Rede während der 29. Plenarsitzung am 29. Februar 2024
Stadtverordnete Dr. Daniela Mehler-Würzbach, LINKE.:
Sehr geehrte Frau Vorsteherin,
werte Kolleg:innen!
„Wir fahren zusammen“, unter diesem Motto fand heute eine Übergabe von 150.000 Unterschriften statt, symbolisch auch hier vor dem Römer. Unter diesem Motto setzen sich Beschäftigte des öffentlichen Personennahverkehrs, Aktive von Fridays for Future und unzählige Unterstützende in einer gemeinsamen Kampagne dafür ein, dass sich die Bedingungen für die ÖPNV‑Mitarbeitenden und für den öffentlichen Personennahverkehr insgesamt deutlich verbessern. Anlass ist die aktuelle Tarifrunde im Nahverkehr, darüber hinaus der immense Personalmangel und die instabile Finanzierung von Bus und Bahn. Ein starker ÖPNV ist die Basis für eine soziale und ökologische Verkehrswende, von der Beschäftigte, Nutzende und Klima gleichermaßen profitieren.
Nur, es wird gerade zu wenig getan und das nicht erst, seit die Ausgleiche für das 49‑Euro‑Ticket nur mehr auf Sicht und kurz vor knapp bewilligt werden. Ich habe in den letzten Wochen viel mit Beschäftigten aus unserem Frankfurter ÖPNV gesprochen. Hören Sie ihnen einmal aufmerksam zu. Die Kolleg:innen glauben nicht, dass wir so schnell aus dem gekürzten Fahrplan wieder herauskommen. Dass nicht noch mehr auffällt, wie arg die Situation ist, schieben sie übrigens auf die vielen Baumaßnahmen in der Stadt, die einiges an Schichten einsparen. Ob sie die EM schaffen? Vielleicht gerade so, mit vielen Überstunden. Sie erzählen von kranken Kolleg:innen, dem Dauerstress, den körperlichen Folgen, der sozialen Isolation durch den Schichtbetrieb, den Schwierigkeiten der Vereinbarkeit. Ein Satz ist mir besonders hängen geblieben: „Und wohin mit den Kindern?“ Wir haben auch hier schon darüber gesprochen. Deshalb möchte ich hier mit den Geschichten aus dem Arbeitsleben enden.
Reden wir darüber, was zu tun ist oder besser, was man lassen sollte. Man sollte nicht, wie der Kollege Schulz von der FDP es beim letzten Mal gesagt hat, krankheitsbedingte Kündigungen als Maßnahme ins Feld führen. Welch ein Hohn für die Kolleginnen zum Dank dafür, dass sie sich jahrelang für die Frankfurter:innen 365 Tage im Jahr abgerackert haben! Was außer den Vorschlägen des Kollegen Schulz noch nicht sinnvoll ist, ist, auf das Land zu hören, wenn das Land in seinem Genehmigungsschreiben zum städtischen Haushalt die Stadt anhält, die Haushaltskonsolidierung auf die städtischen Gesellschaften und Eigenbetriebe auszuweiten. Konkret wurde auf den Zuschussbedarf der Stadtwerke Frankfurt Holding verwiesen. Die VGF ist damit gemeint, die nun einsparen soll. Wie soll das gehen? Wo soll denn in Zeiten der Verkehrswende gespart werden? Beim Unterhalt? Im Infrastrukturausbau? Beim Personal, von dem wir ohnehin viel zu wenig haben? Kämmerer Bergerhoff, was haben Sie in der vom Ministerium bis heute geforderten Vorlage eines Eckwertepapiers für die Haushaltsplanung 2024 bis 2027 zum Zuschussbedarf für die Verkehrsgesellschaften formuliert? Das würde ich gerne wissen.
