Am 10. Juli haben wir mit insgesamt 50 Teilnehmer*innen das Bahnhofsviertel erkundet und kritische Einblicke in die Stadtentwicklung und Sozialpolitik gegeben.
Erster Halt war das Mietshaus Am Hautbahnhof 4. Die dort lebenden Mieter*innen sind von Entmietung betroffen und wurden gekündigt, da der Investor eine Umwandlung in ein teures Boardinghaus plant. Ein Mieter berichtete uns von den katastrophalen Zuständen im Haus und der großen Angst vor Verdrängung. Er lebt seit 16 Jahren dort und hat massive gesundheitliche Probleme, die sich durch die Entmietungsabsichten noch weiter verschlimmern.
Anschließend berichtete Eyup Yilmaz, wohnungspolitischer Sprecher der Linksfraktion, über den Mangel an Sozialwohnungen, die Spekulation mit Wohnraum und die Gentrifizierung im Bahnhofsviertel – einem migrantisch geprägten Stadtteil, das seit über zehn Jahren enorm von Aufwertungsmaßnahmen betroffen ist. Anhand konkreter Beispielen wurde aufgezeigt, welche Menschen und Geschäfte bereits aus dem Viertel verdrängt wurden.
Die Humangeographin Luise Klaus vom Institut für Humangeographie der Goethe-Universität, die über Drogenpolitik promoviert, beschrieb die Entstehung der Drogenszene in den 1970er Jahren. Seit dieser Phase der Suburbanisierung wird das Thema Drogen als sicherheitspolitisches Thema behandelt. Klaus machte deutlich, dass es sich bei „der“ Drogenszene um eine sehr heterogene Gruppe handelt. Zudem wurde die Verschärfung der Lebenssituation von wohnungslosen und suchterkrankten Menschen im Zuge der Fußball-EM thematisiert – insbesondere nachdem es viel negative internationale Berichterstattung über den Stadtteil gab.
Eine Bewohnerin des Hausprojekts Nika erzählte über das Konzept des Mietshäusersyndikats, über gemeinschaftliches Wohnen als laufenden Aushandlungsprozess, über die Wirkung im Viertel und über die Herausforderungen, im Bahnhofsviertel zu leben. Im Anschluss gab es einen kritischen Austausch über die Diskurse und die Symbolpolitik, die hinter der Waffenverbotszone steckt.
Aufwertung und Verdrängung, Kontrolle und Kriminalisierung, Sicherheit der einen auf Kosten der anderen, das alles spielt sich im Bahnhofsviertel ab. Es braucht einen Kurswechsel im Bahnhofsviertel, weg von einer Law-and-Order-Verdrängungspolitik, hin zu einer solidarischen Stadtpolitik für alle.