Rede während der 28. Plenarsitzung am 1. Februar 2024
Stadtverordneter Michael Müller, LINKE.:
Herr Vorsteher,
meine sehr geehrten Damen und Herren!
Ich freue mich, dass wir uns jetzt mit dem Thema beschäftigen. Heute streiken die Beschäftigten am Frankfurter Flughafen, und morgen werden unter anderem U-Bahn-Fahrerinnen und U-Bahn-Fahrer im ÖPNV streiken. Ja, und ihre Streiks und Forderungen sind höchst berechtigt, denn sie sind es doch, die den Laden am Laufen halten. Sie sind es, die die Gewinne erwirtschaften, und sie haben mehr Lohn und Einkommen verdient. Denn während die einen für mehr Lohn streiken, sind die Gewinne der anderen weiter gewachsen. Es ist unserer Meinung nach höchste Zeit für mehr Umverteilung und dafür, Unternehmen stärker in die Verantwortung zu nehmen. Insgesamt ist Frankfurt, unsere Stadt, eine der wohlhabendsten Städte in diesem Land. Gleichzeitig ist Frankfurt am Main mit eine der Städte mit den höchsten Lebenshaltungskosten. Sie liegen insgesamt um 16 Prozent höher als der Bundesschnitt. Das, meine sehr geehrten Damen und Herren, wissen alle Frankfurterinnen und Frankfurter ganz genau, die hier eine Wohnung suchen, die hier auch monatlich Sorge haben, dass die Miete erhöht wird, oder alle, die auf Bus und Bahn angewiesen sind, denn die Fahrpreise im RMV sind doch mit die höchsten in ganz Deutschland.
Wir müssen auch über die Inflation reden, denn sie ist immer noch da, und was besonders sozial relevant ist: Sie trifft nicht alle Menschen gleich in Frankfurt.
Das wissen wir. Sie trifft mit voller sozialer Unwucht Menschen, die eben keine dicken Aktiendepots haben, die zur Miete leben oder alleinerziehend sind. Ehrlich gesagt, finde ich es mehr als dreist, dass die FDP bei dieser schwierigen Frage dumme Zwischenrufe macht, die nur deutlich machen, dass Ihnen die soziale Realität von Menschen, die jeden Tag im Supermarkt überlegen, „Kann ich mir das noch leisten oder nicht?“, dass Ihnen die Situation von vielen Frankfurterinnen und Frankfurtern egal ist.
Die Inflation verharrt auf eklatant hohem Niveau, und allein 2023 zwölf Prozent mehr für Lebensmittel zu bezahlen, allein 16 Prozent mehr für Brot und Semmeln im vergangenen Jahr, das ist eine soziale Härte, die Menschen trifft, die es nicht so dicke haben, wie viele vielleicht meinen.
In dieser Zeit, die den Menschen so viel abverlangt, ist es Aufgabe der Stadtregierung, für Entlastung zu sorgen. Es gibt auch eine hohe Erwartungshaltung, der Sie jedoch als Frankfurter Stadtregierung noch nicht gerecht werden. Im Gegenteil, Sie belasten viele Frankfurterinnen und Frankfurter und geben unserer Meinung nach oft manchen Euro falsch aus.
Sprechen wir doch kurz über die Museen. Ja, die Museen werden wahrscheinlich teurer. Und die Entscheidung jetzt den Direktorinnen und Direktoren zu überlassen, indem Sie die Spanne definiert und ausgeweitet haben, finde ich feige. Was sollen denn die Museen anderes machen, als die Eintrittspreise zu erhöhen? Deswegen war das ein feiges Wegducken, zu sagen, wir machen gar nichts, wir weiten nur den Rahmen, in dem die Frankfurter Museen entscheiden können, ob sie die Eintrittspreise anpassen oder nicht. Das finde ich falsch, denn damit wird der Eintritt in Frankfurter Museen für viele Menschen unerschwinglich.
Zweitens. Der RMV erhöht die Fahrpreise jetzt um acht Prozent. Das wird „Tarifanpassungen“ genannt. Ja. Gleichzeitig wird der Fahrplan realistischer, …
… was genau bedeutet, weniger Angebot, dafür …
Die Zwischenrufe des Kollegen Pürsün sind immer die gleichen, und die interessieren mich nicht. Sie ermuntern mich sogar.
Ehrlich gesagt, Sie können so viele Zwischenrufe machen, wie Sie wollen.
Höhere Fahrpreise, das ist ein schlechter Deal für die Beschäftigten. Dann haben Sie das Geld falsch ausgegeben.
Die Neue Altstadt Frankfurt am Main ist ein Verlustgeschäft. Wir mussten erst kürzlich im Haupt- und Finanzausschuss wieder Verluste der DomRömer GmbH ausgleichen, wieder waren es fünf Millionen Euro, die wir hineinbuttern. Aber Hauptsache, die Neue Altstadt wird gut florieren, aber für viele Frankfurterinnen und Frankfurter ist es kein Ort, an dem man beispielsweise essen geht. Denn die Grüne Soße in den Restaurants dort kostet mittlerweile 20 Euro. Das ist die Realität in der Neuen Altstadt Frankfurt, die wir staatlich subventionieren und der wir die Verluste ausgleichen. Da werden Millionen falsch ausgegeben.
