Tödliche Polizeischüsse auf Menschen in psychischen Ausnahmesituationen

Am 30. Januar 2024 attackierte ein erkennbar psychisch kranker, 40-jähriger Mann am Deutschherrnufer in Frankfurt-Sachsenhausen zwei Frauen mit einem Messer und verletzte eine davon im Gesicht. Beide Frauen konnten sich nach dem Angriff glücklicherweise in Richtung eines Hotels retten. Drei herbeigerufene Polizeikräfte machten kurz nach ihrem Eintreffen Gebrauch von ihren Dienstwaffen. Der Angreifer verstarb noch am Tatort. Im Obduktionsbericht der Staatsanwaltschaft Frankfurt heißt es, dass ein Schuss in die linke Brustseite todesursächlich gewesen ist. Unklar ist jedoch, ob die Person noch von weiteren Schüssen getroffen wurde. Anwohner*innen hatten Pressevertreter*innen gegenüber übereinstimmend von vier Schüssen berichtet. Mutmaßlich ein Querschläger verletzte überdies einen unbeteiligten Passanten.

Der durch Schusswaffengebrauch der Polizei verursachte Tod des 40-Jährigen ist kein Einzelfall. In Frankfurt kommt es immer wieder zu Fällen von tödlicher Polizeigewalt gegen Menschen in psychischen Ausnahmesituationen. So wurde Amin F. am 2. August 2022 in einem Hotelzimmer im Bahnhofsviertel von SEK-Einsatzkräften erschossen. Soner A. wurde am 22. Juni 2021 in seinem Wohnhaus in Frankfurt-Griesheim bei einem Polizeieinsatz getötet. Christy Schwundeck wurde am 19. Mai 2011 von einer Polizistin im Jobcenter Gallus erschossen.

Dies sind nur einige Beispiele von vielen. Diese und weitere Menschen könnten heute möglicherweise noch leben, wenn auf ihre Krisensituation anders reagiert worden wäre als mit Schusswaffengebrauch.

Vor diesem Hintergrund wird der Magistrat gebeten, folgende Fragen zu beantworten:

  1. Gab es bei dem zu Tode gekommenen vorab Anzeichen einer akuten Krise und wenn ja, wie wurde damit umgegangen?
  2. Wieso haben die beteiligten Polizeibeamten in einer Situation, in der sie deeskalieren und für mehr Sicherheit sorgen sollten, einen Menschen getötet und mutmaßlich einen weiteren verletzt?
  3. Da laut vorläufigem Obduktionsbericht beim Täter selbst nur ein Schuss todesursächlich gewesen ist, stellt sich die Frage, wie viele der offenbar vier abgegebenen Schüsse ihn wohin getroffen haben?
  4. Warum wurde das Ergebnis des vorläufigen Obduktionsberichts der Staatsanwaltschaft Frankfurt erst rund vier Wochen nach dem Tatgeschehen veröffentlicht und ist dieser lange Zeitraum in Frankfurt üblich?
  5. Welche Schulungen erhält die Polizei in Frankfurt (bei und nach der Ausbildung) oder die Stadtpolizei (in der Ausbildung und durch Fortbildungen) im Umgang mit schwer psychisch Kranken? Werden in solche Schulungen Betroffene und oder Interventionsstellen mit eingebunden? Gibt es Richtlinien oder festgelegte Prozedere für die Ansprache bzw. den Umgang mit psychisch Kranken?
  6. Unter welchen Umständen wird bei solchen oder ähnlichen Einsätzen jemand vom Sozialpsychatrischen Dienst (SpDi) eingeschaltet bzw. hinzugeholt? Wie lange dauert es i.d.R., analog zur gesetzlichen Hilfsfrist beim Rettungsdienst, bis fachlich geschultes Personal herangeholt werden kann?
  7. Wie werden solche Vorfälle bei den Koordinierungstreffen nach §6 Absatz 3 PsychKHG aufgearbeitet? Zu welchen Änderungen haben solche Vorfälle in den letzten Jahren geführt?
  8. Im Februar 2023 wurde von der Stadt Frankfurt ein Fachtag zur Vermeidung von Zwang durchgeführt, bei dem Leitlinien zur Vermeidung von Zwang vorgestellt wurden. Inwieweit wurde die Leitlinie zur Vermeidung von Zwang für den gemeindepsychiatrischen Bereich umgesetzt? Inwieweit wird die Leitlinie vom SpDi umgesetzt?

Anfragestellende:

Stv. Monika Christann

Die Linke im Römer
Dominike Pauli und Michael Müller
Fraktionsvorsitzende

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