Stadtverordnetenvorsteherin Claudia Korenke: Der nächste Sprecher ist Herr Yilmaz von den LINKEN. Bitte schön!Stadtverordneter Eyup Yilmaz, LINKE.:
Sehr geehrte Frau Vorsteherin, sehr geehrte Damen und Herren!
Die Magistratsvorlage M 181 zum neuen Stadtteil der Quartiere soll den Weg zu einem zusätzlichen Stadtteil ebnen. Darauf haben sich im Jahr 2017 CDU, SPD und die GRÜNEN geeinigt und entschieden, ein neues Baugebiet zu entwickeln. Hier sollen etwa 6.800 Wohnungen für 17.000 Menschen entstehen. Die Argumente von SPD und GRÜNEN sind immer die gleichen: „Wir brauchen bezahlbare Wohnungen.“ Die CDU sagt: „Wir müssen Einfamilienhäuser bauen“, deshalb drohen sie mit einer Ablehnung.
Die Baulobby beziehungsweise der IHK‑Präsident Ulrich Caspar gibt die Leitlinie an die Stadtregierung und sagt: „Ohne neue Flächen kann der Bedarf an Wohnungen für dringend benötigte Fachkräfte nicht gestillt werden. Statt Kohlköpfe brauchen wir Menschenköpfe, daher sollen die Stadtverordneten verantwortungsbewusst sein und durch einen Beschluss für ein neues Baugebiet die Weichen für die Zukunft der Stadt stellen.“
Diese Parteien und der IHK-Präsident müssen eines wissen: Verantwortungsbewusst zu sein, bedeutet für uns LINKE., auf das Stadtklima, die Umwelt und die sozialen Belange gleichermaßen Rücksicht zu nehmen, um der nächsten Generation eine lebenswerte Stadt zu überlassen. Das ist unsere Verantwortung!
(Beifall)
Die GRÃœNEN, CDU, SPD und FDP treiben eine betonierte Stadt weiter voran. Die Dippemess und Kleingärten müssen für die Europäische Schule weichen, Wälder werden gerodet, der Fechenheimer Wald wird für den Riederwaldtunnel und den Autobahnausbau geopfert und jetzt ist der neue Stadtteil an der Reihe – auf Kosten der Natur.
(Beifall)
Es stellt sich die Frage, ob wir tatsächlich einen neuen Stadtteil brauchen. Wenn ja, dann müssen wir genau hinschauen, wo gebaut wird und für wen gebaut wird.
(Beifall)
Lieber Simon, diese Fragen werden nicht ernsthaft gestellt. Wir haben immer noch keinen Abschlussbericht vom neuen Stadtteil Riedberg bekommen. Es wurde damals gesagt, dass Sozialwohnungen und bezahlbare Wohnungen gebaut werden sollen, aber entstanden ist ein Viertel für Wohlhabende, und das durch öffentliche Mittel.
Bauen, bauen, bauen und trotzdem können wir die Wohnungsfrage nicht lösen. Es wurde in den letzten Jahren so viel gebaut wie noch nie. Von 2016 bis 2021 wurden 23.535 neue Wohnungen fertiggestellt, darunter waren nur 518 Sozialwohnungen. Das sind nur 2,2 Prozent. Dagegen haben fast 5.000 Sozialwohnungen ihre Bindung verloren. Das ist gut für die Betongoldinvestorinnen und -investoren, aber eine erschreckende Bilanz für die Frankfurter Bevölkerung, die auf Sozialwohnungen und bezahlbare Wohnungen wartet.
Meine Damen und Herren, liebe CDU und liebe GRÜNE, die Sie Ihre grüne Identität längst verloren haben: Was steht im Wohnungsmarktbericht? Waren Sie einmal neugierig und haben darin gelesen? Laut Wohnungsmarktbericht stehen schätzungsweise 17.000 Wohnungen in Frankfurt leer, weil wir kein Zweckentfremdungsverbotsgesetz als Mittel gegen den Leerstand haben.