Nicht sinnvoll ist es, wie gerade bei der Direktvergabe an die ICB geschehen, eine Maßnahme wie ein Bonus-Malus-System einzuführen und den Betriebsrat darüber nicht im Voraus in Kenntnis zu setzen. Wie naiv ist es, zu glauben, die Busse werden pünktlicher oder fallen seltener aus, wenn es hierfür mehr Geld in der Tasche gibt, wenn die Busse wegen Ausfällen überfüllt sind, dadurch länger halten müssen, zum Teil über 100 Kolleg:innen täglich krank sind oder ein Drittel der Flotte nicht einsatzfähig ist? Viele der Rahmenbedingungen ihrer Arbeit können die Beschäftigten eben nicht individuell steuern.
Was sinnvoll wäre: wenn sich die Stadtverordnetenversammlung für das Anliegen der Beschäftigten im ÖPNV nach besseren Arbeitsbedingungen einsetzen würde und wenn auch der Magistrat und auch die Mitglieder der Stadtverordnetenversammlung in den Aufsichtsräten sich bei den städtischen Verkehrsunternehmen dafür einsetzen würden. Das hat übrigens auch unser Antrag gefordert. Darin ging es eben gar nicht nur im engeren Sinn um die Tarifautonomie, sondern um Ihre und unsere Verantwortung gegenüber den Beschäftigten. Jetzt wird es wieder heißen, ja nun, aber das sind dann Angelegenheiten unserer Gesellschaften und nicht unsere. Genau das Spiel bin ich und sind auch die Beschäftigten nicht bereit mitzumachen. Das ist ein bisschen so wie bei mir gerade an der Goethe‑Uni. Klar, wir verhandeln einen Tarifvertrag autonom, solange das Land – Grüße an die SPD und die CDU – den Hochschulpakt nicht aufmacht. Ich kann es lassen, denn ohne Kohle kriegst du nur eine schöne Vereinbarung auf Papier, die nicht umgesetzt werden kann.
Ich weiß, wie das endet und die Studierenden bei uns in der Uni hatten hierzu ein ganz wunderbares Transparent: „Eure Sparpolitik nicht auf unserem Rücken.“ Mehrheitlich konnten Sie, werte Kolleg:innen, sich in einem Punkt zur Zustimmung durchringen und dafür bedanke ich mich. Der Magistrat soll sich bei Bund und Land für finanzielle Mittel, für eine deutliche Erhöhung der Personenkilometer im Nahverkehr und bessere Arbeitsbedingungen zur Fachkräftegewinnung und -bindung bei Bund und Land einsetzen. Da wir hier alle Fraktionen von Parteien sitzen haben, die auch in Bund und Land in Regierungsverantwortung sind: Tun Sie etwas, tun Sie mehr! Frau Luxen, treten Sie Herrn Mansoori auf die Füße, da geht noch einiges bei der Nahverkehrsfinanzierung des Landes, denn die ist im Ländervergleich unproportional. Wie schön wäre es, wenn er nicht sagen würde, das Auto gehöre zu Hessen wie Aale Worscht und Äppelwoi, sondern der ÖPNV. Da wären wir doch schon lange weiter.
Herr Schulz, vielleicht reden Sie mit Herrn Wissing und Herrn Lindner einmal über Geld und die Schuldenbremse und nicht über betriebsbedingte Kündigungen, und Herr Bergerhoff, machen Sie das Richtige als Präsident des Kommunalen Arbeitgeberverbandes Hessen. Stadtrat Siefert, die Kolleg:innen Busch, Eberz, Huber, Knacker, Luxen, Ritter, Sitki, Witsch, stellen Sie die richtigen Fragen im Aufsichtsrat. Setzen Sie sich ein, beteiligen Sie sich morgen am Klimastreik, unterstützen Sie die Kolleg:innen der VGF bei ihrem Warnstreik, denn eines muss klar sein: Wir fahren zusammen – die Klimabewegung, die Gewerkschaften, die Beschäftigten, die Frankfurter:innen – oder wir fahren gar nicht und die Verkehrswende gegen die Wand.