen Stiftungen. Diese sollten entweder durch die öffentlichen Wohnungsbaugesellschaften ABG Holding oder die Nassauische Heimstätte entwickelt werden. Stehen diese nicht für die Entwicklung zur Verfügung, sollte die Stadt Frankfurt selbst Grundstücke entwickeln und bauen. Angesichts des eklatanten Wohnraummangels und der Probleme, die der private Wohnungsmarkt erzeugt, darf die Stadt Frankfurt keine Handlungsmöglichkeiten aus der Hand geben. Städtische Grundstücke dürfen auf keinen Fall an private Investoren verkauft werden, um das Projekt zu finanzieren. Die Sicherung von öffentlichem Grund und Boden ist eine notwendige Voraussetzung für die Schaffung von dauerhaft stabilen, niedrigen Mieten.
In den aktuellen Planungen soll die achtspurige Autobahn A5 künftig auf zehn Spuren erweitert werden. Das hätte eine enorme Lärmbelästigung für die Anwohner*innen und sehr hohe Emissionen zur Folge. Zudem müssten zahlreiche Gärten zerstört und an einigen Stellen auch Häuser abgerissen werden. Der Autobahnausbau ist nicht zeitgemäß und aus gesundheitlichen, klimatischen und ökologischen Gründen abzulehnen. Die Verdopplung der Fahrspuren ist unvereinbar mit der Verkehrswende, die dringend vorangetrieben werden muss, um das 1,5-Grad-Ziel einzuhalten. Um die Lärm-, Abgas- und Schadstoffemissionen substanziell zu verringern, ist die volle Einhausung der A5 notwendig. Für die Verkehrswende, aber auch für die Lebensqualität der künftigen Bewohner*innen, muss die Infrastruktur, insbesondere der ÖPNV, vor Beginn der Wohnbebauung geschaffen werden.
Für die weiteren Planungen des neuen Stadtteils ist es essenziell, dass die Untersuchungen wirklich ergebnisoffen durchgeführt werden. Sozialwohnungen und bezahlbare Wohnungen werden in Frankfurt dringend benötigt, Klima- und Wohnungskrise dürfen hier jedoch nicht gegeneinander ausgespielt werden. Heutige Entscheidungen müssen auch vor nachfolgenden Generationen verantwortbar sein.
DIE LINKE. im Römer
Dominike Pauli und Michael Müller
Fraktionsvorsitzende
Antragstellende:
Stv. Ayse Dalhoff
Stv. Dominike Pauli
Stv. Daniela Mehler-Würzbach
Stv. Eyup Yilmaz
Stv. Michael Müller
Stv. Monika Christann
Stv. Pearl Hahn