Liebe GRÜNE und liebe CDU, warum führen Sie dieses Gesetz auf Landesebene nicht wieder ein, damit wir günstigen Wohnraum im Bestand ermöglichen?
(Beifall)
Das Potenzial der zurückgewonnenen Wohnungen ist dreimal so groß wie der neue Stadtteil an der A 5. Es gibt noch eine Möglichkeit: Es gibt in Frankfurt einen enormen Büroleerstand. Schätzungsweise gibt es in Frankfurt 800.000 bis 1 Millionen Quadrat-meter leer stehende Büroflächen und es werden weiterhin überall Bürogebäude gebaut. Gerade wenn wir den Leerstand der Bürogebäude in Wohnungen umwandeln würden, könnten wir 20.000 bis 30.000 Wohnungen im Bestand ermöglichen. Die Lösung heißt: bauen im Bestand. Das Problem ist der fehlende politische Wille.
Die Landes- und Stadtregierung folgen den Interessen von Investorinnen und Investoren, anstatt Klima, Umwelt und Bürger:innenbelange zu schützen. Von Anfang an wurde ein Consilium beauftragt. Wir sehen es doch am Westhafen, am Deutschherrnufer und im Europaviertel, was das Consilium geplant und empfohlen hat. Eine Handvoll sogenannter Expert:innen ohne jegliche Bürger:innenbeteiligung und Transparenz wird auch in diesem Fall investor:innenfreundliche Empfehlungen abgegeben.
Die LINKE. ist gegen jegliche Privatisierung von Grund und Boden. Deswegen haben wir einen Hierzu‑Antrag eingereicht, den Sie für die Tagesordnung nicht zugelassen haben. Das ist eben Ihr demokratisches Verständnis. Wir werden der Magistratsvorlage M 181 zum Neuen Stadtteil der Quartiere nur zustimmen, wenn folgende Kriterien erfüllt werden:
Punkt eins: Die vorbereitenden Untersuchungen müssen ergebnisoffen durchgeführt werden, das bedeutet, keine Vorabentscheidungen.
Punkt zwei: Klima- Wasser- und Naturschutz müssen ernsthaft berücksichtigt werden. Das Gebiet umfasst ein wichtiges Wasserschutz- und Trinkwasserschutzgebiet. Die Kaltluftschneisen sind essenziell für Frankfurt und müssen erhalten bleiben.
Punkt drei: Die Infrastruktur muss vor Beginn der Wohnbebauung geschaffen werden, es dürfen nicht die gleichen Fehler wie im Riedberg wiederholt werden.
Punkt vier: Wenn wir bauen, dann müssen wir dem Bedarf entsprechend bauen. Es dürfen einschließlich Sozialwohnungen und bezahlbare Wohnungen entstehen. Wir fordern zu einem Drittel Sozialwohnungen, zu einem Drittel sogenannte Mittelstandswohnungen und zu einem Drittel Flächen für genossenschaftliches oder gemeinschaftliches Wohnen. Es dürfen keine Eigentumswohnungen oder Einfamilienhäuser entstehen. Diese sind in Frankfurt bereits genug vorhanden.
(Beifall)
Punkt fünf: Grund und Boden müssen in öffentlicher Hand bleiben. Sie müssen entweder durch die öffentliche Wohnungsbaugesellschaften ABG Holding oder Nassauische Heimstätte entwickelt werden. Angesichts der Wohnungskrise darf die Stadt Frankfurt keine Handlungsmöglichkeiten aus der Hand geben. Nur durch die öffentliche Trägerschaft können stabile und günstige Mieten gesichert werden.
Punkt sechs: Der notwendige Lärmschutz darf nicht durch die Sozialwohnungen geschaffen werden. Eine komplette Einhausung der Autobahn ist zum Schutz vor Lärm und Emissionen notwendig. Es darf keinen Ausbau der A 5 geben.
Das sind unsere Bedingungen für einen neuen Stadtteil. Nur wenn diese Kriterien eingehalten werden, kann eine neue Bebauung in Erwägung gezogen werden. Klimatische und ökologische Aspekte dürfen nicht ausgehebelt werden.
Vielen Dank!
(Beifall)