Einschränkungen der Privilegien für das Auto

Stadtverordnete Dr. Daniela Mehler-Würzbach, LINKE.:

 

Werte Frau Vorsteherin,

werte Stadtverordnete!

 

Ich bin ein bisschen erstaunt, Kollege Schulz: Das System der Diagonalsperren, das System der Superblocks würde Menschen in Stadtteilen spalten. Ich bin ein bisschen irritiert darüber. Mein Eindruck ist eher, dass die Mobilisierung gegen Verkehrswendeprojekte gerade die Menschen in den Stadtteilen spaltet und nicht irgendwelche Diagonalsperren, die in ihrer Art und Weise, dass sie einfach Diagonalsperren sind, nichts dafür können.

 

An der Mobilisierung gegen Verkehrswendeprojekte im Kontext von Wahlkämpfen stellen wir leider immer wieder fest, wie fahrlässig im Ringen um die dringend benötigte Verkehrswende gehandelt wird. Egal ob Mainkai oder Oeder Weg, geht es um die Einschränkungen der Privilegien für das Auto, kochen Emotionen hoch. Ich freue mich sehr, dass wir heute über Superblocks reden. Wir haben schon viel darüber gehört, Superblocks, erfunden von jemandem in den 1980-er Jahren in Barcelona, zu einem Zeitpunkt, als es auch damals nicht durchsetzungsfähig war, mit dem Ziel, eigentlich etwas gegen den Lärm in der Stadt zu tun. Damals hat man noch gar nicht so viel über Klimaschutz und CO2-Neutralität gesprochen. Es ging dem Erfinder damals um den Lärmpegel in der lauten Metropole, den er auf 65 Dezibel senken wollte. Er erkannte ganz schnell, dass das mit dem normalen Verkehr überhaupt nicht realistisch machbar sei. Also die Idee, neue Wohnblöcke zu einem Superblock zusammenzufassen, in dem Fußgänger:innen, Radfahrende Vorfahrt haben und Autos nur geduldet werden, wenn sie nicht schneller als mit zehn Kilometern pro Stunde unterwegs sind und der Verkehr ansonsten über die Hauptverkehrsstraßen außenherum geführt wird. Das heißt kleine Inseln der Ruhe, der Lebensqualität, des Grüns, des Miteinanders zu schaffen. Das ist in den letzten Jahren umgesetzt worden. Wir haben von vielen Projekten nicht nur in Barcelona, sondern auch in anderen Städten gehört, wir wissen aber auch, dass es nicht alles eins zu eins übertragbar ist. Stadtstrukturen sind in der Regel baulich schon vorhanden, das heißt, es ist nicht immer eins zu eins umzusetzen, so wie im praktisch quadratischen Barcelona.

 

Ein Schweizer Forscher hat untersucht, inwieweit fünf deutsche Städte für eine entsprechende Umstrukturierung geeignet wären, und er stellte logischerweise große Unterschiede fest. Erfreulich für uns in Frankfurt ist, dass er feststellte, dass sich das Straßennetz von Frankfurt extrem gut für solche Blöcke eignen würde. Ein Viertel aller Straßen in Frankfurt könnten demnach für sogenannte Super- oder Miniblocks infrage kommen. Ob auch in Frankfurt Viertel für Menschen und ohne Blech beziehungsweise mit weniger Blech entstehen, hängt allerdings am Ende weniger von wissenschaftlichen Erkenntnissen ab als vielmehr vom politischen Willen. Die Unterstützung der Anregung aus dem Ortsbeirat 3 ist gut. Natürlich ist zentral, nicht nur einen einzelnen Superblock vor Augen zu haben, sondern ein Gesamtkonzept zu erarbeiten, um negativen Effekten wie der oft befürchteten Verlagerung des Verkehrs in die angrenzenden Gebiete entgegenzuwirken. Ãœbrigens: Genau das und nichts anderes besagt die Anregung aus dem Ortsbezirk 3, nämlich dass im Rahmen der derzeit entwickelten Verkehrskonzepte die Idee der Blocks aufgegriffen werden soll. Ãœbrigens ist dort auch aufgeschrieben, dass alle Adressen mit dem Auto erreichbar bleiben sollen. Also, es ist echt niedrigschwellig formuliert, das muss man einfach einmal zugeben.

 

Sorge bereitet mir allerdings, ob die Voraussetzungen für eine Umsetzung vorhanden sind. Einige von uns haben verfolgt – das ist auch eben schon mehrfach angesprochen worden -, dass der VCD in Bockenheim ein gutes Konzept entwickelt hat, das viel Unterstützung erfahren hat. Hier ist viel vorgearbeitet worden, und auch der Magistrat erachtet es aus Sicht der Gesamtverkehrsplanung für eine gute Idee und den Kernbereich in Bockenheim rund um die Leipziger Straße als geeignet. Aufgrund aktuell nicht zur Verfügung stehender personeller und finanzieller Ressourcen allerdings müsse offenbleiben, „ob eine Umsetzung der Anregung möglich ist“. Weiter heißt es auch in der Stellungnahme ST 916, dass für eine mögliche Umsetzung dieser guten Ansätze Ressourcen und politische Priorität fehlen.

 

Wir haben in den letzten Jahren viel gelernt. Nur Straßen zu sperren bedeutet keine Aufwertung, temporäre Maßnahmen kosten Geld, machen Veränderungen zwar kurzzeitig erlebbar, sind aber kein nachhaltiger Wandel, den wir aber leider und ganz offensichtlich eigentlich wollen und bräuchten. Und genau hier stehen wir. Wir können gemeinsam verändern. Sie, wir können uns gemeinsam entscheiden – für den Stadtumbau, für den Rückbau von der autogerechten zur menschengerechten Stadt – und brauchen mutige Entscheider:innen mit dem Willen zu Priorisierungen und richtigen Entscheidungen und einem langen Atem, denn wie wir alle wissen und wie verkehrspsychologische Studien zeigen, ist der Widerstand immer kurz vor der Änderung am größten. Danach steigt die Akzeptanz, und zwar gewaltig, für lebenswertere Städte, Verkehrsberuhigung, eins, zwei, drei, viele Superblöcke in Frankfurt. Und wer sich die hübsche Grafik, die der Schweizer Forscher für Frankfurt erstellt hat, einmal anschauen möchte, kann das gerne bei mir tun.

 

Danke!

 

Dieser Beitrag wurde unter Dr. Daniela Mehler-Würzbach abgelegt und mit verschlagwortet. Setze ein Lesezeichen auf den Permalink.
Nach oben