Schikane beenden – Uneingeschränkte Bargeldabhebung mit der Bezahlkarte

Die Stadtverordnetenversammlung möge beschließen:

Der Magistrat wird beauftragt, bei der Einführung der Bezahlkarte für Geflüchtete folgende Punkte sicherzustellen:

  1. Uneingeschränkte Bargeldabhebung mit der Bezahlkarte.
  2. Teilnahme am bargeldlosen Zahlungsverkehr.
  3. Keine örtliche Beschränkung der Bezahlkarte.
  4. Kein Ausschluss bestimmter Waren oder Dienstleistungen.
  5. Gewährleistung des Datenschutzes durch die informationelle Selbstbestimmung.
  6. Möglichkeit von Zahlungen und Überweisungen ohne Genehmigungen von Ämtern.

Begründung:

Die hessische Regierungskoalition aus CDU und SPD hat die Einführung der Bezahlkarte trotz massiver Kritik von zivilgesellschaftlichen Organisationen, wie z.B. von Pro Asyl, Seebrücke oder der Initiative «Hessen sagt Nein! zur Bezahlkarte», für Hessen beschlossen. Seit dem 16. Dezember 2024 wird die Bezahlkarte in Hessen an Geflüchtete ausgegeben – beginnend mit der Erstaufnahmeeinrichtung in Gießen[1]. Andere Landkreise und Städte in Hessen haben angekündigt, in den kommenden Monaten nachzuziehen. In Frankfurt rechnet die Stadtregierung nicht vor April 2025 mit der Einführung der Bezahlkarte.[2]

Ministerpräsident Boris Rhein (CDU) betont immer wieder: „Die Bezahlkarte ist ein wichtiges Instrument zur Begrenzung irregulärer Migration.“[3] Es wird offen verkündet, dass die Bezahlkarte das Leben von Geflüchteten erschweren, die Flucht nach Deutschland unattraktiv machen und Rücküberweisungen, also Geldzahlungen in die Herkunftsländer, unterbinden soll. Es gibt jedoch keine wissenschaftlichen Belege dafür, dass Geld von den erhaltenen Sozialleistungen in die Herkunftsländer geschickt wird. Die Migrationsforschung kommt zu einem anderen Schluss: Sozialleistungen stellen keinen entscheidenden Pull-Faktor dar[4]. Vielmehr sind es Krieg und Klimakrise, die Menschen zur Flucht bewegen.

Schon jetzt wird von massiven Problemen berichtet: In anderen Bundesländern, in denen die Bezahlkarte bereits eingeführt wurde, haben Geflüchtete enorme Schwierigkeiten, Waren und Dienstleistungen zu bezahlen, da vielerorts nur Bargeld akzeptiert wird.[5] Das betrifft zum Beispiel auch Kinder, die ihr Schulessen nicht bezahlen, oder Familien, die nicht auf dem Wochenmarkt einkaufen gehen können, weil die Digitalisierung in Deutschland enorm hinterherhinkt. Zudem ist die Einführung der Bezahlkarte mit einem enorm hohen Verwaltungsaufwand verbunden. Selbst die Stadt Frankfurt räumt die erhebliche Mehrbelastung der Verwaltung ein.[6]

Vielmehr führen die mit der Bezahlkarte verbundenen Handlungseinschränkungen zu Stigmatisierung und weiterer Ausgrenzung. Die Bezahlkarte hat negative Auswirkungen auf die Bewegungsfreiheit der Betroffenen. Sie ist datenschutzrechtlich bedenklich – die Stadt Frankfurt räumt dabei selbst ein, dass datenschutzrechtliche und revisionsrechtliche Fragen derzeit in Klärung sind – und werden den Alltag der Betroffenen unnötig erschweren. Wer in Deutschland ohne Bargeld lebt, verliert an Selbstbestimmung, weil viele Zahlungen ausschließlich über Bargeld funktionieren. Auf der anderen Seite ist die Möglichkeit von Überweisungen unverzichtbar, etwa für den Abschluss eines Handyvertrags oder die Mitgliedschaft im Sportverein. Das zeigt: Die Bezahlkarte ist ein bevormundendes und schikanierendes Diskriminierungsinstrument.

Zwar wurde die Einführung der Bezahlkarte auf Landesebene beschlossen, die Entscheidung über die Höhe des verfügbaren Betrags liegt jedoch bei den Kommunen. Wiesbaden geht voran und hat die uneingeschränkte Bargeldabhebung mit der Bezahlkarte beschlossen. Die Landeshauptstadt beruft sich dabei auf die Einschätzungen des Wiesbadener Rechtsamts: „Gemäß ‚Erlass des Hessischen Ministeriums für Arbeit, Integration, Jugend und Soziales vom 20.12.2024 zur Einführung der Bezahlkarte in Hessen‘ ist der Leistungsbehörde eine Ermessensentscheidung eingeräumt, um eine Erhöhung des voreingestellten Bargeldbetrages in Höhe vom 50,00 € im jeweiligen Einzelfall vornehmen zu können. Der Magistrat stellt eine Leistungsbehörde dar und kann die Festlegung eigenständig vornehmen.“[7] Und weiter: „Im ‚Merkblatt zum Verfahren der Anpassungen der Ausgestaltung (Beschränkungen) der Bezahlkarte durch die Leistungsbehörden (Stand 20.12.2024)‘ wird die Möglichkeit eingeräumt, eine grundsätzliche Anpassung des Barabhebungsbetrages nach Abstimmung mit dem Land (Koordinierungsstelle Bezahlkarte im Regierungspräsidium Gießen) durch die Leistungsbehörde, auch hier konkret durch den Magistrat, vorzunehmen.“[8]

Um die Teilhabechancen von Geflüchteten nicht weiter einzuschränken und die diskriminierende Wirkung der Bezahlkarte zu verringern, muss die Stadt Frankfurt ihre kommunalen Möglichkeiten ausschöpfen.

Die Linke im Römer
Dominike Pauli und Michael Müller
Fraktionsvorsitzende

Antragstellende
:
Stv. Ayse Dalhoff
Stv. Dominike Pauli
Stv. Daniela Mehler-Würzbach
Stv. Michael Müller
Stv. Monika Christann

[1] https://www.giessener-allgemeine.de/giessen/gegen-bezahlkarte-widerstand-93519817.html
[2] https://www.stvv.frankfurt.de/download/F_2895_2024.pdf

[3] https://hessen.de/presse/die-bezahlkarte-ist-da-wir-fuehren-sie-noch-dieses-jahr-in-hessen-ein#:~:text=%E2%80%9EDie%20Bezahlkarte%20ist%20ein%20wichtiges,Asylsuchende%20ausschlie%C3%9Flich%20in%20Deutschland%20nutzbar.

[4] https://www.tagesschau.de/inland/innenpolitik/asylbewerber-bezahlkarte-bundeslaender-102.html

[5] https://www.mdr.de/nachrichten/deutschland/politik/wie-hat-sich-bezahlkarte-fluechtlinge-bewaehrt-bilanz-100.html

[6] https://www.stvv.frankfurt.de/PARLISLINK/DDW?W=DOK_NAME=%27F_2895_2024%27

[7] Rechtsamt Wiesbaden, Prüfungsanfrage Dez VI vom 09.01.2025 und 15.01.2025 zum Thema Bezahlkarte, TgB.Nr.: 004/25

[8] ebenda

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