Gleichzeitig erleben wir aber, dass an den Börsen die Sektkorken knallen, die Gewinne steigen, und gerade Finanzdienstleister, Banken, profitieren vom aktuell höheren Zinsniveau. Nur ein Beispiel: die Deutsche Bank. Vor Steuern erzielte die Deutsche Bank 2023 5,7 Milliarden Euro Gewinn – der höchste Gewinn seit 16 Jahren. Das, meine Damen und Herren, liegt natürlich auch am signifikant höheren Zinsniveau, von dem die Banken massiv profitieren, weil allein der Zinsüberschuss, also die Differenz aus den gezahlten Zinsen und den eingenommenen Zinsen, bei der Deutschen Bank zu über einer Milliarde Mehreinnahmen führt. Die FactSet-Dividende 2023 der Deutschen Bank wird 1,6 Milliarden Euro betragen, die sie ausschüttet.
Das ist nur ein Beispiel für uns, warum Umverteilung notwendig, richtig und geboten ist. Deshalb kommt auch der Antrag, den wir vorgelegt haben, zur rechten Zeit. Er ist richtig, und es ist bedauerlich, dass Sie ihn abgelehnt haben, und auf Ihre fadenscheinige Begründung freue ich mich. Ich bin gespannt, was Sie sagen werden. Erklären Sie den Menschen in Frankfurt doch, warum wir auf Mehreinnahmen verzichten. Erklären Sie das den Menschen, die sich schon lange das Museum nicht mehr leisten können. Sie würden gerne ins Museum gehen, aber sie können sich die zwölf Euro Eintritt eben nicht leisten. Erklären Sie das den Menschen, die sich jeden verdammten Tag in dieser Stadt fragen müssen: „Wie komme ich über die Runden?“
Und was macht die Regierungskoalition? Ich weiß es. Sie übernimmt eins zu eins die Argumentationsmuster der IHK. Das kann man natürlich machen, aber das hat dann mit einer sozialen Stadtentwicklung nichts zu tun. Der Magistrat, die Frankfurter Stadtregierung, ist eben nicht nur der Frankfurter Wirtschaft verpflichtet, sondern sie muss endlich die Perspektive all der Menschen in den Blick nehmen, die eine starke, handlungsfähige Kommune brauchen, und letztlich in ihrem Sinne handeln, deshalb Einnahmen erhöhen, um so zukunftsfähig zu bleiben. Nicht mehr und nicht weniger fordern wir heute.
Die IHK behauptet – auch das ist nichts Neues -, jede Gewerbesteuererhöhung sei ein Standortnachteil. Das ist Quatsch. Der größte Standortnachteil für Frankfurt sind die fehlenden Schulen, die fehlende Anzahl an bezahlbaren Wohnungen, es sind die desolaten Industriestraßen, es sind die fehlenden Gewerbeflächen. Das sind die offenen Baustellen.
Das müssen Sie angehen, und reden Sie nicht davon, dass die Gewerbesteuer der größte Standortnachteil ist. Sie spielt, das ist nachgewiesen, eine absolut nachrangige Rolle in der Frage von Ansiedlung. Das haben Sie vielleicht auch in Davos erfahren. Die Gewerbesteuer ist doch da nicht das Thema. Das sind andere Faktoren, und deswegen ist es ein Ablenkungsmanöver, immer auf Eschborn zu zielen. Die Gewerbesteuer ist nicht des Teufels Kind, und eine gewisse Erhöhung schwächt den Finanz- und Wirtschaftsstandort nicht, sondern sie gibt uns die Möglichkeiten, diesen Standort endlich weiterzuentwickeln.
München hat zum Beispiel 490 Punkte. Das ist der Satz, der hier einmal gegolten hat. Und München ist mitnichten industriepolitische Diaspora. Das Isar Valley brummt. Deswegen kann man auch eine Gewerbesteuer moderat anheben, ohne dass hier alles den Bach hinuntergeht.
Sie würden für soziale Gerechtigkeit sorgen, und deshalb ist die Debatte so wichtig, und es ist eine ehrliche Debatte, die wir führen müssen. Deswegen: Treten Sie von der Bremse! Verändern Sie diese Rahmenbedingungen und erhöhen Sie jetzt, nach so vielen Jahren des Stillstands und der Stagnation, die Einnahmen, indem Sie die Gewerbesteuer moderat anpassen. Nutzen Sie diesen Gestaltungsspielraum. Wir haben ja gar nicht so viel finanzpolitischen Gestaltungsspielraum, also nutzen Sie ihn bitte.
Wir werden die Mehreinnahmen nämlich nutzen, um damit auch den Investitionsstau aufzulösen, mehr Personal einzustellen und gute Arbeitsbedingungen zu schaffen. Mit mehr Investitionen sanieren wir den ÖPNV, schaffen wir bezahlbare Wohnungen, kaufen wir offensiv mehr Grundstücke an, und hierzu werden wir auch in den Haushaltsberatungen Vorschläge machen. Außerdem werden wir mit den Mehreinnahmen ein kostenfreies Mittagessen für alle Kinder an Schulen und in Kitas finanzieren können. Es ist ein Paradigmenwechsel, den ich einfordere, der aber notwendig ist. Und 80 Prozent der Deutschen unterstützen die Forderung nach einem kostenfreien Mittagessen an Schulen und in Kitas. Es ist auch eine Forderung, die der Bürgerrat aufgestellt hat.
Ich würde mir wünschen, dass Sie diese Forderungen umsetzen, denn nur damit schafft man die soziale Gerechtigkeit, die wir brauchen, und deswegen muss die Gewerbesteuer nach oben angepasst werden, und deswegen bitte ich auch um Unterstützung für unseren Antrag. Es ist eine soziale Frage. Es ist der Spielraum, den wir nutzen sollten. Ich freue mich auf Ihre Debatten und kann mich dann ja auch noch einmal melden.
Vielen Dank!