Die Stadtverordnetenversammlung möge beschließen:
- Der Magistrat nutzt Möglichkeiten des Planungsrechts und verhindert den Abriss der ehemaligen Dondorf-Druckerei in der Sophienstraße 1-3.
- Der Magistrat appelliert an das Land Hessen, das historische Industriegebäude zu erhalten und es künftig im Sinne einer gemeinwohlorientierten Quartiersentwicklung zu nutzen.
- Der Bestandsschutz des Gebäudes ist Voraussetzung für künftige Planungen. Ein Abriss ist ausgeschlossen.
- Die ehemalige Dondorf-Druckerei wird in die Planungen für den Kulturcampus integriert.
Begründung:
Vom 24. Juni bis zum 12. Juli 2023 wurde die ehemalige Dondorf-Druckerei in Bockenheim besetzt. Zahlreiche Initiativen und Einzelpersonen haben damit ein starkes Zeichen gegen klimaschädlichen Abriss, für die Anerkennung als Kulturdenkmal und für die Etablierung eines selbstverwalteten kulturellen Zentrums im Stadtteil gesetzt. Das Gebäude befindet sich im Besitz des Landes Hessen und ist von einem Abriss zugunsten eines Neubaus für das Max-Planck-Institut für Empirische Ästhetik (MPIEÄ) bedroht. Neben zahlreichen Initiativen setzen sich große Teile der Zivilgesellschaft aus Bockenheim, Architects for Future, der Bund Deutscher Architekten u.v.m. für den Erhalt des Gebäudes ein. Auch der betreffende Ortsbeirat 2 (Bockenheim, Kuhwald, Westend) fordert mehrheitlich in einem Antrag den Bestandsschutz (OF664/23). Am 12. Juli wurde die Druckerei mit einem völlig unverhältnismäßigen Polizeieinsatz gewaltsam geräumt. Jegliche Verhandlungen um eine soziale Zwischennutzung wurden damit abgebrochen. Damit steht das Gebäude nun mehrere Monate bis zur geplanten Übergabe an das MPIEÄ im November 2023 leer und bleibt ungenutzt. Mittlerweile wurden sogar die Eingänge zugemauert. Das ist ein Symbol für die gescheiterte Stadtentwicklung in Frankfurt.
Der Erhalt ist aus verschiedenen Gründen notwendig. Der geplante Abriss muss aus klimapolitischen Gründen unbedingt verhindert werden. Ein Erhalt spart enorm viel Ressourcen und vermeidet hohe Mengen an Kohlendioxid-Emissionen, welche der Abriss und Neubau verursachen würden. Das Backsteingebäude weist enorm viel graue Energie auf, also im Gebäude gebündelte Energie, die für Bau, Herstellung und Transport aufgewendet wurden und durch einen Abriss einfach zerstört werden. Um Klimaschutz wirklich ernst zu nehmen und Klimaziele einzuhalten, muss die Stadt Frankfurt sich endlich vom klimaschädlichen Neubau abwenden und Potenziale des Bauens im Bestand konsequent nutzen. Der Erhalt der Dondorf-Druckerei kann ein Anfang dafür sein.
Das 1890 errichtete Bauwerk ist zudem ein wichtiges Zeugnis der Industriekultur und der jüdischen Geschichte in Frankfurt. Über 130 Jahre hinweg haben das Haus und die jüdische Gründerfamilie sowie die Nachfolger*innen eine wechselhafte Geschichte des innovativen Druckhandwerks und der Verfolgung durch die Nationalsozialisten erlebt. Die Geschichte des Familienbetriebs kann nur für nachfolgende Generationen erhalten bleiben, wenn das Gebäude vor dem Abriss geschützt wird. Ein Abriss gleicht einer weiteren Unsichtbarmachung jüdischer Geschichte in Frankfurt und muss unbedingt verhindert werden. Die Dondorf-Druckerei als eine der wenigen historischen Zeugnisse der Industriegeschichte, die noch existieren, darf nicht einfach aus dem Stadtbild verschwinden.
Um Bockenheim wirklich zum Kulturcampus zu machen, braucht es ausreichend kulturelle Freiräume für alle. Diese sind aufgrund des steigenden Verwertungsdrucks Mangelware in Frankfurt. Viele bestehende, nicht-kommerzielle kulturelle Zentren sind in ihrer Existenz bedroht, weshalb es umso wichtiger ist, mehr Freiräume zu schaffen. Die Besetzung hat gezeigt, wie innerhalb kürzester Zeit kulturelle und soziale Zwischennutzungen umgesetzt werden können. Sie ermöglichen Kollektivität, Begegnungen ohne Konsumzwang, politische Selbstorganisierung, kulturelle Angebote und Räume für Selbstverwaltung und Selbstbestimmung. Die Dondorf-Druckerei bietet ausreichend Möglichkeiten, diese kulturellen Räume im Stadtteil zu realisieren und Menschen mit unterschiedlichem Hintergrund zusammenzubringen.
Auch der Städtebaubeirat lehnt den Abriss der Dondorf-Druckerei ausdrücklich ab. Der Erhalt und Umbau könne auf dem Areal des künftigen Kulturcampus der erste „Baustein einer innovativen, nachhaltigen und gemeinwohlorientierten Quartiersentwicklung“ werden[1]. Das Bauwerk weise eine erhaltenswürdige und entwicklungsfähige Gebäudesubstanz auf. Der vom MPIEÄ geplante Neubau wird vom Städtebaubeirat als unzureichender Umgang mit der Geschichte gewertet. Der Erhalt der Druckerei wird demnach nicht nur von Initiativen, Zivilgesellschaft und Politik gefördert, sondern auch von renommierten wissenschaftlichen Gremien wie dem Städtebaubeirat.
Angesichts der Klimakatastrophe braucht es einen Paradigmenwechsel im Bereich Bauen. In Zeiten von Demokratie- und Klimakrise ist es fatal, historisch wertvolle Gebäude wie die Dondorf-Druckerei abzureißen, sie endgültig zu zerstören und sich über die vielfältigen Stimmen der Zivilgesellschaft hinwegzusetzen. Die Dondorf-Druckerei hat historische und kulturelle Bedeutung für den Stadtteil und die gesamte Stadt. Das Land Hessen als Eigentümerin muss eine Vorbildunktion für den Bestandsschutz einnehmen. Sie kann einen wichtigen Beitrag für eine solidarische Stadtteilentwicklung leisten. Die Stadt Frankfurt muss ihr Planungsrecht nutzen, um den Abriss der Dondorf-Druckerei zu verhindern. Der Erhalt der Dondorf-Druckerei, der von Wissenschaftler*innen und der Stadtgesellschaft gleichermaßen mit Nachdruck unterstützt wird, muss planungsrechtlich abgesichert werden, um das Industriedenkmal zu schützen und es für soziale Nutzungen zu öffnen
DIE LINKE. im Römer
Dominike Pauli und Michael Müller
Fraktionsvorsitzende
Antragstellende:
Stv. Ayse Dalhoff
Stv. Dominike Pauli
Stv. Daniela Mehler-Würzbach
Stv. Eyup Yilmaz
Stv. Michael Müller
Stv. Monika Christann
[1] Städtebaubeirat der Stadt Frankfurt am Main (14.08.2023): Erhalt der Dondorf-Druckerei. In: Positionen zum Städtebau, S. 2